URI: 
       # taz.de -- Tame Impala Album „Deadbeat“: Im Outback ist der Flow flöten gegangen
       
       > Kevin Parker hat für Dua Lipa produziert und für „Barbie“ komponiert. Bei
       > seiner Band Tame Impala treibt er aber seltsame Dinge. Ist das schon
       > Identitätskrise?
       
   IMG Bild: Hat zuletzt auf verstrahlten Outdoor-Events aufgelegt: Kevin Parker
       
       Ein leichtes Rauschen, ein kurzer Probeakkord auf dem Klavier, als hätte
       jemand im Studio zu früh die Aufnahme gestartet. Dann fängt Kevin Parker
       über dem lange gleichbleibenden gebrochenen Klavierakkord mit seiner
       charakteristischen Kopfstimme an zu singen: „So here I am once again“.
       
       Ja, nach fünf Jahren ist er wieder da, mit einem neuen Tame-Impala-Album:
       „Deadbeat“. Zwar hat Parker seine Fans nach seinem letzten Album „The Slow
       Rush“ immer wieder vertrösten müssen, doch auch wenn „Deadbeat“ soviel wie
       Versager, Faulpelz oder Gammler heißt, eine verkrachte Existenz ist der
       Musiker deshalb noch lange nicht.
       
       Die lange Kunstpause lag wohl eher daran, dass er zwischendurch unter
       anderem noch Dua Lipas Studioalbum [1][„Radical Optimism“] mitkomponiert
       und -produziert hat. Und den Song „Journey to the Real World“ zum
       Soundtrack des supererfolgreichen Barbie-Films von Greta Gerwig
       beisteuerte.
       
       ## Tame Impala besteht aus Kevin Parker
       
       Nun ist der Multiinstrumentalist aus Australien aber wieder mit seinem
       eigenen Musikprojekt [2][Tame Impala] am Start. Bei Konzerten auf der Bühne
       lässt er sich zwar von seiner Band begleiten, aber eigentlich besteht Tame
       Impala nur aus ihm als Solisten. Sein fünftes Album beginnt intim,
       nachdenklich.
       
       Doch die Lo-Fi-Vibes sind schnell vorbei, spätestens beim Refrain, wenn ein
       4-to-the-floor-Beat einsetzt, wird klar: Diese Musik liefert nicht den Rock
       ’n’ Roll, den der erste Songtitel vermuten lässt. Denn sie ist alles andere
       als „Back into my old ways again“. Und auch nicht der charakteristische
       Psychedelic Rock, den man von Tame Impala bislang gewohnt ist.
       
       Mit „Deadbeat“ lässt Parker jedwede psychedelischen Anklänge aus den
       Tame-Impala-Anfängen von vor fast 20 Jahren endgültig hinter sich. Sowie
       alles Dream-poppige, Rockistische und Indiehafte. Stattdessen gibt es nun
       zwölf Tracks mit EDM, Disco und Techno.
       
       ## Ziemlich verstrahlte Outdoor Events
       
       Der Sound soll die Hörerin in die Raveszene im Outback Australiens
       entführen, zu den sogenannten „Bush Doof“-Partys – ziemlich verstrahlte
       Outdoor-Events, bei denen Parker selbst in den vergangenen Jahren immer mal
       wieder als DJ auflegte. Entlegene Orte sind das, an denen sich die
       Oz-Außenseiter treffen und ihre Selbstzweifel im Drogenrausch wegzutanzen
       versuchen.
       
       Es geht wohl auch bei Tame Impala um Identitätskrisen, nicht nur
       musikalisch. Parker – der vermutlich kein einfaches Verhältnis zu seinem
       Vater hatte – ist inzwischen selbst Vater geworden. Auf dem Cover zeigt er
       sich mit seiner Tocher Page. Geht es vielleicht darum, ob er ein guter
       Vater ist? Das bleibt ungeklärt. Der unaufgeregte, eher gewöhnliche Popsong
       „Loser“ steht exemplarisch für die Gemütslage des ganzen Albums: düster,
       fast schon depressiv im Songtext, generisch, einfallslos in puncto Rhythmik
       und Melodie.
       
       Man kann nicht sagen, dass die Beats schlecht wären. Im Gegenteil,
       „Oblivion“ und „Not My World“ zum Beispiel liefern fein produzierte,
       chillige Downbeat-Sounds, die man sich tatsächlich bei einem guten DJ-Set
       im Outback zwischen Gürteltieren und Tasmanischen Teufeln vorstellen kann.
       Oder zu einer fetten Lunte beim Runterkommen auf der Couch.
       
       ## Ausflug in die Techno-Wildnis
       
       Wer allerdings zu benebelt ist, dem entgeht, dass Drummachine und Bassline
       eigentlich über Minuten kaum für Dynamik und Variationen sorgen. Auch der
       düster pluckernde Beat von „Ethereal connection“ eignet sich höchstens für
       die ganz späte verstrahlte Stunde und ist vermutlich das Highlight von Tame
       Impalas Ausflug in die Techno-Wildnis.
       
       Es ist nicht zu überhören, der 39-Jährige beherrscht sein Handwerk, auch
       beim elektronischen Abmischen von Rhythmen und Flächen wirkt es filigran.
       Trotzdem klingt alles etwas träge und verworren, eine Klangtapete,
       miteinander verwoben durch den immer wiederkehrenden Melodiebogen des
       Klaviers.
       
