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       # taz.de -- Bremer Grüne nominieren Umweltsenatorin: Henrike Müller kann Politik
       
       > Als Nachfolgerin für Kurzzeit-Ressortchefin Kathrin Moosdorf nominieren
       > Bremens Grüne ihre Fraktionsvorsitzende. Eine Fachpolitikerin ist die
       > nicht.
       
   IMG Bild: Sorgte für ein exzellentes Arbeitsklima in der Grünen-Fraktion: Henrike Müller
       
       Henrike Müller wird Bremens neue Umwelt- und Wissenschaftssenatorin. Die
       Nominierung der 49-jährigen Vorsitzenden der Bürgerschaftsfraktion hat der
       Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen am Wochenende einstimmig
       beschlossen.
       
       Die Neubesetzung des Amts ist notwendig geworden, weil die politisch
       unerfahrene Vorgängerin Kathrin Moosdorf [1][nicht die richtigen Worte für
       die Entlassung einer Staatsrätin gefunden hatte]. Die Staatsanwaltschaft
       verdächtigt sie deshalb sogar der Untreue – und hat auch die sattelfestere
       linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt [2][wegen eines ähnlichen Vorgangs
       ins Visier genommen]. Wahrnehmbare Spuren hinterlässt Moodorf nach zwei
       Jahren ansonsten kaum.
       
       Zwar muss der Vorschlag noch von einer Vollversammlung der Parteimitglieder
       abgesegnet werden – und deren Dynamiken sind schwer vorhersagbar. Dass aber
       Müller, seit 2009 Mitglied und von 2011 bis 2015 Chefin der Landespartei,
       am 5. November durchfallen könnte, ist ein mehr als unrealistisches
       Szenario.
       
       Danach, eine Besonderheit im kleinsten Bundesland, muss sie sich der Wahl
       durch die Bürgerschaft stellen: Zur Halbzeit der Wahlperiode haben drei
       teils geplante, teils unfreiwillige und teils fahrlässige
       Senator*innen-Rücktritte Unruhe in die rot-grün-rote Regierungskoalition
       getragen. Entsprechend groß ist die Sehnsucht der Abgeordneten, die Krise
       hinter sich zu lassen.
       
       ## Beifall von unterschiedlicher Seite
       
       Das wiederum wäre zugleich das stärkste Argument gegen Müllers Wahl zur
       Senatorin gewesen. Denn das Arbeitsklima in der Fraktion gilt unter ihrer
       Führung als exzellent. Der Zusammenhalt ist groß. „Sie kennt die
       Bürgerschaft, sie kennt die Verfahren und sie weiß, wie man Mehrheiten
       organisiert“, zollte ihr am Montag auch die Vorsitzende der CDU-Fraktion
       Wiebke Winter Respekt.
       
       Dass die promovierte Politologin Müller, die an der Uni Bremen zu Gender-
       und Europathemen geforscht hat, diesen Job mit Freude ausfüllt, ist ihr
       stets anzumerken gewesen. Wer Müller nun auf diesem Posten nachfolgt ist
       offen. Ihr Stellvertreter Philipp Bruck hat jedenfalls schon abgewunken.
       
       Beifall bekommt die promovierte Politologin von unterschiedlicher Seite.
       Das Portal queer.de lobt, [3][dass mit Müller eine queere Politikerin in
       Regierungsverantwortung komme]. Der Weser-Kurier kommentiert, sie verfüge
       über „das Rüstzeug für ihr neues Amt“. Deshalb hat die Lokalzeitung in
       Müller bereits die „geborene Spitzenkandidatin der Grünen bei der
       Bürgerschaftswahl 2027“ erkannt – ob sie das nun will, oder nicht.
       
       Sagen kann sie dazu derzeit wenig. Zu den dusseligen ungeschriebenen
       Gesetzen des Bremer Politikbetriebs gehört, dass sich Senats-Kandidat*innen
       bis zu ihrer Bestätigung durchs Parlament eine Art Schweigegelübde
       auferlegen. Bis auf floskelhaft-nichtssagende O-Töne gibt's keine
       Interviews vorab.
       
       Das fällt Müller gewiss nicht schwer. Denn, und das passt nicht so gut zu
       einer späteren Karriere als Spitzenkandidatin, mit der Presse zu reden oder
       gar Hintergrundinfos zu smsen, war nie so ihr's. Wenigstens nicht in den 16
       bisherigen Jahren ihrer stadtpolitischen Aktivität: „Dafür ist sie einfach
       zu ehrlich“, hört man anonym aus der Partei.
       
       „Ich halte das für eine gute Personalentscheidung“, sagte Kirsten
       Kappert-Gonther der taz. Die grüne Bremer Bundestagsabgeordnete war selbst
       als Moosdorf-Nachfolgerin ins Spiel gebracht worden, hatte dem Vorstand
       aber abgesagt. „Meine Aufgabe ist hier in Berlin“, sagte die
       Gesundheitspolitikerin der taz. Müller aber könne kann „dank ihrer großen
       politischen Erfahrung klar machen, dass Klima- und Umweltschutz keine bloß
       grünen Themen sind, sondern für alle wichtig“.
       
       ## Eine Mutter der Zivilklausel
       
       Wissenschaftspolitik hatte sie schon betrieben, bevor sie 2015 in die
       Bürgerschaft gewählt wurde. So hatte sie außerparlamentarisch 2012 dafür
       gesorgt, dass die Zivilklausel, also das Verbot von Rüstungsforschung
       [4][an den Hochschulen des Landes, ins Gesetz geschrieben wurde].
       
       Aber insgesamt ist Müller wirklich eine Allrounderin. Was ein Vorteil sein
       dürfte: Die meisten ihrer Vorgänger*innen können als ausgewiesene
       Umwelt-Fachleute gelten. Mit ihrer Politik ernteten sie jeweils
       rekordverdächtige Unbeliebtheitswerte.
       
       Dabei ist ja der sachliche Konsens groß. So fordert selbst die CDU in
       Bremen die Wärmewende ein, die sie im Bund torpediert hatte. In ihrer
       Stellungnahme zur Personalie Müller benennt Fraktionschefin Winter sie als
       eine der dringendsten Aufgabe der künftigen Ressort-Chefin: „Der
       Klimaschutz duldet keinen Aufschub“, heißt es darin.
       
       Es geht also darum, den Willen und die Wege herzustellen, der Sachlage
       entsprechend zu handeln. Das aber ist ein politisches Projekt, kein
       biologisches, klimawissenschaftliches oder chemisches.
       
       Aufgewachsen ist Henrike Müller noch in der DDR. Dass sie deswegen mit nur
       wenig Sympathie auf die folkloristische Überhöhung der historischen Bremer
       Räterepublik von 1919 schaute, dürfte damit zu tun haben. Wichtiger ist,
       was sie aus dieser Erfahrung abgeleitet hat: Ein feines Gespür dafür, wie
       weit Politik in den Alltag von Menschen hineinregieren darf – und ab wann
       das zur unerträglichen Bevormundung gerät.
       
       27 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bremer-Umweltsenatorin-tritt-zurueck/!6117607
   DIR [2] /Ermittlungen-gegen-Bremer-Senatorinnen/!6119193
   DIR [3] https://www.queer.de/detail.php?article_id=55573
   DIR [4] /Zivilklausel/!5092066
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
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