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       # taz.de -- Abhängig von Seltenen Erden: Keine Bestände, kein Recycling
       
       > Zwar sind viele Technologieunternehmen in Deutschland abhängig von der
       > extravaganten Metallgruppe. Trotzdem werden sie bislang nicht recycelt.
       
   IMG Bild: Wer in China produziert, hat keine Rohstoff-Probleme: Fabrik von General Motors und einem lokalen Joint-Venture-Partner in Liuzhou
       
       Kommt die Krise, kommt der Ruf nach mehr Versorgungssicherheit. So warnte
       der Chef Kfz-Technik des Weltkonzerns Bosch via Nachrichtenagentur Reuters,
       Seltene Erden würden derzeit zu 95 Prozent in China gefördert, jetzt müsse
       investiert werden, um diese Abhängigkeit zu verringern. Das war im
       September 2010.
       
       Heute antwortet Bosch auf die Frage, welche Lagerbestände inzwischen
       aufgebaut wurden oder wie weit der Konzern in Sachen Substitution und
       Recycling ist, man könne „nicht wirklich weiterhelfen“, da hauptsächlich
       Halbzeugnisse und Komponenten eingekauft würden. Ohnehin bestehe nur ein
       geringer Bedarf an Rohstoffen. Seit 2010 ist nicht viel passiert in Sachen
       resiliente Lieferkette. Selbst die Datengrundlage ist für ein Thema solcher
       Bedeutung erstaunlich dünn. Der Bundesverband der Deutschen Industrie etwa
       hat keine Informationen zur Lagerhaltung Seltener Erden seiner Unternehmen
       und verweist auf „Händler, die sich vielleicht äußern können“.
       
       Das Recycling der 17 Elemente liegt EU-weit immer noch bei etwa 0 Prozent.
       Die Schätzungen, welche Mengen von Neodym-Eisen-Bohr-Magnetschrott – in dem
       das Selterden-Metall Neodym etwa rund ein Drittel ausmacht – überhaupt für
       Recyclingprozesse zur Verfügung stehen, gehen laut Deutscher
       Rohstoffagentur weit auseinander. Nicht vorhandene Sammel- und Trennungs-
       sowie Aufbereitungsstrukturen, planbare, regelmäßige, ausreichende Mengen
       an Schrott fehlen ebenso wie entsprechende Anlagen und Prozesse.
       
       Wie beim Kunststoff sind bei Seltenen Erden Recycling-Rohstoffe zu teuer,
       darum entsteht kein Markt für Sekundärmaterial. „Die Preise aus China
       liegen derzeit unter den Preisen, die beispielsweise der deutsche
       Magnetrecycler Heraeus Remloy für ein noch nicht fertiges Pulver zur
       Herstellung von Magneten anbieten würde“, teilte die Deutsche
       Rohstoffagentur vor zwei Wochen mit.
       
       ## Japan weiter als die EU
       
       Die Anstrengungen, den anfallenden Elektroschrott in Europa als Lagerstätte
       zu nutzen, sind offenbar weitgehend verpufft. So hatte die
       Fraunhofer-Gesellschaft zwischen 2013 und 2017 in dem Projekt „Kritikalität
       Seltener Erden“ mit neun Instituten nach Wegen aus der Abhängigkeit
       gesucht. Entwickelt wurden rohstoffeffiziente Fertigungsverfahren und
       Produktdesigns von Motoren, die mit weniger Seltenen Erden auskommen. Ob
       und welche Projekte ihren Weg in die industrielle Anwendung gefunden haben,
       teilt Fraunhofer nicht mit.
       
       Der langjährige Europaparlamentarier und China-Experte Reinhard Bütikofer
       erinnert sich an das Vorwort, das er für den Abschlussbericht führender
       Rohstoff-Wissenschaftler des Projekts Erecon – Europäische
       Kompetenznetzwerk Seltener Erden – schrieb. „Nach der Veröffentlichung ging
       er direkt in den Papierkorb.“ 2023 unternahm die EU einen weiteren Versuch,
       sich kritische Rohstoffe zu sichern. [1][Das Gesetz über kritische
       Rohstoffe] sah Partnerschaften mit rohstoffreichen, vor allem
       demokratischen Ländern, mehr Recycling und Substitution sowie mehr
       heimischen Bergbau vor.
       
       Bütikofer hält die EU inzwischen allerdings schon für zu klein, um ihr
       Rohstoffproblem alleine zu lösen. „Japan hat die vergangenen Jahre genutzt
       und seine Abhängigkeit im Bereich der Seltenen Erden von China von 95 auf
       65 Prozent gesenkt.“ [2][Weil die EU und die USA das Thema verschlafen
       hätten], sollten sie jetzt zusammen arbeiten und auch dritte Partner
       einbeziehen, indem sie etwa einen gemeinsamen Deal mit Namibia machen,
       dessen Seltene Erden bislang zur Verarbeitung nach China gebracht werden.
       „Wir könnten einen Technologietransfer anbieten und helfen, in Namibia
       Verarbeitungskapazität aufzubauen“, meint Bütikofer. „Das würde dem Land
       mehr Anteil an der Wertschöpfung geben und uns mehr Versorgungssicherheit.“
       
       Der Rohstofffonds, den die Ampel-Regierung unter Finanzminister Christian
       Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf den Weg
       brachte, geht in diese Richtung. Der Fonds ermöglicht es der
       Bundesregierung, in Unternehmen zu investieren, die kritische Rohstoffe
       produzieren könnten. Projekte, die auf die Sammlung und Recycling setzen
       würden, stehen bislang nicht auf der Liste.
       
       28 Oct 2025
       
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