# taz.de -- Wahlen in Tansania: Die Wut der Jugend entlädt sich auf der Straße
> Am Wahltag in Tansania explodiert die Gewalt in zahlreichen Städten, es
> gibt Tote und Sachschäden. Die Proteste dauern auch danach noch an.
IMG Bild: In der nordtansanischen Stadt Arusha am Wahltag, 29. Oktober
Vor den Wahlen am 29. Oktober glich Tansania einer tickenden Zeitbombe, und
jetzt ist sie hochgegangen. Am Wahltag brachen in zahlreichen Städten
Proteste aus: In der größten Stadt Daressalam sowie in Mbaya, Tunduma,
Tanga und Mwanza verlangten Demonstranten einen Wahlboykott.
Die Demonstranten griffen am Mittwoch noch während der Wahlen Häuser von
Persönlichkeiten an, die Präsidentin Samia Suluhu Hassan nahestehen.
[1][Die Wiederwahl der seit 2021 regierenden 65-Jährigen gilt als
Formsache], da die Oppositionsführer Tundu Lissu (Chadema) und Luhaga Mpinu
(ACT-Wazalendo) nicht antreten durften. Auch die Büros der
Antikorruptionsbehörde Takukuru gingen in Flammen auf, als die
protestierenden Jugendlichen außer Rand und Band gerieten.
Am Donnerstag gingen die Unruhen weiter. Demonstranten stürmten den
internationalen Flughafen von Daressalam und zündeten brennende Reifen als
Straßensperren an. Sie sprechen von Unregelmäßigkeiten bei der Wahl und
verlangen politische Reformen.
Die Polizei verhängte am Mittwoch ab 18 Uhr eine landesweite
Ausgangssperre, um den Protesten ein Ende zu setzen. Das Internet hatten
die Behörden da bereits abgeschaltet. Zwei Tote wurden am Mittwochabend
bestätigt, ein Demonstrant und ein Polizist.
## Zunächst hieß es, die Sicherheitslage sei stabil
Polizeichef Camillus Mongoso Wambura hatte zunächst am Mittwoch seine
Stimme in Mbweni in Daressalam abgegeben und die Menschen aufgerufen, in
großer Zahl ihr Wahlrecht wahrzunehmen. „Die Sicherheitslage ist stabil und
es gibt keine Gefahr von Unruhen“, hatte er gesagt.
Das erwies sich als Irrtum. Der Mittwoch entwickelte sich zum Protesttag
statt zum Wahltag. „Die Polizei kann Ausgangssperren verhängen, so viele
sie will, aber wir werden keine illegalen Anweisungen befolgen“, sagte der
prominente Regierungskritiker Liberatus Mwang'ombe. „Die Verfassung ist
eindeutig: nur das Staatsoberhaupt mit dem Parlament kann eine
Ausgangssperre verhängen. Unsere Stimmen werden nicht zum Schweigen
gebracht werden. Wir werden weiter protestieren, bis Gerechtigkeit
einkehrt.“
Unternehmerin Pauline Njorogo sagte, nun ernte [2][Präsidentin Samia Suluhu
Hassan] die Folgen ihrer eigenen Fehler. „Tansania war einst eine der
friedlichsten und stabilsten Nationen Afrikas, aber jetzt ist es plötzlich
angespannt. Ein für Ruhe und Einheit bekanntes Volk geht auf die Straße und
protestiert gegen eine als einseitig wahrgenommene Wahl. Wie es aussieht,
werden Ausgangssperren und Militäreinsätze die Lage nicht beruhigen.“
Tansania genoss jahrzehntelang großen Respekt als Verbündeter und
Schutzmacht von Befreiungsbewegungen vor allem im südlichen Afrika, nachdem
es 1961 unter [3][Julius Nyerere] unabhängig wurde, während das südliche
Afrika noch unter Kolonialherrschaft blieb. Seit dem Ende der
Einparteienherrschaft 1992 gilt es als eine der stabilsten Demokratien
Afrikas.
Aber die Bevölkerung ist sehr jung – die Hälfte der 70 Millionen Einwohner
ist unter 17 Jahre alt – und [4][die junge Generation] identifiziert sich
nicht mit diesen alten Geschichten.
## „Wahl bloß Formsache“
Der 21-jährige Peter Rukundo ging nicht in seiner Heimatstadt Arusha
wählen, sondern schloss sich den Protesten an. „Die Wahl ist bloß eine
Formsache“, erzählt er. „Die Präsidentin hat schon vor der Wahl gewonnen.
Es ist nicht fair.“
Das Land steht nun am Rande seiner schwersten Krise seit der Einführung des
Mehrparteiensystems 1992. Kommentator Evans Mutunga warnt: „Proteste mit
Ausgangssperren, Gewalt und Internetabschaltung zu unterdrücken sieht
zunächst aus wie eine gute Idee, damit Regierungen kurzfristig die
Kontrolle zurückerlangen. Aber es könnte katastrophal nach hinten
losgehen.“
30 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] /Wahlen-in-Tansania/!6122471
DIR [2] /Praesidentin-Mama-Samia-in-Tansania/!5808657
DIR [3] /Afrikas-Lehrer/!1266693
DIR [4] /Langzeitherrscher-in-Afrika/!6119200
## AUTOREN
DIR Alloyce Kimbunga
## TAGS
DIR Tansania
DIR Samia Suluhu Hassan
DIR Wahlen
DIR Tansania
DIR Tansania
DIR Tansania
DIR Tansania
DIR Kamerun
DIR Tansania
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Nach den Wahlen in Tansania: „Idi Amin Mama“ ist abgetaucht
Mit fast 98 Prozent soll Samia Suluhu die Wahl in Tansania gewonnen haben.
Proteste dagegen werden niedergeschlagen, Infos und Nahrung sind knapp.
DIR Wahlen in Tansania: Schwere Unruhen und ein haushoher Sieg
Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan ist mit haushoher Mehrheit im Amt
bestätigt worden. Mindestens 800 Menschen starben laut Opposition bei
Protesten.
DIR Schwere Unruhen in Tansania: „Das ist eine Revolution“
Berichte über 165 Tote bei den landesweiten Protesten in Tansania seit den
Wahlen am Mittwoch. Aktivisten aus Kenia wollen sich anschließen.
DIR Wahlen in Tansania: „Diktatorin mit Samthandschuhen“
Am Mittwoch will sich Samia Suluhu Hassan als Tansanias Staatschefin
wiederwählen lassen. Sie hat vorgesorgt: Oppositionelle landen in Haft oder
verschwinden.
DIR Langzeitherrscher in Afrika: Die Zukunft lässt auf sich warten
Wiederwahl ohne ernste Opposition – das versuchen viele Staatschefs in
Afrika. Kamerun zeigt: Es kann auch schiefgehen.
DIR Vor den Wahlen in Tansania: In Uniform ein Aufruf zur Revolte
In einer Videobotschaft an Tansanias Jugend ruft ein Luftwaffenkapitän zu
„Veränderung“ auf. Das politische Klima kurz vor den Wahlen ist angespannt.