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       # taz.de -- Vor den Wahlen in der Elfenbeinküste: Ein immer wiederkehrendes Trauma
       
       > Ohne echte Opposition will sich Präsident Ouattara am Samstag
       > wiederwählen lassen. Ein großes Sicherheitsaufgebot soll Protest und
       > Gewalt verhindern.
       
   IMG Bild: Keine Opposition macht die Wahl einfach
       
       Abidjan taz | Rauch und Flammen schlagen aus dem Dach, Papiere liegen auf
       der Straße verstreut, dazwischen sind kaputte Einzelteile von
       Plastikstühlen zu sehen. Es sind Bilder und Videos des Büros der ivorischen
       [1][Wahlkommission CEI] in Yamoussoukro. Demonstranten haben am Montag in
       der politischen Hauptstadt der Elfenbeinküste das Büro angegriffen und in
       Brand gesetzt.
       
       „Glücklicherweise beklagt die Kommission keine Verletzten. In den Büros
       befanden sich lediglich Büromaterialien“, teilt die CEI mit: „Die Schäden
       sind daher nicht von einer Art, die die Durchführung der für den 25.
       Oktober 2025 geplanten Wahl beeinträchtigen könnten“.
       
       8,7 Millionen Wahlberechtigte sind am Samstag in der Elfenbeinküste
       aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Neben dem amtierenden
       Präsidenten stehen lediglich vier weitere Kandidatinnen und Kandidaten zu
       Wahl: Die ehemalige First Lady Simone Gbagbo, der Geschäftsmann Jean-Louis
       Billon, der ehemalige Regierungssprecher Ahoua Don Mello und die
       Sozialpolitikerin und Ex-Ministerin Henriette Lagou.
       
       Ursprünglich beworben hatten sich allerdings 60 Kandidaten, und die
       gefährlichsten Konkurrenten des Amtsinhabers Alassane Ouattara dürfen nicht
       antreten: der sozialistische Expräsident [2][Laurent Gbagbo], der das Land
       von 2000 bis 2011 regierte, und der Banker [3][Tidjane Thiam] von der
       vorherigen langjährigen Regierungspartei PDCI (Demokratische Partei der
       Elfenbeinküste). Dass ausgerechnet die Vertreter von zwei der größten
       Parteien im Land vom Rennen ausgeschlossen sind, sorgt für spürbaren Frust.
       
       ## „Warum soll ich wählen?“
       
       „Warum soll ich wählen? Es ist doch eh bereits entschieden“, sagt
       Baby-Odette. Die 24-jährige Jura-Studentin an der Universität Félix
       Houphouët Boigny, größte und geschichtsträchtigste Universität des Landes,
       wird am Wahltag zu Hause bleiben. Ihre Stimme zähle ohnehin nichts, sagt
       sie, das Ergebnis stehe schon fest. Und sie fürchtet, dass es wieder zu
       Gewalt kommt.
       
       Die Nachrichten aus Yamoussoukro erscheinen wie Vorboten. Am Dienstag starb
       dort ein Mensch, der nach amtlichen Angaben bei der Räumung illegaler
       Straßensperren einen Steinwurf an den Kopf bekam.
       
       Angst ist weit verbreitet. „In den letzten 30 Jahren hat es bei jeder Wahl
       in der Elfenbeinküste Tote gegeben“, sagt der Jurist und Politologe
       Geoffroy-Julien Kouao und listet auf: 1995 verloren 30 Menschen ihr Leben,
       2000 starben 300. [4][2010–11] – als Ouattara erstmals gewählt wurde und
       Gbagbo seinen Machtverlust monatelang mit Gewalt zu verhindern versuchte –
       wurden mehr als 3.000 Menschen getötet. Auch bei den letzten
       [5][Präsidentschaftswahlen 2020] kamen 87 Menschen ums Leben. In diesem
       Jahr sind bislang vier Tote zu beklagen, ein vergleichsweise ruhiger
       Auftakt. Doch das könne sich rasch ändern, sagt Kouao. Wahlen sind in der
       Elfenbeinküste ein wiederkehrendes Trauma.
       
