# taz.de -- Abgesetzter Istanbuler Bürgermeister: Weiterer Haftbefehl gegen inhaftierten Erdogan-Rivalen Imamoglu
> Imamoglu sitzt seit März in Untersuchungshaft. Nun wird in Zusammenhang
> mit neuen Vorwürfen ein weiterer Haftbefehl angeordnet. Seine Partei ist
> empört.
IMG Bild: Unterstützung für Imamoglu: Seit Monaten sieht sich die Oppositionspartei CHP einer juristischen Offensive ausgesetzt
dpa | Gegen den [1][abgesetzten Istanbuler Bürgermeister und populären
Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu] ist in der Türkei ein erneuter
Haftbefehl erlassen worden. Dem bereits seit März in Untersuchungshaft
sitzenden Imamoglu werden Vorwürfe in Zusammenhang mit „politischer
Spionage“ gemacht, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu
berichtete. Der Haftbefehl richtet sich demnach auch gegen seinen
Wahlkampfmanager Necati Özkan und den Chefredakteur des oppositionellen
Senders Tele1, Merdan Yanardag. Für Tele1 wurde ein Zwangsverwalter
eingesetzt.
Anadolu berichtete unter Berufung auf den Haftbefehl, Imamoglu werde
vorgeworfen, Kopf einer kriminellen Vereinigung zu sein, die „Spionageakte“
durchführe, um internationale Unterstützung zu gewinnen und
„Korruptionshandlungen“ unternehme, um Gelder für seine
Präsidentschaftskandidatur zu sammeln. Der Sender Tele1 sei dabei als
Instrument für die Spionageaktivitäten genutzt worden. Die Anschuldigungen
sollen sich etwa auf ein geständiges Mitglied der Gruppierung um Imamoglu
stützen. Imamoglu weist die Vorwürfe von sich.
Konkret erwähnt werden auch die Bürgermeisterwahlen in Istanbul 2019. Der
damalige Sieg Imamoglus gilt als machtpolitischer Schock für die Regierung
von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Imamoglu wurde damals zum wichtigsten
Oppositionsgesicht und zur neuen Hoffnung der säkularen und moderaten
Wählerschaft. Anadolu zufolge hätten sich Imamoglu und Özkan etwa mit
Zugriff auf private Daten Vorteile zu verschaffen versucht. In dem
Zusammenhang sollen sie auch auf die Unterstützung von ausländischen
Geheimdiensten gesetzt haben.
Imamoglus CHP-Partei kritisierte den erneuten Haftbefehl scharf. Parteichef
Özgür Özel bezeichnete die Vorwürfe als fingiert. Das Vorgehen zeige, dass
die Regierung die Bevölkerung mit den bisherigen Anschuldigungen nicht habe
überzeugen können und nun neue Vorwürfe gegen Imamoglu erfinde. Der
Politikanalyst Berk Esen schrieb auf der Plattform X, die AKP-Regierung
versuche damit, Wahlsiege zu kriminalisieren und zu delegitimieren.
## Haftbefehl nur wenige Tage vor Merz-Besuch
Seit Monaten sieht sich die [2][CHP] einer juristischen Offensive
ausgesetzt, die bereits zur Festnahme Hunderter ihrer Mitglieder und der
Verhaftung von 17 ihrer Bürgermeister führte. Die CHP sieht in dem Vorgehen
den politisch motivierten Versuch der Regierung, die Partei zu
destabilisieren. Die Regierung weist den Verdacht mit der Begründung
zurück, dass die Gerichte des Landes unabhängig seien. Internationale
Organisationen und auch die EU-Kommission stellen dies allerdings infrage.
Das Vorgehen nun kommt nur wenige Tage vor dem Besuch von Bundeskanzler
Friedrich Merz in der Türkei. Deutschland hatte zuletzt deutlich
freundlichere Töne gegenüber dem Nato-Partner angeschlagen.
Imamoglu wurde bereits im März in Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen
verhaftet. Eine Anklage steht noch aus. Die Millionen-Metropole wird
derzeit vertretend von dem CHP-Politiker Nuri Aslan regiert. Imamoglu gilt
weiterhin als aussichtsreicher Anwärter bei einer künftigen
Präsidentschaftswahl. Seine Partei hat ihn bereits als Kandidaten dafür
aufgestellt. Regulär sollen diese 2028 stattfinden. [3][Der CHP] werden
besonders seit ihrem überraschenden Erfolg bei den landesweiten
Kommunalwahlen 2024 gute Chance ausgerechnet, die AKP-Regierung unter
Präsident Recep Tayyip Erdogan abzulösen. Die AKP war dabei erstmals in
ihrer Geschichte bei einer landesweiten Wahl nur zweitstärkste Kraft
geworden.
27 Oct 2025
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