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       # taz.de -- Traumatisierte Geflüchtete: CDU und SPD wollen noch weniger psychotherapeutische Hilfe
       
       > Nur ein Bruchteil der 990.000 Geflüchteten mit Traumafolgestörungen wird
       > in Deutschland behandelt. Jetzt wird die Förderung noch einmal halbiert.
       
   IMG Bild: Mit Figuren können geflüchtete Kinder bei Refugio München ihre Erfahrungen auf der Flucht nachstellen und verarbeiten (Archiv)
       
       Nach dem Motto „Wer wenig hat, dem kann viel genommen werden“ verfahren
       aktuell CDU und SPD im Deutschen Bundestag. Es geht um die
       [1][psychotherapeutische Versorgung von Geflüchteten]. Etwa 30 Prozent von
       ihnen litten an einer [2][Traumafolgestörung], teilt die Bundesweite
       Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und
       Folteropfer (Baff) mit. Das seien 990.000 Menschen, die Vergewaltigung,
       Folter und den Tod von Angehörigen überlebt haben. Ein bis vier Prozent
       würden Hilfe im Gesundheitssystem finden, die psychosozialen Zentren – 51
       sind in der Baff organisiert – [3][könnten etwa 3,1 versorgen].
       
       Ab 2026 werden es vermutlich noch weniger. Denn anders als in den Vorjahren
       werden die Regierungsfraktionen die jährlich im Haushalt eingeplanten 7,1
       Millionen Euro nicht aufstocken. Das befürchtet Lukas Welz, Geschäftsführer
       der Baff. „Wir haben sonst in den Haushaltsberatungen immer Signale
       bekommen, dass die Koalition mehr Geld zur Verfügung stellen wird.“ 13
       Millionen Euro seien es 2025 gewesen, 2023 sogar 18 Millionen.
       
       In diesem Jahr hingegen seien die Signale ausgeblieben, sagt Lukas Welz, es
       habe ihn nur ein einzelner SPD-Abgeordneter kontaktiert. Öffentlich äußert
       der sich nicht – es fehlt an Rückhalt in der eigenen Fraktion. Denn die
       weiß, dass die CDU in Zeiten des Spardrucks nicht ausgerechnet für
       Geflüchtete mehr Geld ausgeben wird.
       
       Getroffen würden die Zentren sehr unterschiedlich von der Halbierung der
       Bundesmittel. Denn in den Bundesländern wird das Geld aus unterschiedlichen
       Töpfen zusammengekratzt. In Niedersachsen etwa werden die sechs Zentren
       überwiegend vom Land finanziert. Dennoch müssten auch sie Angebote
       einstellen, wenn alles so kommt wie es aussieht, sagt Armin Wühle vom
       Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen.
       
       ## Sparen bei Kindern und Jugendlichen
       
       Und zwar ausgerechnet für die verletzlichsten und jene, bei denen die
       Chancen am höchsten sind, eine [4][Chronifizierung ihrer Erkrankung] zu
       verhindern: Kinder und Jugendliche. An jedem Standort sei eine halbe
       Therapeutenstelle für Kinder und Jugendliche vorgesehen, bezahlt aus
       Bundesmitteln. 465 Kinder und Jugendliche hätten so im vergangenen Jahr
       Hilfe gefunden. „Das deckt nicht annähernd den Bedarf“, sagt Wühle. Ab 2026
       blieben dann fast alle unversorgt.
       
       Noch härter kommt es in Thüringen. Dort werden ab Januar von 43
       Mitarbeiter:innen nur noch die Hälfte für Therapie und Beratung zur
       Verfügung stehen – mit weniger Stunden, rechnet die Geschäftsführerin von
       Refugio Thüringen, Carolin Kremer-Ebenau, vor. Wenn es gut läuft und das
       Geld rechtzeitig zur Verfügung steht. Der Grund: Refugio Thüringen bekommt
       vom Land nur 480.000 Euro, vom Bund 210.000 Euro.
       
       Dafür gab es bisher von der EU sechs Millionen Euro über drei Jahre. Ab
       2026 sind es nur noch 1,5 Millionen Euro. Im August wurde bekannt, dass
       diese EU-Mittel den Bundesländern nicht mehr nach Bedarf zugewiesen werden,
       sondern nach Steuereinnahmen und Einwohnerzahl. „Wir werden in vielen
       Fällen Therapien abbrechen müssen“, sagt Kremer-Ebenau, „das Rückfallrisiko
       ist sehr hoch“.
       
       Dabei wäre das Geld an dieser Stelle gut investiert, sagt sie. „Nur wer
       psychisch gesund ist, kann die Sprache lernen und arbeiten.“ Zudem sei die
       stationäre Behandlung von psychisch Kranken viel teurer – die oft notwendig
       wird, wenn Menschen nicht ambulant behandelt werden. Und wenn es darum
       gehen soll, im Wahn begangene tödliche Attacken wie im Januar in
       Aschaffenburg zu verhindern: Dann wäre eine gute psychotherapeutische
       Versorgung von Geflüchteten womöglich zielführender als der Versuch, diese
       seltenen Extremfälle vorherzusagen.
       
       6 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
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