URI: 
       # taz.de -- Waffenruhe in Gaza: Den Frieden koordinieren
       
       > Zur Überwachung des Waffenstillstands in Gaza wurde in Israel ein
       > zivil-militärisches Koordinierungszentrum eingerichtet. Wie unabhängig
       > ist Israel noch von den USA?
       
   IMG Bild: Vor dem zivil-militärischen Koordinierungszentrum in Kirjat Gat am Tag des Besuches von US-Außenminister Marco Rubio, 24. Oktober 2025
       
       Das Herzstück von Trumps „Friedensplan“ für Gaza könnte prunkvoller sein.
       Kaum etwas deutet darauf hin, dass hinter der grauen Fabrikfassade im
       Gewerbegebiet von Kirjat Gat in Südisrael das neue zivil-militärische
       Koordinierungszentrum (CMCC) liegt, eine zentrale Schaltstelle im Plan des
       US-Präsidenten. 200 US-Soldaten sowie kleinere Kontingente aus gut einem
       halben Dutzend weiterer Staaten überwachen von hier aus die fragile
       Waffenruhe im 20 Kilometer entfernten Gazastreifen und womöglich bald eine
       internationale Stabilisierungstruppe. Vor dem Gebäude liegt ein
       Holzgroßhandel, dahinter laden rostige Kräne Baustahl auf staubige
       Lastwagen.
       
       Es könnte ein ruhiger Arbeitstag in einer verschlafenen Kleinstadt sein,
       würden vor der Halle nicht so viele Wagen mit diplomatischen Kennzeichen
       die Straße zuparken. Durch das Metalltor vor dem Gebäude kommen und gehen
       britische, israelische und US-Soldaten, Diplomaten sowie Mitarbeiter der
       UNO und des Internationalen Roten Kreuzes. Drinnen beraten sie über die
       Umsetzung des Plans, den Trump mit Vertretern von mehr als 20 Staaten Mitte
       Oktober im ägyptischen Scharm El-Scheich unterschrieben hatte. Die teils
       vage gehaltenen [1][20 Punkte Trumps] hängen drinnen auf zwei großen
       Plakaten.
       
       Doch schon die erste Phase des Plans bleibt fragil: Von Kirjat Gat aus sind
       am Mittwoch dichte Rauchschwaden über Gaza zu sehen. [2][Mehr als
       einhundert Menschen wurden binnen 24 Stunden bei israelischen Luftangriffen
       getötet], unter ihnen laut dem dortigen Zivilschutz mindestens 46 Kinder.
       Zuvor sollen militante Palästinenser in Südgaza einen Soldaten erschossen
       haben. Die Hamas bestreitet ihre Verantwortung. In Israel sorgt aber auch
       die schleppende Übergabe von noch immer 13 toten Geiseln für Kritik. Die
       Hamas behauptet, [3][für die Bergung im zerstörten Gazastreifen mehr Zeit
       zu benötigen].
       
       Die US-Führung stellt sich hinter die Waffenruhe: Nach einer Eskalation
       vergangene Woche waren unter anderem US-Vizepräsident J. D. Vance und
       US-Außenminister Marco Rubio ins CMCC gekommen. Letzterer sprach von einer
       „historischen Mission“ für „langfristige Stabilität in Gaza“. Trump
       beschwichtigte gegenüber Journalisten am Mittwoch: Die Waffenruhe sei nicht
       in Gefahr, Israel habe „zurückgeschlagen, und das sollten sie auch“.
       
       ## US-Regierung misstraut israelischer Regierung
       
       Doch in der US-Regierung fürchtet man laut Medienberichten, Israels
       Regierungschef Benjamin Netanjahu könnte den Deal scheitern lassen. Für
       Misstrauen im Verhältnis zur israelischen Führung spricht auch, dass über
       dem nahen Gazastreifen nun auch US-Aufklärungsdrohnen kreisen. Deren Bilder
       laufen im CMCC auf dem „Operations Floor“ ein, wo die Lage in Gaza in
       Echtzeit überwacht wird. Neben den USA haben bisher unter anderem
       Deutschland, Großbritannien und Kanada Soldaten nach Kirjat Gat geschickt.
       
       Das CMCC repräsentiert physisch eine Frage, die Israel bereits seit Wochen
       diskutiert: Wie unabhängig ist das Land angesichts der direkten
       US-Führungsrolle mit Blick auf Gaza noch? Israel hat sich von seinem
       wichtigsten Verbündeten und größten Waffenlieferanten so abhängig gemacht
       wie nie zuvor.
       
       Seinen eigenen Besuch am Mittwoch kündigte Netanjahu nicht groß an, sondern
       gab vorab lediglich bekannt, zu einer „Unterschriftenzeremonie“ nach Kirjat
       Gat zu kommen. Am Abend sprach er im CMCC neben dem US-Generalleutnant
       Patrick Frank von einer „gemeinsamen Anstrengung“, die Hamas zu entwaffnen
       und betonte, die Partnerländer würden „Israels Handlungsfreiheit“
       akzeptieren.
       
