URI: 
       # taz.de -- Chatkontrolle-Vorschlag: Freiwillige Kontrolle?
       
       > Messenger sollen Bürger:innen der EU überwachen. Dafür schlägt
       > Dänemark, das die Ratspräsidentschaft innehat, nun Veränderungen vor.
       
   IMG Bild: Freiwilliges Scannen seitens der Anbieter, darauf setzt auch Dänemarks Justizminister Peter Hummelgaard
       
       Überraschende Wendung bei der [1][Chatkontrolle]: Das Vorhaben, das unter
       anderem Messengerdienste dazu verpflichten soll, die Kommunikation ihrer
       Nutzer:innen anlasslos zu überwachen, wird in dieser Form vorerst nicht
       weiterverfolgt. Die dänische Ratspräsidentschaft, auf die dieser Antrag
       zurückgeht, kündigte an, stattdessen auf ein freiwilliges Scannen seitens
       der Anbieter zu setzen. Das wäre in diesem Punkt eine Verlängerung des
       Status quo. Doch andere Kritikpunkte bleiben.
       
       Die Chatkontrolle geht [2][ursprünglich] auf einen Gesetzentwurf der
       EU-Kommission zurück. Der sieht vor, dass unter anderem Messengerdienste
       wie Signal, Whatsapp oder Threema dazu verpflichtet werden können, die
       Kommunikation ihrer Nutzer:innen zu überwachen – und zwar auch, wenn sie
       Ende-zu-Ende-verschlüsselt ist. Die EU-Kommission will damit eigenem
       Bekunden zufolge die Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt an
       Kindern eindämmen.
       
       Doch vor allem zwei Punkte sorgen für breite Kritik: erstens, dass auch
       Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation von der Überwachung betroffen
       sein soll. Das wäre ein tiefer Eingriff in die private Kommunikation – und
       könnte, so die Befürchtungen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft, gerade
       von autoritären und antidemokratischen Regierungen für andere
       Überwachungsziele missbraucht werden. Zweiter großer Kritikpunkt ist, dass
       das Scannen der Kommunikation anlasslos erfolgen soll. Es bräuchte also
       nicht einmal einen Anfangsverdacht, praktisch alle Nutzenden wären
       betroffen.
       
       Nachdem das Vorhaben in den vergangenen Jahren wiederholt keine Mehrheit
       unter den EU-Mitgliedsstaaten gefunden hatte, setzte die dänische
       Ratspräsidentschaft die Chatkontrolle im Oktober wieder auf die
       Tagesordnung. Nach breitem Protest aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und
       Wirtschaft [3][sprach sich Deutschland, das bei der Abstimmung das Zünglein
       an der Waage für eine Mehrheit hätte sein können, doch dagegen aus].
       Allerdings bekundete die Bundesregierung, bis zum Jahresende einen
       Kompromiss aushandeln zu wollen.
       
       Der dänische Justizminister Peter Hummelgaard begründete den Kurswechsel im
       Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP damit, dass mit einem
       verpflichtenden Scannen auf EU-Ebene keine Einigung möglich gewesen wäre.
       Die derzeitigen Regeln, die Anbietern das Scannen auf freiwilliger Basis
       erlauben, laufen im April kommenden Jahres aus.
       
       „Der neue Vorschlag ist ein Triumph der digitalen Freiheitsbewegung und ein
       großer Sprung nach vorn zur Verteidigung unseres digitalen
       Briefgeheimnisses“, erklärte Patrick Breyer (Piratenpartei), ehemaliger
       EU-Abgeordneter. Er war maßgeblich an den Verhandlungen zu einem
       Gegenentwurf des EU-Parlaments beteiligt, der ein Scannen nur bei einem
       konkreten Verdacht und mit richterlicher Zustimmung erlauben würde.
       
       Drei Probleme bleiben jedoch laut Breyer bei dem entschärften dänischen
       Entwurf bestehen: Das Scannen der Nachrichten erfolge auch bei dem
       freiwilligen Verfahren immer noch anlasslos, also ohne dass es etwa einen
       Anfangsverdacht gibt. Zweitens befinde sich in dem dänischen Vorschlag
       weiterhin ein Passus, der es ausschließe, anonyme E-Mail- oder
       Messenger-Konten einzurichten.
       
       Und drittens sehe der Entwurf weiterhin vor, dass Nutzer:innen unter 16
       Jahren der Zugang zu diversen Apps verboten sein soll. Dazu gehörten
       Messenger-Apps wie Whatsapp, Social-Media-Apps wie Instagram oder Tiktok
       und Videokonferenz-Apps wie Zoom oder Facetime. „Ein solches Mindestalter
       wäre leicht zu umgehen und würde Jugendliche bevormunden und isolieren,
       anstatt sie zu stärken“, kritisiert Breyer.
       
       Ganz vom Tisch ist der Kommissionsvorschlag zur verpflichtenden Überwachung
       ohnehin noch nicht: Abhängig von den weiteren Verhandlungen könnte die
       nächste Ratspräsidentschaft das Vorhaben erneut einbringen.
       
       31 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Chatkontrolle-Selbst-verschluesselte-Kommunikation-am-Handy-soll-ueberwacht-werden-koennen/!6116246
   DIR [2] /Plaene-der-EU-Kommission/!5852598
   DIR [3] /Abstimmung-der-EU-Staaten-ueber-Chatkontrolle-verschoben/!6118693
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
   DIR Datenschutz
   DIR Verbraucherschutz
   DIR Schwerpunkt Überwachung
   DIR Messenger
   DIR wochentaz
   DIR Schwerpunkt Überwachung
   DIR Messenger
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Verschlüsselte Messenger: Und jährlich grüßt die Chatkontrolle
       
       Für den Kinderschutz soll selbst verschlüsselte Kommunikation am Handy
       kontrolliert werden können. Doch der Widerstand dagegen ist vielfältig.
       
   DIR Rezept für Überwachung mit Chatkontrolle: Grundrechte, geschnetzelt
       
       Breiter Protest verhinderte die Abstimmung über die Chatkontrolle. Was nie
       ein gutes Rezept gegen Internetkriminalität war, ist noch nicht vom Tisch.
       
   DIR Wegen Diskussion in der Bundesregierung: Abstimmung der EU-Staaten über Chatkontrolle verschoben
       
       Über die umstrittene Überwachung von Chats stimmen die EU-Staaten nun doch
       noch nicht kommende Woche ab. Die Bundesregierung hofft auf eine baldige
       Einigung.