# taz.de -- Krieg in der Ostukraine: Der erbitterte Kampf um Pokrowsk und Myrnohrad
> Russlands Präsident Putin spricht von Einkesselung der beiden
> Nachbarstädte im Donbass. Ukrainische Militärs halten mit allen Mitteln
> dagegen – noch.
IMG Bild: Evakuierung von Zivilisten aus dem Frontgebiet im Gebiet Dnipropetrowsk
Die russische Armee versucht derzeit, einen größeren Ballungsraum im Osten
des Gebietes Donezk unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Städte Pokrowsk
und das nur sieben Kilometer entfernte Myrnohrad sind zwar nicht
vollständig eingekesselt, aber mit Autos und anderen Verkehrsmitteln nicht
mehr zu erreichen. Von den ehemals fast 100.000 Einwohnern leben dort nur
noch einige Hundert Zivilisten.
Am 26. Oktober sprach der russische Präsident Wladimir Putin von einer
Einkesselung ukrainischer Truppen in Pokrowsk. Am 27. Oktober berichtete
die Financial Times, Putin habe den Befehl gegeben, Pokrowsk, 24 Kilometer
von der Verwaltungsgrenze zum Gebiet Dnipropetrowsk, bis Mitte November
einzunehmen. Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederum bezeichnete Putins
Aussage als „Fake News“.
Offizielle Informationen über die reale Lage in Pokrowsk sind kaum zu
erhalten, denn ukrainische Militäreinheiten dürfen den Verlauf der
Operation dort nicht kommentieren. Auskunft erhält man nur noch durch
persönliche Kontakte zu dort kämpfenden Brigaden oder durch [1][analytische
Karten mit Kommentaren zu Bewegungen an der Frontlinie der Ressource Deep
State].
## Was passiert aktuell in Pokrowsk?
Zuerst einmal und das ist das Wichtigste: Niemand von ukrainischer Seite
hat bislang Putins Behauptungen von der Einkesselung ukrainischer Einheiten
in Pokrowsk bestätigt. Laut Deep State betrug am Abend des 28. Oktobers die
Entfernung zu den russischen Truppenstellungen nordwestlich des
Ballungsraums etwa 12 Kilometer. Die M30, eine der gut asphaltierte Straßen
von Pokrowsk und Myrnohrad in Richtung des Gebietes Dnipropetrowsk, wird
weiterhin von den ukrainischen Streitkräften kontrolliert. Allerdings wird
sie von russischer Artillerie und Drohnen beschossen.
„Wir sind noch nicht eingekesselt, aber die Lage ist sehr schwierig, die
Versorgungslinie ist unterbrochen“, sagt die Offizierin Switlana, die ihren
vollen Namen nicht nennen möchte. „In Putins Augen ist das eine
Einkreisung. Man kann aber durch eine etwa 10 bis 15 Kilometer breite Lücke
im Belagerungsring im Nordwesten des Gebietes zu Fuß nach Pokrowsk hinein
und auch wieder heraus.“
Am Dienstag seien rund 200 russische Soldaten nach Pokrowsk eingedrungen.
„Sie werden beschossen, erleiden schwere Verluste, aber sie schicken sofort
die nächsten. Die Situation ist wie in [2][Awdijiwka] und [3][Bachmut],
aber sie gehen über Leichen, ihre eigenen“, fügt Switlana hinzu. „Derzeit
wird die gesamte Logistik im Gebiet zu Fuß und mit Drohnen abgewickelt,
weil man mit dem Auto nicht mehr hinkommen kann“, sagt ein anderer
Gesprächspartner – Oleksandr.
## Zahl der russischen Soldaten in Pokrowsk unklar
Entgegen offizieller Berichte bestätigten alle befragten
Militärangehörigen, [4][dass russische Soldaten wirklich bereits in
Pokrowsk seien]. „Niemand kann genau sagen, wie viele Russen wirklich in
der Stadt sind. Zwar werden ständig welche getötet, doch es kommen immer
wieder neue. Sie haben sich in kleinen Gruppen in Gebäuden verschanzt und
versuchen, unsere Logistik zu stören, damit wir nicht mehr auf die Straße
gehen können“, sagt Oleksandr.
Inoffiziellen Berichten des ukrainischen Militärs zufolge tragen die Russen
in Pokrowsk häufig Zivilkleidung, um sich unter die verbliebene lokale
Bevölkerung zu mischen. So versuchten sie, ukrainische Drohnenpiloten
auszuschalten. Die Russen hätten beim Angriff auf Pokrowsk nicht ihre
Spezialeinheiten geschickt, sondern lediglich reguläre Infanterie, darunter
ehemalige Gefangene und Zeitsoldaten.
Die Logistik der russischen Besatzer ihrerseits wird durch Drohnen der
ukrainischen Streitkräfte gestört. „[5][Die Russen bringen ihre Toten und
Verletzten nicht weg]. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Stadt
einzunehmen. Die Verwundeten, die es nicht alleine rausschaffen, werden
einfach erschossen“, so Oleksandr. Das Militär bestätigt, dass es in der
Stadt keine Frontlinie im eigentlichen Sinne gibt. Sie ist aufgrund des
Mangels an Infanterie in den ukrainischen Streitkräften durchlässig.
## Drohnen alleine reichen nicht aus
Die Artillerie der ukrainischen Armee ist unterdessen regulär im Einsatz
und den meisten Einheiten mangelt es nicht an Munition. Einige Brigaden
berichten jedoch von einem Drohnenmangel. „Der Mangel an Infanterie ist der
Grund für den Durchbruch in die Stadt. Letztendlich zeigt die Situation in
Pokrowsk, dass Krieg nicht nur aus FPV (vom Bediener gesteuerte Drohnen;
Anm. d. Red.) besteht, so sehr man diese auch loben mag“, sagt Jehor,
ehemaliger Bachmut-Kämpfer. „Wenn die Russen über das Feld laufen, kann man
noch zielen und treffen, aber wenn sie in einen Keller rennen und aus einem
anderen wieder heraus, ist das nicht mehr möglich“, erklärt er.
Derzeit kämpfen in Pokrowsk ukrainische Spezialeinheiten, die für
städtische Gebiete ausgebildet sind. Auch die kampfstärksten „alten“
Brigaden wurden in diese Richtung verlegt. Doch trotzdem kann die russische
Armee einige Erfolge verbuchen. Am Abend des 28. Oktober bestätigte der
Sprecher der Truppengruppe „Osten“, Hryhorij Schapowal, dass russische
Soldaten in die östlichen Vororte von Myrnohrad vorgedrungen seien, wo
bereits heftige Kämpfe stattfinden.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
29 Oct 2025
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