       Kirjat Gat wird mehrheitlich von jüdischen Israelis mit Wurzeln in
       arabischen Ländern und der Sowjetunion bewohnt. Rechte und religiöse
       Parteien holten hier bei den letzten Wahlen mehr als 80 Prozent der
       Stimmen. „Es ist komisch, dass die USA bei allem reinreden“, sagt Keinan
       Nissim, der unweit des CMCC einen Burgerladen betreibt. Er wolle seinem
       Regierungschef vertrauen, sagt Nissim, aber aktuell treffe offensichtlich
       Trump die Entscheidungen. „Aber solange es Frieden bringt, ist das für eine
       Weile in Ordnung.“ Die Palästinenser sollten in Gaza leben können, „wenn
       die Hamas ihre Waffen abgibt.“
       
       ## Israel blockiert weiter Hilfsgüter
       
       Ob die Hamas das jedoch tun wird, ist ebenso unklar wie die Frage, welche
       Staaten Soldaten nach Gaza schicken würden. Israel hält laut
       Medienberichten weiter am Widerstand gegen jede Einbindung der
       Palästinensischen Autonomiebehörde fest, obwohl mehrere arabische Staaten
       ihre Unterstützung an eben diese Einbindung knüpfen. Auch die humanitäre
       Hilfe, die aus dem CMCC heraus überwacht wird, bleibt bisher weit hinter
       den vereinbarten Mengen zurück: Israel hält die meisten Grenzübergänge
       geschlossen und blockiert zahlreiche dringend benötigte Hilfsgüter.
       
       Ein Stück weiter Richtung Stadtzentrum liegt das Restaurant Bei Muschiko.
       Hinter der Theke steht Charles Edri mit seinem erwachsenen Sohn. Die
       US-Soldaten hätten schon öfter bei ihm gegessen. Er findet es gut, dass sie
       hier sind. Die USA hätten die gleichen Interessen. Für Edri heißt das:
       „Sich vor dem wachsenden muslimischen Einfluss zu schützen.“ Über der
       Terrasse hat die Familie nach dem Hamas-Überfall am 7. Oktober die Flaggen
       der wichtigsten israelischen Armeebrigaden aufgehängt. Den Namen des
       Restaurants haben sie bereits vor fünf Jahren geändert. Bis dahin hieß es
       „Der Frieden“.
       
       30 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Waffenstillstand-in-Gaza/!6119322
   DIR [2] /Israels-Krieg-im-Gazastreifen/!6125163
   DIR [3] /Von-den-Hamas-aus-Israel-verschleppt/!6124659
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Israel
   DIR Waffenstillstand
   DIR Gaza
   DIR Social-Auswahl
   DIR Donald Trump
   DIR Recherchefonds Ausland
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Gaza
   DIR Johann Wadephul 
   DIR Gaza-Krieg
   DIR Gaza-Krieg
   DIR Gaza
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Gaza-Krieg: Nicht das „Ende der Geschichte“
       
       Vor einigen Wochen wurde Trumps Gaza-Deal noch bejubelt. Inzwischen ist
       klar: Der Frieden kam nicht und der Plan nutzt vor allem Netanjahu.
       
   DIR Gaza-Tagebuch: „Wir gehen an den Gräbern vorbei und ziehen weiter“
       
       Unser Autor will an ein Ende des Kriegs glauben. Doch er findet keinen Weg,
       seinen Zweifeln zu begegnen. Und erkennt: Die Unsicherheit wird bleiben.
       
   DIR Gesetzesvorschlag in der Knesset: Israel treibt kontroverses Gesetz zur Todesstrafe voran
       
       Die Todesstrafe soll nur gelten, wenn Menschen „aus nationalistischen
       Motiven“ einen Israeli töten. Nicht aber, wenn ein Palästinenser getötet
       wird.
       
   DIR US-Vorschlag an UN-Sicherheitsrat: Wie die Stabilisierungsmission für Gaza aussehen könnte
       
       Die USA wollen ein Mandat des UN-Sicherheitsrats für eine Truppenpräsenz im
       Gazastreifen. Diese soll den Frieden nicht nur durchsetzen, sondern
       dauerhaft sichern.
       
   DIR Treffen in Istanbul: Muslimische Staaten drängen auf baldige Gaza-Verhandlungen
       
       In Gaza ist der Waffenstillstand brüchig. Deshalb sollte es bald
       Verhandlungen zur zweiten Phase des Trump-Plans geben, fordern sieben
       muslimische Länder.
       
   DIR Gefängnis Sde Teiman: Ein Ort der Hölle in Israels Wüste
       
       In der Haftanstalt soll ein Gefangener vergewaltigt worden sein, andere
       verletzt. Ein Häftling und ein Whistleblower berichten von ihren
       Erfahrungen.
       
   DIR Nahostreise von Außenminister Wadephul: Johann Wadephul will Reisehinweise für Israel entschärfen
       
       Der Außenminister machte auf der Rückreise von Jordanien, Syrien, Libanon
       und Bahrein einen kurzen Zwischenstopp in Tel Aviv.
       
   DIR Lage in Gaza: Gesunkene Chancen auf eine dauerhafte Waffenruhe
       
       Gegen die Waffenruhe verstoßen die terroristische Hamas und die israelische
       Armee. Das wird die Entsendung internationaler Kräfte deutlich erschweren.
       
   DIR Waffenruhe im Gazastreifen: Der Gazastreifen bleibt ein Pulverfass
       
       Trotz der Eskalation der letzten Tage positionieren sich Israel wie die
       Hamas für die zweite Phase der Waffenruhe. Als Nächstes soll Gazas
       Verwaltung verhandelt werden.
       
   DIR Israels Krieg im Gazastreifen: Netanjahu ordnet „intensive Angriffe“ an
       
       Ist die Waffenruhe schon wieder Geschichte? Nach Bericht über ein
       Feuergefecht ordnet Israels Premier neue Angriffe im zerstörten
       Küstenstreifen an.