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       # taz.de -- Neues Vampirspiel „Bloodlines 2“: Fast wie im Kleingartenverein
       
       > Mit „Vampire: The Masquerade – Bloodlines 2“ erscheint der Nachfolger zu
       > einem sehr guten Rollenspiel. Diesmal saugt man sich durch ein blutleeres
       > Seattle.
       
   IMG Bild: Passt gut zu Halloween: Vampirin „Phyre“
       
       Vampire wirken ja oft wie Einzelgänger, die sich nichts vorschreiben
       lassen. Im neuen Spiel „Vampire: The Masquerade – Bloodlines 2 ist das
       Quatsch. Dort gibt's mehr Regeln als [1][im typischen deutschen
       Kleingartenverein]. Nur ohne Nazis und Deutschlandflaggen.
       
       Mehr als 20 Jahre habe ich sehnsüchtig auf „Bloodlines 2“ gewartet. Ich
       liebe den Vorgänger. Darin erkundete ich als Vampir das nächtliche Los
       Angeles. „Bloodlines“ war eine sogenannte immersive Simulation, in der ich
       relativ viel Handlungsfreiheit hatte: In Dialogen manipulierte ich mit
       meiner attraktiven Vampirlady Männer, knackte Schlösser, um Kämpfen
       auszuweichen, oder verkloppte alle. Als 14-Jähriger verbrachte ich so viele
       Nächte im digitalen Los Angeles, dass ich fast selbst zum Blutsauger
       geworden wäre, dann aber doch zum Tomatensaft griff.
       
       Das Verlangen [2][nach dem roten Saft] hatte ich diesmal nicht. Denn
       „Bloodlines 2“ hat mit dem Vorgänger fast nichts mehr zu tun. Als uralte
       Vampirin namens Phyre erwacht man aus dem Tiefschlaf; schon vor 500 Jahre
       versenkte die Vampirfrau ihre spitzen Zähne in zarten Hälsen, und nun ist
       sie in Seattle. Mit ihrem osteuropäischen Akzent (logisch, alle Vampire
       kommen ja aus Rumänien) ist Phyre eine recht spannende Figur, weil sie die
       Stimme eines anderen Vampirs in ihrem Kopf hört. Bis zum Schluss will ich
       wissen, wie das ausgeht.
       
       In „Bloodlines 2“ erlebe ich wie im Vorgänger eine glaubwürdige
       Vampirgesellschaft. Da gibt es die Camarilla, eine große Sekte, die
       entscheidet, ob neue Vampire geschaffen oder getötet werden dürfen. Wenn
       die Blutsauger über die Menschheit lästern und Bram Stoker, Autor des
       „Dracula“-Romans, einen Hochstapler nennen, möchte ich auch Vampir und kein
       langweiliger Mensch sein.
       
       ## Schickeria-Vampire und hässliche Nosferatu
       
       Zu Spielbeginn entscheide ich mich für einen von sechs Vampirclans.
       Brujah-Vampire keilen sich gerne, ich spiele aber lieber die
       Schickeria-Vampire vom Tremere-Clan. Die geben Gegnern einen Schmatzer,
       woraufhin sie auf meiner Seite kämpfen. Abgesehen davon kann ich meine
       Vampirin kaum an meine Spielweise anpassen. Und die besten Vampirklassen
       aus dem Vorgänger fehlen.
       
       Etwa die Nosferatu-Vampire. Sie sind stark und gewieft, aber so hässlich,
       dass sie nur über die Kanalisation von A nach B kommen, um unter den
       Menschen nicht aufzufallen. Wie gerne hätte ich auch einen Malkavianer
       gespielt; das sind durchgeknallte Vampire, die mit Toastern und Fernsehern
       reden und ständig Stimmen hören. Also fast wie ich nach einer nächtlichen
       Gamesession.
       
       Das alles ist „Bloodlines 2“ nicht. Es ist auch kein Rollenspiel mehr. Das
       wird alle Fans enttäuschen, die den Vorgänger liebten. „Bloodlines 2“ ist
       eher ein Action-Adventure, das sich auf seine Geschichte konzentriert; und
       auf seine Spielwelt, die neugierig macht. In Seattle ist Weihnachtszeit und
       an den Schaufenstern baumeln Dekokugeln und Lichter glitzern. Weil ein
       Schneesturm tobt, sind die Straßen voller Schnee. Die Mischung aus
       heimeliger Glühweinstimmung und versifften Vampirschuppen der Unterwelt ist
       toll. Und das Erkunden von Seattle macht zumindest anfangs Spaß.
       
       Meine Vampirin klettert so schnell die Häuserfassaden empor, dass der
       durchschnittliche Parcours-Heini aus deutschen Innenstädten vor Neid
       erblassen würde. Leider gibt es in Seattle bis auf ein paar Nebenaufgaben
       nichts zu entdecken. Und die sind auch noch langweilig: Als
       Vampir-Paketbote transportiere ich Päckchen oder befreie Gefangene. Da lege
       ich mich doch lieber wieder in den Sarg.
       
       Den Vorgänger haben Fans bis heute mit neuen Inhalten versorgt und Fehler
       behoben. Vielleicht bekommt das nächtliche Seattle in den nächsten Jahren
       ja auch noch neue Aufgaben spendiert. Erste Anpassungen sind schon
       erschienen, darunter neue Frisuren und Klamotten. Hoffentlich gibt's keinen
       Deutschlandhut.
       
       31 Oct 2025
       
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