       Damit es ruhig bleibt, hat Präsident Ouattara schwere Geschütze
       aufgefahren. Während des Wahlmonats, vom 5. Oktober bis 4. November, sollen
       44.000 Soldaten, Gendarmen und Polizisten für Sicherheit sorgen.
       Demonstrationen sind verboten. In der Wirtschaftsmetropole Abidjan sind an
       fast allen großen Kreuzungen gepanzerte Fahrzeuge stationiert, ein Anblick,
       der im Alltag ansonsten unüblich ist. Ihre Präsenz soll Sicherheit
       vermitteln – und zugleich abschrecken.
       
       Vor allem im Westen und im Zentrum der Elfenbeinküste ist der Unmut hoch.
       Der Westen gilt als Hochburg Gbagbos, das Zentrum als Machtbasis von
       Tidjane Thiam, besonders dessen Geburtsstadt Yamoussoukro, wo auch
       Staatsgründer Félix Houphouët-Boigny geboren wurde, weswegen das einstige
       Dorf [6][zur Hauptstadt ausgebaut] wurde.
       
       Dass es ausgerechnet dort im Vorfeld der Wahlen zu einem Brandanschlag auf
       die Wahlkommission kam, überrascht nicht. Die CEI steht seit Monaten massiv
       in der Kritik. „Eigentlich wird die Wählerliste jedes Jahr aktualisiert,
       2025 aber ist das nicht geschehen“, erklärt Kouao. Tidjane Thiam, der 2024
       noch unter ivorisch-französischer Doppelstaatsbürgerschaft registriert war
       – etwas, das unter ivorischem Gesetz nicht erlaubt ist –, konnte sich
       deshalb nicht neu registrieren lassen. Und das, obwohl er in der
       Zwischenzeit seinen französischen Pass zurückgegeben hatte.
       
       Auch hier bleibe die Elfenbeinküste ihrer Tradition treu, sagt Kouao: Vor
       jeder Wahl werde nach Gründen gesucht, um starke Oppositionskandidaten ins
       politische Aus zu manövrieren.
       
       ## Wirtschaftlich vorwärts, politisch rückwärts
       
       Ouattaras Bilanz ist umstritten. Während politische Gegner ausgeschlossen
       werden, die Justiz als parteiisch gilt und die Spielräume für Kritik immer
       enger werden, hat das Land in seiner Regierungszeit seit 2011 ein rasantes
       wirtschaftliches Wachstum hingelegt.
       
       Riesige neue verglaste Hochhäuser schrauben sich in Abidjan in den Himmel,
       breite saubere Straßen mit hübsch bepflanzten Verkehrsinseln prägen das
       Stadtzentrum, imposante Brücken verbinden die verschiedenen Viertel über
       die Lagune hinweg, die sich pittoresk durch die Metropole schlängelt.
       Abidjan hat sich zu einem modernen Wirtschaftszentrum in Westafrika
       entwickelt, das internationale Investoren anzieht. Doch der wirtschaftliche
       Aufschwung geht einher mit einer zunehmend autoritären Regierungsführung.
       
       Einen Vorgeschmack auf das, was unliebsamen Stimmen bei den Wahlen blühen
       könnte, hat der Staat jetzt noch einmal geliefert. In einem Eilverfahren am
       vergangenen Donnerstag wurden rund fünfzig Menschen zu drei Jahren Haft
       verurteilt, unter anderem wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“, weitere
       32 am Dienstag. Sie sollen an einem verbotenen Oppositionsmarsch
       teilgenommen haben. Laut Innenministerium wurden in den letzten Wochen über
       700 Personen festgenommen. Die harten Urteile nur wenige Tage vor der Wahl
       sind ein deutliches Signal.
       
       23 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.cei.ci/
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       ## AUTOREN
       
   DIR Helena Kreiensiek
       
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