# taz.de -- Mitgliederstudie der Linkspartei: Jung, urban und antifaschistisch
> Die Linkspartei erlebt einen Mitgliederboom. Nun hat sie ihre alten und
> neuen Genoss:innen befragt, wer sie sind und was sie so umtreibt.
IMG Bild: Co-Parteichefin Ines Schwerdtner: „Die Linke wächst, wird sichtbarer und gewinnt Menschen zurück.“
Wie stark hat sich die Linke mit ihrem sensationellen Wiederaufstieg
verändert? Nach dem Abgang von Sahra Wagenknecht und ihrem Anhang kam die
Partei Ende 2023 nur noch auf rund 50.000 Mitglieder – ein historischer
Tiefstand nach langem Siechtum. Seitdem wächst sie jedoch wieder, seit
Oktober 2024 sogar rasant. Inzwischen zählt die Linke über 120.000
Mitglieder, hat sich also mehr als verdoppelt. Mit einer Befragung wollte
die Parteiführung herausfinden, wer die vielen neuen Mitglieder sind und
was sie von den alten unterscheidet. Jetzt liegt der taz die Auswertung
vor.
An der Umfrage beteiligten sich mehr als 11.500 Linken-Mitglieder, also
knapp ein Zehntel. Dreiviertel der Antworten kamen [1][von Neumitgliedern],
wozu alle gezählt wurden, die nach dem [2][Parteitag in Halle Mitte Oktober
2024] eingetreten sind. Auf diesem Parteitag wurden [3][Ines Schwerdtner
und Jan van Aken] zu den Vorsitzenden gewählt.
Durch die vielen Neuen hat sich die Altersstruktur der Mitgliedschaft
deutlich verändert. Mit einem Durchschnittsalter von 38,7 Jahren ist sie
inzwischen die mit Abstand jüngste aller im Bundestag vertretenen Parteien.
2023 lag der Schnitt noch bei 52,4 Jahren.
Zum Vergleich: Bei den Grünen liegt das Durchschnittsalter bei 49 Jahren
und bei der AfD bei 54, bei SPD, CDU und CSU jeweils über 60 Jahre.
Gestiegen ist auch der Frauenanteil in der Linken. Mit 44,5 Prozent liegt
er nun in etwa auf dem Niveau der Grünen. Bei allen anderen Parteien ist er
weit niedriger.
## Viele Neumitglieder aus Pflege- und Gesundheitsberufen
Die Linke ist eine Großstadtpartei. Daran hat sich auch durch die vielen
neuen Mitglieder nichts geändert. Vielmehr gibt es hier keinen
signifikanten Unterschied zu den „Bestandsmitgliedern“. Ein Drittel der
Alt- wie der Neumitglieder lebt in Städten mit mehr als 500.000
Einwohner:innen, weitere 20 Prozent in Städten über 100.000
Einwohner:innen.
In Dörfern, Klein- und Mittelstädten ist die Partei im Verhältnis zur
Gesamtbevölkerung hingegen unterrepräsentiert. „Unsere Mitgliedschaft ist
urban“, heißt es dazu in der Studie, die vom Bereich Strategie und
Grundsatzfragen in der Linken-Bundesgeschäftsstelle erstellt wurde.
Knapp 50 Prozent sowohl der Alt- als auch der Neumitglieder gaben an,
angestellt beschäftigt zu sein. Der Anteil an Erwerbslosen lag bei jeweils
etwas weniger als 10 Prozent. Erwartungsgemäß ist unter den Neumitgliedern
der Anteil an Studierenden (21 Prozent) und Auszubildenden (9 Prozent)
höher als unter den Bestandsmitgliedern, von denen nur 13 Prozent studieren
und 3 Prozent sich in einer Ausbildung befinden. Dafür ist hier der Anteil
an Rentner:innen und Pensionär:innen wesentlich höher.
Auffällig ist, dass deutlich mehr Neumitglieder im Bereich der Gesundheit
und der Pflege beschäftigt sind. Mit knapp unter 20 Prozent liegt hier der
Anteil auch deutlich über dem in der gesamten Erwerbsbevölkerung.
Beschäftigte im Handel, Handwerk und der Industrie sind im Vergleich zur
Gesamtbevölkerung hingegen unterrepräsentiert.
