# taz.de -- Pressefreiheit in der Türkei: Oppositioneller Sender Tele 1 dichtgemacht
> Dem Chefredakteur des Fernsehsenders Tele 1 wird Spionage vorgeworfen.
> Auch der festgenommene Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu ist
> betroffen.
IMG Bild: Unterstützer des Istanbuler Bürgermeisters İmamoğlu bei einer Kundgebung am 26. Oktober
Gegen den inhaftierten Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu sind neue
Vorwürfe erhoben worden. Er soll einen Spionagering geführt haben, in dem
der Chefredakteur von Tele 1, Merdan Yanardağ, Mitglied gewesen sei.
Eine Folge dieser Anschuldigung: einer der letzten oppositionellen
Fernsehsender, Tele 1, wurde geschlossen und unter Zwangsverwaltung
gestellt. Auch der Youtube-Kanal von Tele 1 ist dicht. Im Sender wird seit
Freitagabend nur noch Regierungsreklame ausgestrahlt. Neben Yanardağ soll
noch der Wahlkampfmanager von İmamoğlu, Necati Özkan, am Spionagering
beteiligt sein.
Am Sonntag wurden sowohl İmamoğlu als auch Yanardağ einem
Untersuchungsrichter im zentralen Istanbuler Çağlayan-Gericht vorgeführt.
İmamoğlu wurde deshalb extra aus seinem Untersuchungsgefängnis in Silivri
nach Çağlayan gebracht, wo ihn Tausende seiner Anhänger erwarteten.
Ausgangspunkt der neuerlichen Vorwürfe ist wohl eine Aussage eines Hüseyin
Gün, der bereits im Juli dieses Jahres verhaftet wurde. Im Zuge seiner
Vernehmungen soll Gün sich als Spion für die Briten, den CIA und den Mossad
geoutet haben. Er soll behauptet haben, über İmamoğlus Wahlkampfmanager
Necati Özkan ausländischen Nachrichtendiensten Einfluss auf den
Kommunalwahlkampf 2019 verschafft zu haben.
## „Schwerer Schlag gegen Pressefreiheit“
Die Kommunalwahl 2019 führte zum ersten Wahlsieg İmamoğlus in Istanbul, der
damit den Religiösen nach mehr als 20 Jahren an der Macht die größte Stadt
des Landes abnehmen konnte. Als eine Art Kronzeuge soll er sowohl Özkan,
den Chefredakteur von Tele 1 Merdan Yanardağ und İmamoğlu selbst belastet
haben. Özkan sagte, er habe Gün nur einmal getroffen, als er ihm nach der
Wahl 2019 eine Analysesoftware für soziale Medien zum Kauf anbot. Er habe
den Kauf abgelehnt.
Özgür Özel, Parteichef der CHP, sagte bei der Kundgebung am Sonntag vor dem
Gericht, die gesamten Vorwürfe seien „erstunken und erlogen“. Für den
Sender Tele 1 sieht es nun schlecht aus. Das Gericht hat einen
Zwangsverwalter eingesetzt, der zuvor bei der regierungsnahen Zeitung Yeni
Şafak gearbeitet hat.
Der hat mittlerweile die Entlassung sämtlicher RedakteurInnen des Senders
angekündigt. Gegen Yanardağ ist U-Haft verhängt worden. Seine Anwälte
bezeichnen die Schließung von Tele 1 als „schweren Schlag gegen die
Pressefreiheit“.
26 Oct 2025
## AUTOREN
DIR Wolf Wittenfeld
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