URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Bedeutsam in die Ferne schauen
       
       > Deutschland ohne Worte: Robert Habeck gründet überraschend eine neue
       > Partei mit dem vielversprechenden Namen WIN.
       
       Das ging schnell. Erst vor wenigen Wochen hatte Robert Habeck, der Grünen
       einstiger und einziger „Shootingstar“ (Neue Osnabrücker Zeitung), seinen
       Rückzug aus dem Berliner Politikbetrieb angekündigt. In seiner
       Abschiedsrede sprach er davon, „den Kampf um die Demokratie anders
       gestalten“ zu wollen. Angeblich wollte er dafür das Weite suchen, sogar in
       Kalifornien.
       
       Doch das war offenbar nur die halbe Wahrheit. Denn nun kommt es doch ganz
       anders: Habeck hat eine neue Partei gegründet, die sich nicht weniger auf
       die Fahnen schreibt, als „die ehrlichste Partei Deutschlands“ sein zu
       wollen. Das Bündnis „Weiß ich nicht“ (WIN) hat sich heimlich, still und
       leise am vergangenen Wochenende in einem Vier-Sterne-Hotel im
       schleswig-holsteinischen Hellbachtal gegründet, gutmütig „Tal der
       Ahnungslosen“ genannt.
       
       „Ich wollte immer eine Stimme sein. Aber genau das war der Irrtum. Deshalb
       bin ich gescheitert“, erklärt Habeck am Tisch in der Hotelküche. Die Ärmel
       des Holzhammerhemds sind aufgekrempelt, der Bart mindestens drei Tage alt,
       die Haare wie frisch aus dem Bett. Im Hintergrund läuft Helene Fischer, die
       ihren größten Hit extra für WIN umgetextet hat: „Ahnungslos durch die
       Nacht“ summt der Ex-Vizekanzler schunkelnd mit.
       
       „Ich habe gesagt:,Wenn ich das sein will, was ihr von mir erwartet, muss
       ich einen Weg gehen, der nicht der erwartbare ist.' In dem Moment hatte ich
       selbst keine Ahnung, was das überhaupt heißen soll. Und als ich das dachte,
       da fiel es mir wie ein Brett vom Kopf.“ Er schaut bedeutsam in die Ferne.
       „Ich bin die beste Version von mir selbst, wenn ich weiß, dass ich nichts
       weiß.“ Das Parteiprogramm habe er in einer Nacht „runtergeschrieben“, es
       passt auf eine DIN-A4-Seite. Darauf steht nur ein einziger Satz in
       Schriftgröße 72 Punkt: „Deutschland ohne Worte.“ Habeck lehnt sich zurück.
       „Mehr muss man nicht sagen.“
       
       Zu den Mitbegründern gehört auch Volker Wissing, einst FDP-Mitglied. Er
       schwärmt: „Keine Ahnung haben viele in der Politik, ich ja auch. Aber wer
       gibt so offen zu, dass er null Plan hat, was das alles soll?“ Wissing zählt
       begeistert Beispiele auf: „Über das deutsche Stromnetz hat der Robert
       gesagt, es sei das zweitsicherste der Welt, nur Japan sei besser. Und
       dann:,Warum das so ist, weiß ich auch nicht.' Ist das nicht großartig? Oder
       dass die Grünen nicht mit der CSU koalieren:,Was dann aus Bayern werden
       soll, weiß ich auch nicht.' Das ist der Spirit, den wir brauchen!“
       
       ## Viele haben auf nichts keine Antwort
       
       Und der komme bei einer stark wachsenden Wählerklientel gut an, sagt
       Politikwissenschaftler Karl-Heinz Wolf. „Nehmen Sie die Ergebnisse von
       Umfragen, egal, worum es geht: Soll man russische Drohnen abschießen oder
       nur die vom eigenen Nachbarn? Soll es eine neue Staffel von,Diese
       Ochsenknechts' geben? Halten Sie acht Monate Wartezeit auf eine
       Darmspiegelung für angemessen? Es gibt viele Menschen, die darauf keine
       Antwort wissen. Die sagen, weiß ich nicht, kann ich nichts zu sagen. Das
       sind mal fünf, mal zehn, mal sogar fünfzehn Prozent. Darin steckt ein
       großes Potenzial.“
       
