# taz.de -- Repressionen gegen Medien in Kirgistan: Ein weiterer Schlag
> Mehrere Onlinemedien werden per Gerichtsbeschluss zu „extremistischen
> Organisationen“ erklärt, ihre Gründer bekommen Berufsverbot. Bald wird
> gewählt.
IMG Bild: Unterzeichnete im August ein umstrittenes Mediengesetz: Sadyr Dschaparow, der Präsident von Kirgistan
„Extremistische Organisationen“ – das ist der Stempel, den ein Gericht in
der kirgisischen Hauptstadt Bischkek jetzt zwei unabhängigen Medien
verpasst hat. Laut des Urteils vom vergangenen Montag, das jedoch erst am
Dienstag öffentlich wurde, werden die Webseiten Kloop.kg, Temirow Live und
AitAit Dese ab sofort verboten. Der Bannstrahl trifft auch ihre Gründer
bzw. Betreiber. Wer aus dort veröffentlichten Materialien zitiert oder auf
Inhalte verlinkt, muss zudem strafrechtliche Konsequenzen fürchten.
„Dies ist eine weitere Runde von Repressionen, die nicht nur uns betrifft,
sondern auch dem Ansehen Kirgistans schadet und viele unbeteiligte Personen
kriminalisiert“, schreibt der Mitbegründer von Kloop, Rinat Tuchwatschin in
einem Post auf Telegram. Die Beklagten seien nicht vorab über den Fall
informiert worden und hätten davon in den sozialen Medien erfahren.
Tuchwatschin kündigte an, gegen die Entscheidung des Gerichts in Berufung
gehen zu wollen.
Das Urteil, das erste seiner Art in der Geschichte des zentralasiatischen
Staates, kommt nicht unerwartet. Die inkriminierten Onlinemedien und ihre
Mitarbeiter*innen stehen schon länger auf der Abschussliste der
Behörden. Kloop.kg wurde 2007 von Journalist*innen gegründet und
erlangte durch seine Berichterstattung 2010 große Bekanntheit.
In diesem Jahr kam es zu landesweiten Unruhen in Kirgistan, die den
damaligen Präsidenten Kurmanbek Bakijew letztendlich das Amt kosteten und
seine Regierung zu Fall brachten. In den vergangenen Jahren spezialisierte
sich die Redaktion auf investigative Recherchen zu korrupten Machenschaften
im engsten Umfeld [1][des derzeitigen Staatschefs Sadyr Dschaparow]. Im
September 2023 wurde die Webseite von Kloop.kg in Kirgistan blockiert, fünf
Monate später die Stiftung „Kloop Media“ abgewickelt. Seitdem agiert
Kloop.kg vom Ausland aus.
## Fünf Jahre Haft
Im vergangenen September wurden zwei frühere Video-Redakteure von Kloop.kg
wegen Verbreitung von Falschinformationen und Gefährdung der öffentlichen
Ordnung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere ihrer Kollegen
erhielten Bewährungsstrafen.
In ähnlich abgründigen Sphären der Staatsmacht wie Kloop.kg war auch Bolot
Temirow mit seinem Medium Temirow Live samt dem YouTube-Kanal AitAit Dese
unterwegs. Im November 2022 wurde er des Landes verwiesen, nachdem ein
Gericht seinen kirgisischen Pass für ungültig erklärt hatte.
Knapp zwei Jahre später standen elf Mitarbeiter*innen von Temirow Live
wegen Aufrufs zu Massenunruhen vor Gericht. Auch am Ende dieses Prozesses
wurden Haft- und Bewährungsstrafen verhängt. Eine der Beklagten, Temirow
Ehefrau Machabat Taschibek, wurde zu sechs Jahren Strafkolonie verurteilt.
In einem Interview mit dem Webportal Nastojaschee vremja äußerte sich
Temirow zu diesem Fall. Etwas Derartiges durchzumachen, wünsche er
niemandem. „Doch das Urteil selbst ist im Prinzip kein Urteil über uns,
sondern ein Urteil über die Machthaber. Denn sie haben ihre Masken
abgenommen und kein moralisches oder gesetzliches Recht mehr zu behaupten,
es gäbe Meinungsfreiheit oder Demokratie in Kirgisistan. Die heutige
historische Entscheidung zeigt, dass Präsident Sadyr Dschaparow sich für
den Weg zur Diktatur entschieden hat“, sagte Temirow.
## Pflicht zur Registrierung
Diese Einschätzung bestätigte sich einmal mehr im vergangenen August. Da
unterzeichnete Präsident Dschaparow ein umstrittenes Mediengesetz. Dieses
verlangt, dass sich alle Medien bei den Behörden registrieren lassen
müssen. Ausländische Kapitalanteile sind bei 35 Prozent gedeckelt.
Kritiker*innen sehen darin einen weiteren Versuch des Staatschefs,
unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen und die Freiheit der Medien zu
unterdrücken. Dazu passt dann auch, dass diesen für die Verbreitung von
Falschinformationen Geldstrafen bis zu 65.000 Som (umgerechnet kann 640
Euro) drohen.
Der vorliegende Schlag dürfte nicht die letzte Aktion gewesen sein, um
Medien immer stärker unter Druck zu setzen. Laut des aktuellen Index für
Pressefreiheit der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RGO)
nimmt Kirgistan den 144 von insgesamt 180 Plätzen ein – ein Abstieg um 52
Plätze in der Zeit zwischen 2022 und 2025.
Dabei hatte das Land lange Zeit, trotz zahlreicher
Transformationsschwierigkeiten, als demokratischstes Land in der Region
gegolten. Doch seit dem Machtantritt von Staatschef Dschaparow im Jahr 2020
scheint es damit offensichtlich vorbei zu sein. Der
Sieben-Millionen-Einwohner*innenstaat [2][entwickelt sich stetig weiter in
Richtung Autokratie].
Für den 30. November 2025 sind vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt. Von
ihnen erhofft sich Dschaparow eine Verbreiterung seiner Machtbasis im
Parlament. Er selbst setzt auf seine Wiederwahl 2026 – für oppositionell
Gesinnte eher eine unerfreuliche Aussicht.
29 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Barbara Oertel
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