# taz.de -- Urteil in München: Russischer „Wegwerfagent“ verurteilt
> Dieter Sch. will immer nur so getan haben. Doch jetzt wurde der
> Deutschrusse wegen Terror und Spionage zu einer mehrjährigen Haftstrafe
> verurteilt.
IMG Bild: München, 30. Oktober: der Gerichtssaal am Oberlandesgericht vor der Verhandlung
München taz | Es könnte ein Urteil mit Signalwirkung für ähnliche Fälle
sein. Das Oberlandesgericht München hat am Donnerstag den Deutschrussen
Dieter Sch. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im
Ausland und Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten sowie
[1][geheimdienstlicher Agententätigkeit zu Sabotagezwecken in Deutschland]
für schuldig erklärt und zu einer Haftstrafe von sechs Jahren Haft
verurteilt.
Damit folgte die Strafkammer im Wesentlichen der Argumentation des
Generalbundesanwalts, blieb nur im Strafmaß unter den von der Anklage
geforderten acht Jahren und acht Monaten. Zwei Mitangeklagte wurden zu
einem beziehungsweise einem halben Jahr auf Bewährung verurteilt.
Im Mittelpunkt des Verfahrens, so der Vorsitzende Richter Jochen Bösl, habe
die Frage gestanden, ob Dieter Sch. vor rund zehn Jahren Mitglied einer
paramilitärischen russischen Einheit im Donbass gewesen sei, die dort gegen
die ukrainischen Truppen gekämpft habe. Konkret handelte es sich um die
Pjatnaschka-Brigade, eine Einheit der sogenannten Volksrepublik Donezk, die
mit Unterstützung Russlands seit April 2014 eine von ihr beanspruchte
Region im Osten der Ukraine kontrollierte.
Sch. kam im Dezember 2014 in das Gebiet und blieb dort mindestens bis
August 2016. Für das Gericht steht auch außer Zweifel, dass er dort im Jahr
2015 mindestens zweimal an Kampfeinsätzen gegen die ukrainischen
Streitkräfte teilgenommen und dabei auch eine Schusswaffe mit sich geführt
hat.
Der Angeklagte Sch., schwarzer Rauschebart, Baseballkäppi, sitzt während
der Urteilsbegründung tief in seinem Stuhl, scheint das Urteil recht
gelassen aufzunehmen. Der 41-Jährige, ein ehemaliger Messebauer, der sich
zuletzt mit Gelegenheitsjobs und Sozialhilfe über Wasser gehalten hat, ist
eine schillernde Gestalt. Im Alter von 14 Jahren kam er mit seiner Familie
als Spätaussiedler aus Russland nach Deutschland, lebte in Bayreuth, wo er
auch im April 2024 festgenommen wurde.
## In Uniform im Fernsehen
Neben seiner Mitgliedschaft bei der [2][Pjatnaschka-Brigade] wird ihm zur
Last gelegt, dass er zuletzt für Russland in Deutschland als Agent tätig
sowie Sabotageakte geplant haben soll, unterstützt von den beiden
Mitangeklagten Alexander J. und Alex D.
Das Material, das die Ermittler zusammengetragen haben, ist umfangreich,
die Fülle der Indizien in den Augen des Gerichts erdrückend. „Wirklich, es
kommt so viel zusammen“, sagt Bösl, es gebe nicht den leisesten Zweifel, an
der Richtigkeit der Vorwürfe – auch wenn der Angeklagte, wie der Richter
zugibt, auf jeden Vorwurf eine Antwort gehabt habe. Dies führte denn auch
dazu, dass die Verteidiger für Freispruch für ihren Mandanten plädierten.
Die Ausführungen Sch.s waren zumeist irgendwas zwischen amüsant, albern und
hanebüchen. So sei er in den Donbass nur wegen einer Frau gegangen, die er
im Internet kennengelernt habe und die aus der Region kam. Er habe zwar
Kontakt zu Mitgliedern der Pjatnaschka-Brigade gehabt, sei aber selbst kein
Mitglied gewesen.
In einem Beitrag des ZDF-„Auslandsjournals“, der im Jahr 2015 unter dem
Titel „[3][Ein Russlanddeutscher zieht in den Krieg]“ lief, hörte sich das
freilich ganz anders an. Dort gab er sich als Mitglied der Truppe aus, ließ
sich in Uniform und mit Waffe filmen. Da habe er doch nur so getan,
argumentierte Sch., der Kommandeur der Brigade, Akhra Avidzba, habe ihn
darum gebeten.
## „Ein genialer Plan“
Dafür habe er von Avidzba und dem ZDF-Team jeweils 200 Euro bekommen. Und
dass er sich auch später öfter mal als Donbass-Veteran ausgegeben habe,
dürfe man auch nicht so ernstnehmen, das habe er nur getan, um „Frauen
flachzulegen“. Als der Richter das Zitat vorträgt, nickt Sch. zustimmend.
Dass er sich dann im Jahr 2023 wieder mit dem Kommandeur Avidzba, der wohl
auch für den russischen Geheimdienst GRU arbeitet, in Verbindung gesetzt
hat und ihm Informationen über eine Bahnstrecke, eine Ölraffinerie, einen
Werkzeughersteller, der auch militärische Produkte herstellt, und den
US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr lieferte und sich mit ihm via
Messengerdienste über mögliche Sabotageakte austauschte, sei auch nur
geschauspielert gewesen, er habe ihn „verarschen“ wollen.
Als „Low-Level-Agenten“ oder „Wegwerfagenten“ werden nicht ausgebildete
Sympathisanten genannt, die der russische Geheimdienst neuerdings immer
öfter im Westen für kleinere Spionage-Tätigkeiten oder Sabotageakte
rekrutiert – oft nur gegen ein Taschengeld.
Sch. allerdings will immer angenommen haben, den anderen einen Schritt
voraus zu sein. Schnell will er auch gemerkt haben, dass er observiert
worden sei, deshalb habe er die Rolle weitergespielt, um sich schließlich
den deutschen Behörden als Doppelagent anzudienen. Was jedoch nicht ganz
geklappt habe. „Ein genialer Plan“, kommentiert Richter Bösl nur.
Das vermeintliche Schauspielern ziehe sich durch die gesamte Argumentation
des Angeklagten, stellt der Richter fest und fragt, warum Sch. nicht gleich
eine entsprechende Karriere angestrebt habe. „Vielleicht hätten Sie’s mal
versuchen sollen, das hätte Ihnen zumindest einige Jahre Haft erspart.“ Der
Angesprochene zuckt die Achseln und macht ein Gesicht, als wolle er sagen:
Hätte doch nur jemand mein Talent entdeckt!
30 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] /Spionage-Prozess-in-Muenchen/!6085965
DIR [2] https://en.wikipedia.org/wiki/Pyatnashka_Brigade
DIR [3] https://presseportal.zdf.de/pressemitteilung/zwei-jahre-ukraine-krieg-auslandsjournal-spezial-im-zdf
## AUTOREN
DIR Dominik Baur
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