       Habeck lächelt milde. „Fünfzehn Prozent? Von solchen Zahlen werden die
       Grünen bald nur träumen können.“ Er streckt einen Zeigefinger in die Luft.
       „Nicht, dass Sie denken, ich will diesen Menschen eine Stimme geben, ganz
       im Gegenteil. Ich will, dass aus der schweigenden Minderheit eine
       schweigende Mehrheit wird!“ Das sei ein völlig neuer Ansatz im politischen
       Diskurs. „CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat einen Podcast, der
       heißt:,Einfach mal machen'. Mein neuer Podcast heißt:,Einfach mal die
       Klappe halten'.“
       
       Jede Woche freitags schweigt Habeck eine Dreiviertelstunde lang ins
       Mikrofon, nur sein sanftes Atmen ist zu hören. „Das gibt total viel
       Energie, man spürt wieder Luft unter den Flügeln.“ Der WIN-Parteichef
       schließt die Augen. „Ich rede schon wieder viel zu viel.“ Den Vorwurf, er
       agiere konfus, lässt er nicht gelten. „Ich habe gesagt:,Wohin mich der Weg
       durchs Offene führt, weiß ich nicht.' Was ist an,weiß ich nicht' nicht zu
       verstehen?“
       
       Wolf räumt dem neuen Bündnis gute Chancen ein. „In einer Welt voller
       Konflikte und Instabilität sind andere Werte gefragt. Bescheidenheit.
       Demut. Die eigene Unvollkommenheit annehmen.“ Er erwarte, dass WIN bei den
       vier Landtagswahlen, die 2026 anstehen, aus dem Stand zweistellige
       Prozentwerte erziele. In Baden-Württemberg hängen schon die Plakate für die
       Wahl im März – selbstverständlich mit Habecks Konterfei. Tiefgründig blickt
       er in die Kamera, seine Lippen verdeckt von einem roten Wahlzettelkreuz.
       Darunter steht: „Ein Mann. Kein Wort.“
       
       ## Berater loben Habeck
       
       Politikberaterin Verena Köhler, die unter anderem Karl-Theodor zu
       Guttenberg nach der Plagiatsaffäre zu einem Imagewechsel verholfen hat,
       lobt Habecks Initiative. „Die Rolle des hochkompetenten und allwissenden
       Politikers, der die Probleme des Landes im Griff hat, kauft einem sowieso
       niemand mehr ab. Die Menschen sehnen sich nach Führungsfiguren, in denen
       sie sich wiedererkennen können: unprofessionell, unzulänglich, ungepflegt.
       Das ist der Zeitgeist. Und das hat Robert Habeck verstanden.“
       
       Dem stimmt Wissenschaftler Wolf zu. „Apropos unprofessionell: Die aktuelle
       Regierungskoalition macht gerade den Fehler zu glauben, sie hätte das
       Nichtwissen für sich gepachtet.“ Die neue Kraft WIN sei daher „eine
       ernstzunehmende Konkurrenz“. SPD-Chef Klingbeil räumt ein, seine Partei
       habe es versäumt, „die Menschen abzuholen, die uns längst durchschaut
       haben.“ Beraterin Köhler pflichtet ihm bei: „Dann hätte die SPD
       Zustimmungswerte nahe an der absoluten Mehrheit.“ Klingbeil wirkt plötzlich
       sehr nachdenklich.
       
       Ganz anders reagiert der noch amtierende baden-württembergische
       Ministerpräsident Kretschmann. Er winkt gelassen ab. Jetzt, wo Robert
       Habeck den Grünen den Rücken gekehrt habe, könne er endlich sagen, was er
       über ihn wirklich denke – und auch das braucht nicht viele Worte:
       „Waschlappen.“
       
       8 Nov 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Kokoska
       
       ## TAGS
       
   DIR Satire
   DIR Robert Habeck
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Parteigründung
   DIR Wissen
   DIR Volker Wissing
   DIR Ampel-Koalition
   DIR Reden wir darüber
   DIR Satire
   DIR Garten
   DIR Einzelhandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Wahrheit: Der Schwarzwäldler
       
       Der Mann der Stunde und der Mann des Kanzleramts: Thorsten Frei (CDU) –
       Chef, Ehemann und Buchautor.
       
   DIR Die Wahrheit: Zurück zum Halm, ran an den Rasen
       
       Eine neue rechte und brandgefährliche Graswurzelbewegung hat Deutschland
       und seine überaus gepflegten Gärten fest im stählernen Griff.
       
   DIR Die Wahrheit: Quengelware Panzerfaust
       
       Mit Waffensonderangeboten möchte der arg gebeutelte deutsche Einzelhandel
       vom lebhaften Aufschwung in der Rüstung profitieren. Ein Lagebericht.