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       # taz.de -- Vor den Kongresswahlen in Argentinien: Zitterpartie für Javier Milei
       
       > Umfragen sehen Javier Milei vor den Wahlen am Sonntag wegen Skandalen
       > unter Druck. Hauptsorge der Menschen ist der Verlust ihrer Arbeitsplätze.
       
   IMG Bild: Megaphon statt Motorsäge: Argentiniens Präsident Javier Milei während einer Wahlkampfveranstaltung
       
       taz | Der Pickup mit dem argentinischen Präsidenten fährt an einer
       Straßenecke vor. Auf den engen Straßen drängen sich Menschen. Von der
       offenen Ladefläche ruft Javier Milei Sätze wie „Wir wollen mit den Ideen
       der Freiheit weiter voranschreiten“ oder „Die Freiheit schreitet voran,
       oder Argentinien zurück“ und auch schon mal „Ich habe nie gesagt, dass es
       einfach sein würde“. Noch ein kurzes Bad in der Menge, Händeschütteln, ein
       paar Selfies mit dem Präsidenten. Dann ist er wieder weg, spätestens nach
       einer halben Stunde.
       
       Es sind solche Blitzauftritte, die den Wahlkampf des argentinischen
       Präsidenten prägen. Sie vermeiden die Bilder von großen Bühnenauftritten
       vor wenig Publikum. Aber auch, dass die ihn stets begleitenden Proteste
       gegen seine Politik nicht zu groß oder gar gewalttätig ausfallen. Mehr als
       einmal musste der präsidiale Tross allerdings trotzdem schon vorzeitig und
       schnell die Szenerie verlassen.
       
       Am Sonntag finden in Argentinien Kongresswahlen statt. Es sind die ersten
       landesweiten Wahlen seit dem Triumph des libertären Javier Milei [1][in der
       Stichwahl um das Präsidentenamt im November 2023]. Gewählt werden die
       Hälfte der 257 Delegierten des Abgeordnetenhauses und ein Drittel des
       72-köpfigen Senats. Da Wahlpflicht herrscht, sind alle rund 36 Millionen
       Wahlberechtigten aufgefordert, zu den Urnen zu kommen.
       
       Auch bei einem sehr guten Wahlergebnis wird Mileis Partei zukünftig nicht
       mehr als um die 70 Abgeordneten stellen. Läuft es schlecht für ihn, wird
       die Zahl bei um die 60 Mandate liegen. Beides reicht nicht aus für ein
       Drittel der erforderlichen Mandate um zu verhindern, dass seine Dekrete und
       Vetos [2][nicht vom Kongress außer Kraft gesetzt werden können]. Ganz zu
       schweigen von den Mehrheiten, die er braucht, um die angekündigten Reformen
       beim Arbeits- und Steuerrecht sowie dem Rentensystem durchzusetzen.
       
       ## Hauptprobleme Arbeitsplätze und Korruption
       
       Vor zwei Jahren war die Sorge Nummer Eins der Bevölkerung die galoppierende
       Inflation. Die hat Präsident Milei mit seinem radikalen Sparkurs
       tatsächlich auf eine Monatsrate von um die zwei Prozent gesenkt. Für das
       laufende Jahr wird nun mit einer Rate von knapp unter 30 Prozent gerechnet.
       Im Vergleich zu Deutschland noch immer enorm, aber in Argentinien ein
       Segen, legt man die 118 Prozent vom Vorjahr zugrunde.
       
       Ganz oben steht jetzt die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Zwar
       wird Argentiniens Wirtschaft 2025 mit einem Plus von 4,5 Prozent
       voraussichtlich die lateinamerikanische Volkswirtschaft mit dem höchsten
       Wachstum sein, gab der Internationale Währungsfonds vor wenigen Tagen
       bekannt. Betrachtet man diese 4,5 Prozent allerdings näher, dann zeigt
       sich, dass das Wachstum an den arbeitsintensiven Branchen vorbeigeht und
       dort die Arbeitslosigkeit zunimmt.
       
       Ein Beispiel ist die Textilindustrie. Zwischen Dezember 2023 und Juni 2025
       mussten 380 mittelständische Firmen und Familienunternehmen der
       Bekleidungs- und Schuhindustrie schließen. Nach Angaben der Stiftung der
       Pro Tejer ging die Produktion in diesem Zeitraum um 14,5 Prozent zurück.
       11.500 Arbeitsplätze gingen verloren, das waren zehn Prozent der
       Beschäftigten.
       
       Die großen Wachstumstreiber sind die Finanzdienstleistungen, der Bergbau
       und die Agrarwirtschaft. Die Korruption ist auf den zweiten Platz der
       Sorgenrangliste geklettert. Und auch da kann Milei nicht punkten.
       
       ## Mileis Korruptions- und Drogenskandale
       
       Seit Monaten reihen sich Korruptions- und Bereicherungsskandale nahtlos
       auf, in die die Regierung verwickelt ist. Zuerst waren es der Vorwurf der
       [3][Bereicherung durch Mileis Unterstützung einer Kryptowährung]. Dann gab
       es Korruptionsvorwürfe [4][gegen die Schwester des Präsidenten, Karina
       Milei]. Und schließlich musste der Präsident [5][seinen Spitzenkandidaten
       bei den Kongresswahlen zurückziehen], wegen dessen Verbindungen zu einem
       mutmaßlichen Drogenhändler. Wegen solcher Schlagzeilen fand der Wahlkampf
       kaum Beachtung.
       
       Während Milei versucht, mit dem Gespenst von der Rückkehr der Peronisten
       Stimmen zu fangen, fordern diese dazu auf, den den Sparkurs des Präsidenten
       an der Wahlurne zu stoppen. „Frenamos a Milei – Stoppen wir Milei“ lautet
       das wenig Aufbruchsstimmung verbreitende Wahlkampfmotto der peronistischen
       Fuerza Patria, der Allianz, deren unterschiedliche und zerstrittene Flügel
       einen Burgfrieden bis zum Wahlsonntag geschlossen haben. Jenseits ihrer
       Stammwählerschaft sind sie damit wenig anziehend.
       
       Am Sonntag richtet sich die Aufmerksamkeit auf die „Siperistas“, ein
       Wortspiel aus „Si, pero“ (Ja, aber). Gemeint sind jene rund 20 Prozent die
       Wahlberechtigten, deren Stimmen Milei seinen Sieg in der Stichwahl vor zwei
       Jahren letztlich zu verdanken hat, die aber inzwischen nachdenklich
       geworden sind. Sie entscheiden, wer am Wahlabend die Nase vorn hat. [6][Bei
       der Wahl in der Provinz Buenos Aires] Anfang September blieben sie
       mehrheitlich zu Hause.
       
       23 Oct 2025
       
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