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       # taz.de -- Grünen-Chef zur Stadtbild-Debatte: Man wird doch wohl mal sagen dürfen
       
       > Bei aller Kritik an Merz: Felix Banaszak fordert seine Partei auf,
       > Probleme nicht auszublenden. Machen wir doch gar nicht, entgegnet die
       > Grüne Jugend.
       
   IMG Bild: Versucht sich als Brückenbauer: Felix Banaszak, eigentlich Partei-Linker, will die von Merz angesprochenen Sorgen ernst nehmen
       
       Am Montagmittag steht Felix Banaszak da wie ein Chemielehrer, der sein
       Experiment gestartet hat und jetzt mal schaut, ob’s funktioniert. Bei einer
       Pressekonferenz in der Grünen-Zentrale erläutert der Parteichef [1][den
       Debattenbeitrag, den er am Vortag auf seiner Internetseite veröffentlicht
       hat]. Es geht darin um die „Stadtbild“-Diskussion, die der Bundeskanzler
       ausgelöst hatte – und die eigentlich gar keine Debatte sei, weil sich die
       beiden Seiten überhaupt nicht zuhörten.
       
       „Ich habe jetzt einen Versuch unternommen, aus dieser Sprachlosigkeit, aus
       dieser Verhärtung herauszukommen“, sagt Banaszak in der Parteizentrale.
       „Ich sage ganz offen: Ich weiß nicht, ob es gelingt, weil ja offensichtlich
       die Debatte schon so angespannt und so zugespitzt geführt ist.“
       
       Rund 12.000 Zeichen [2][umfasst sein Versuch vom Wochenende]. Ein Stück
       weit klingt darin der Sound des Brückenbauens durch, mit dem Robert Habeck
       im Bundestagswahlkampf gescheitert war und der bei den Grünen seitdem
       eigentlich etwas aus der Mode ist.
       
       Von Merz distanziert sich Banaszak in seinem Beitrag zwar umfangreich. Er
       wirft ihm vor, Ressentiments dahinzuraunen. Dem Kanzler sei es „wohl egal,
       dass es strukturellen Rassismus gibt“. Er habe mit seinen Worten „Menschen
       tief verletzt und verunsichert“ und die Demonstrationen gegen seine
       Äußerungen seien „ein gutes Zeichen“.
       
       Aber: „Zur Realität dieses Landes gehört auch, dass der Bundeskanzler eine
       breit getragene Wahrnehmung anspricht, mit der sich progressive Kräfte
       beschäftigen müssen.“ Banaszak spricht von tatsächlichen Problemen in den
       Stadtbildern, in Teilen seiner Heimatstadt Duisburg zum Beispiel „sichtbare
       Armut, Müll, Verwahrlosung“ und „Kinder, die im Winter im T-Shirt auf der
       Straße spielen“. Auch von „Angsträumen“ ist die Rede. Manche Probleme
       hätten „mit Migration zu tun, vieles gar nicht“. Doch wer „berechtigte
       Kritik an rassistischen Aussagen“ wie der von Merz formuliere, dürfe „nicht
       den Eindruck erwecken, diesen Teil des Lebens auszublenden“. Zwischen
       beiden Seiten brauche es einen „Diskursraum“.
       
       ## Im ersten Anlauf verpufft
       
       Was Banaszak schreibt, ist nicht komplett neu. [3][In einem taz-Interview
       beklagte er schon im August]: Wenn „progressive Kräfte“ auf
       Integrationsprobleme „keine überzeugenden Antworten geben, füllen andere
       das Vakuum“. Damals verhallte seine Aussage aber weitestgehend. Im
       politischen Berlin war gerade Sommerpause – und an eine ganz akute Debatte
       dockten Banaszaks Sätze nicht an.
       
       Das ist jetzt anders. Die Stadtbild-Diskussion tobt seit anderthalb Wochen.
       Prominente Grüne haben bislang in erster Linie Empörung über Merz
       beigetragen. Spuren von Verständnis gab es bis zum Wochenende nur von Cem
       Özdemir, dem Oberrealo aus Baden-Württemberg. Mit ihm bildet der
       Parteilinke Banaszak nun eine seltene Allianz.
       
       Als Tabubruch wird sein Vorstoß innerhalb der Grünen gleichwohl nicht
       wahrgenommen. Die Reaktionen am Montag sind gemischt. „Sehr guter,
       differenzierter Debattenbeitrag“, schreibt Chantal Kopf,
       baden-württembergische Bundestagsabgeordnete aus dem Realo-Flügel, auf
       Bluesky. Ein Fraktionskollege aus dem linken Flügel sagt, er finde
       Banaszaks Beitrag „im Grunde ganz gut“. Es gebe innerhalb der politischen
       Linken „schon Tendenzen, reale Probleme zu negieren. Aber wir müssen neben
       der Analyse auch Lösungen anbieten“.
       
       Offene Kritik an Banaszak kommt dagegen von Luis Bobga, dem neuen
       Bundessprecher der Grünen Jugend, für den Antirassismus ein
       Schwerpunktthema ist. Banaszak unterstelle in seinem Beitrag, dass
       „progressive Kräfte sich der Realität verweigern würden“. Dieses Narrativ
       werde seit Jahren von der politischen Rechten gestreut.
       
       Dabei gebe es auch innerhalb der Grünen „innen- und sicherheitspolitische
       Vorschläge, die seit Jahren auf dem Tisch liegen und die Probleme
       anerkennen“. Merz „in aller Klarheit in seinen rassistischen Äußerungen zu
       widersprechen, bedeutet nicht, dass wir irgendwelche Realitäten
       ausblenden“, so Bobga.
       
       Zu welchen Maßnahmen, die sie bislang meiden, müssten sich die Grünen also
       durchringen? „Das ist ehrlicherweise gar nicht die Frage“, antwortet
       Banaszak während seiner Pressekonferenz. Bei den Grünen sei es schon
       „gängige Praxis, dass auch Probleme adressiert werden“.
       
       Aber, so könnte man ihn verstehen: Die Partei muss noch dafür sorgen, dass
       die Menschen das auch mitbekommen. Es gehe darum, ein anderes
       „gesellschaftliches Klima“ zu schaffen, sagt Banaszak – und um ein „Öffnen
       des Diskurses, der uns als Gesellschaft vielleicht klüger macht“.
       
       27 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.felixbanaszak.de/blog/gedanken-zur-stadtbild-debatte
   DIR [2] /Kritik-an-Merz-Stadtbild-Aeusserungen/!6124708
   DIR [3] /Gruenen-Chef-Felix-Banaszak/!6106061
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
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