       Und immer wieder die Frage: Diese Melodie, die kenn ich doch? Mal sind es
       die 70er Jahre, mal ganz klare Synthesizer-Vibes aus den 1980ern, bei
       „Obsolete“ beispielsweise. Die Michael-Jackson-Anspielung von „Dracula“ und
       das musikalische „Thriller“-Zitat bei „Afterthought“ sind wahrscheinlich
       noch am offensichtlichsten.
       
       Insgesamt lässt Parker verschiedenste Hooklines kurz aufblitzen, die sich
       in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt haben und die die Hörerin doch
       nicht so richtig zuordnen soll. Diese Verschleierungstaktik hat Kevin
       Parker auch schon bei seinen früheren Alben angewandt, doch diesmal fehlt
       leider oft die exzentrische Ader, der Punch, um wirklich knackige
       Überraschungsmomente zu kreieren.
       
       ## Konsum-Soundtrack in einer Secondhandboutique
       
       In die „Deadbeat“-Songs mischt sich mal Mainstream-Pop, mal tanzbarer
       Disco-Sound, gefolgt von Downbeat und treibendem Techno. Die
       Weltabgewandtheit des australischen Outback-Raves wird dabei auch spürbar,
       doch manch ein Track geht vom Vibe eher Richtung Konsum-Soundtrack in einer
       Secondhandboutique. Oft legt Parker dabei – und da bleibt er sich auch treu
       – Schicht für Schicht einzelne Soundspuren übereinander: Bassdrum,
       Eggshaker, Synthesizer-Chords, Gesang.
       
       Es bleiben gut produzierte Drumspuren, Basslines, Soundeffekte,
       Klavierklänge, aber zu oft tendieren sie zum porentief Reinen und
       Überproduzierten, manchmal gar nicht enden Wollenden, obwohl sie sich nicht
       entwickeln. Auch der gelegentliche Versuch, die Hörerin durch
       Low-Fi-Einschübe abzuholen, passt nicht recht zusammen mit den düsteren
       elektronischen Beats.
       
       Und wenn man dann doch in den Flow kommt, wird dieser mitten im Song durch
       ein Zwischenspiel aus Dialog und balladeskem Gesäusel mit Vocoder
       unterbrochen, so killt Parker den seltsamen Bush-Doof-Vibe. Eigentlich habe
       er ein richtiges Techno-Album raushauen wollen, gesteht Tame Impala in
       einem Podcast. Das wäre als Album vielleicht das bessere Konzept gewesen.
       
       Der lupenreine Technotrack „Ethereal Connection“ ist jedenfalls einsamer
       Höhepunkt des neuen Albums. „End of Summer“, das Finale, steht vielleicht
       exemplarisch dafür, was aus dem Rest von „Deadbeat“ hätte werden können;
       der geile Wumms wird mitten im Song zerstört durch Ambient-Gewaber,
       irgendwann folgt dann wieder Unz Unz Unz, aber der Flow ist flöten
       gegangen.
       
       ## Zu klinisch reiner Sound auf dem Album
       
       Eine gelungene Interpretation seiner eingängigsten Lieder „Loser“ und
       „Dracula“ liefert Tame Impala dagegen unplugged bei einem „Tiny
       Desk“-Konzert zusammen mit seiner Band. Da passt die Musik plötzlich zum
       Inhalt, hat mehr Kraft und zudem das Quäntchen Schmutz, das dem klinisch
       reinen Sound des Albums fehlt.
       
       Tame Impala hat sich mit „Deadbeat“ ausprobiert und gezeigt, was alle schon
       wissen: Er kann sauber produzieren. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass er für
       sein nächstes Album wieder in seine [3][alten Gewohnheiten] zurückfällt.
       
       1 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Neues-Album-von-Dua-Lipa/!6008392
   DIR [2] /The-Slow-Rush-von-Tame-Impala/!5661060
   DIR [3] /Neues-Album-der-Band-Tame-Impala/!5082569
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ruth Lang Fuentes
       
       ## TAGS
       
   DIR wochentaz
   DIR Tame Impala
   DIR Album
   DIR Australien
   DIR Psychedelic-Rock
   DIR Disko
   DIR Techno
   DIR Rave
   DIR Popmusik
   DIR Westbalkan-Staaten
   DIR Psychedelic-Rock
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Tourauftakt von Dua Lipa in Hamburg: Den Balkanspieß mal kurz umdrehen
       
       So gewissenhaft wie Barbie: Dua Lipa eröffnet ihre Deutschland-Tour in der
       ausverkauften Hamburger Barclays Arena. Es wurde ein fulminanter Auftritt.
       
   DIR Neues Album von Dua Lipa: Wassereis im Freibad
       
       Dua Lipa veröffentlicht ihr Album „Radical Optimism“. Die Musik klingt
       harmlos, aber catchy. Der Balkan sendet nun Ohrwürmer in alle Jugendzimmer.
       
   DIR „The Slow Rush“ von Tame Impala: Leuchten in der Wüste
       
       Sci-Fi in der Disco: Kevin Parker veröffentlicht mit Tame Impala das neue
       Album „The Slow Rush“. Eine Begegnung mit dem Australier in Berlin.