## Antifa steht ganz oben
Gefragt nach den Themen, die die Mitglieder interessieren, wurde in beiden
Gruppen der Antifaschismus an erster Stelle genannt. 78 Prozent der
Neumitglieder gaben dies an, 60 Prozent der Bestandsmitglieder. Weiteres
Thema, das bei allen auf ein hohes Interesse stößt, ist Soziales mit
insgesamt 67 Prozent. Dahinter folgen Bildung (59 Prozent),
[4][Mieten/Wohnen] (57 Prozent) und [5][Umwelt/Klimagerechtigkeit] (55
Prozent) – wobei auch bei diesen Themen das Interesse der Neuen deutlich
höher ist als das der Bestandsmitglieder.
Die Unterschiede dürften jedoch weniger mit dem Zeitpunkt des Eintritts zu
tun haben, sondern eher eine Frage des Alters sein: Je älter die Mitglieder
sind, desto geringer ist das Interesse am Klima. So interessieren sich zwar
57 Prozent der Unter-30-Jährigen für das Thema, aber nur 45 Prozent der
Über-60-Jährigen.
Noch größer ist die Differenz beim Thema Wohnen/Mieten: Dafür brennen 62
Prozent der Unter-30-Jährigen, doch bloß 39 Prozent der Über-60-Jährigen.
Genau andersrum ist es beim Thema Frieden.
Viele Linken-Mitglieder gaben an, bereits vor dem Parteieintritt politisch
oder sozial aktiv gewesen zu sein. Das gilt für 47 Prozent der Neu- und
sogar fast 67 Prozent der Altmitglieder. Unklar bleibt allerdings, wo die
meisten von ihnen vorher aktiv waren. In einer anderen Partei waren
jedenfalls die wenigsten. Nur 160 heutige Linken-Mitglieder gaben an, zuvor
bei den Grünen gewesen zu sein (knapp 1,4 Prozent), die SPD folgt mit 100
Angaben (knapp 0,9 Prozent) – was schon die häufigsten Nennungen waren.
## Gewerkschaftliches Engagement scheint ausbaufähig
Ansonsten wurde abgefragt, wo Linken-Mitglieder außerhalb der Partei
politisch aktiv sind. Auch hier sind die Prozentsätze allesamt erstaunlich
gering: Nur 3,7 Prozent gaben an, „gegen rechts“ engagiert zu sein, 1,2
Prozent in der antirassistischen Bewegung, 0,9 Prozent in der
(queer)feministischen Bewegung, 0,7 Prozent in der Friedensbewegung, 0,6
Prozent in der Mietenbewegung. Früher in der Klimabewegung waren auch nur
0,9 Prozent aktiv. Durchweg waren oder sind aber die Bestandsmitglieder
aktiver als die Neuen.
Nur die gewerkschaftlichen Aktivitäten stechen mit insgesamt 7,4 Prozent
etwas hervor, auch hierunter befinden sich wesentlich mehr
Bestandsmitglieder als Neue. So oder so sind auch das für eine linke Partei
nicht unbedingt sensationelle Werte – zumal die Studienautor:innen
einräumen, dass gewerkschaftlich „aktiv sein“ Unterschiedliches bedeuten
kann. Das reicht von einer passiven Gewerkschaftsmitgliedschaft bis hin zu
einer Betriebsrats- oder Hauptamtlichentätigkeit. Besonders aussagekräftig
ist das also nicht.
Und zu welchem Thema möchten die alten wie die neuen Mitglieder gerne
politisch arbeiten? Da haben die Genoss:innen mit Abstand am häufigsten
angegeben: „Ich kann mich nicht entscheiden.“ 20 Prozent gaben das an,
gefolgt von Antifaschismus (14 Prozent) und Soziales (11 Prozent). Alle
anderen Themen wurden nur im einstelligen Bereich genannt. Aber immerhin
mehr als die Hälfte will sich zumindest punktuell einbringen, 15 Prozent
sogar wöchentlich.
„Die Linke wächst, wird sichtbarer und gewinnt Menschen zurück“, ordnete
Co-Parteichefin Ines Schwerdtner die Ergebnisse der Mitgliederstudie ein.
Die große Beteiligung an der Umfrage zeige „nochmal deutlich das hohe
Engagement der neuen Mitglieder“.
Viele Menschen engagierten sich, weil sie den Abbau des Sozialstaats und
das Erstarken autoritärer Kräfte in Deutschland und anderswo nicht
hinnehmen wollen. „Für unsere Mitglieder gehören soziale Gerechtigkeit und
Antifaschismus untrennbar zusammen“, sagte Schwerdtner. „Wo wir nah bei den
Menschen sind, zuhören und praktisch helfen, da wächst Vertrauen und
Hoffnung.“ Diese Hoffnung sei „die beste Antwort auf den Frust, der viele
sonst nach rechts treibt“.
30 Oct 2025
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Pascal Beucker
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