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       # taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Mackie Messer in Mitte
       
       > Wie der Eigentümer mit den Ex-Obdachlosen in der Habersaathstraße umgeht,
       > zeigt, dass im Kapitalismus „Recht“ und „gerecht“ oft nicht dasselbe
       > sind.
       
   IMG Bild: Wer muss Angst vor der Polizei haben? Eigentümer oder Besetzer?
       
       Vielleicht ist Brechts berühmter Satz aus der Dreigroschenoper „Was ist ein
       Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ ein alter Hut. Aber
       wer sich den [1][Krimi um die Habersaathstraße] in den letzten Wochen
       vergegenwärtigt, dem muss Brechts Vergleich zwischen kapitalistischer
       Gesellschaft und organisierter Kriminalität vor dem geistigen Auge
       erscheinen. Wie verschwommen sind doch manchmal die Grenzen zwischen jenen,
       die das Recht brechen, und denen, deren eigentlich verbrecherischen Praxen
       im Rahmen des bürgerlichen Rechts folgenlos bleiben?
       
       Brecht vergleicht in seinem Stück die Banker mit dem Gewaltverbrecher
       Mackie Messer. Im Fall der Habersaathstraße sind diejenigen, die sich mit
       der Besetzung von Wohnraum formal im Unrecht befinden, überwiegend
       ehemalige Obdachlose. Man könnte sagen: Es handelt sich um Menschen, denen
       die deutsche Überflussgesellschaft ihr Menschenrecht auf Obdach verwehrt
       hat. Auf der anderen Seite steht Andreas Pichotta, Eigentümer der Arcadia
       Estates – ein Immobilienzocker, der intakten Wohnraum abreißen will, um mit
       Luxuswohnungen noch mehr Profit zu machen.
       
       Und so entfalten die unterschiedlichen Rollen von Eigentümer und
       Besetzer:innen ihre verlässlich-gewaltvolle Wirkung. Vor 14 Tagen
       wurden einige der Besetzer:innen [2][mit richterlicher Bescheinigung
       polizeilich geräumt], also auf die Straße gesetzt. Dann hat Pichotta einen
       [3][illegalen Security-Trupp] damit beauftragt, weitere Menschen wieder in
       die Kälte zu treiben. Er hat er ihnen zwischenzeitlich [4][das Trinkwasser
       abgestellt], um sie mit dem Mittel des Durstes loszuwerden. Nun soll noch
       die Gewalt des Winters für ihn arbeiten, indem er den Bewohner:innen
       [5][die Heizung abstellen will].
       
       Es gibt in der Habersaathstraße auch Mieter:innen, die über reguläre
       Verträge verfügen. Auch sie sind von einigen Aspekten des Agierens von
       Pichotta betroffen. Sie bekommen vielleicht Radiatoren gegen die Kälte
       gestellt. Aber wenn das Wasser abgestellt wird, müssen auch sie
       [6][Kanister schleppen], wenn die Secu-Trupps kommen, müssen auch sie sich
       [7][in ihren Wohnungen verbarrikadieren]. Brecht selbst könnte
       wahrscheinlich nicht besser illustrieren, wie viel näher sich
       Mieter:innen und Obdachlose im Kapitalismus sind – verglichen mit der
       gewaltigen Macht des Eigentums.
       
       Denn das Bezirksamt Mitte lässt Picotta einfach gewähren. Man ist in der
       Behörde offenbar nicht einmal fähig, das Mittel einzusetzen, das auch die
       bürgerliche Rechtsordnung kennt, wenn es ein Eigentümer mal zu weit treibt:
       die Häuser unter treuhänderischer Verwaltung zu stellen, um die
       dringendsten Mängel zu beheben und die Grundversorgung der
       Bewohner:innen sicherzustellen.
       
       Aber vielleicht ist es ja kein Zufall, dass diese Karte bisher nicht
       gezogen wurde. Denn ist es nicht auch ein Gradmesser gesellschaftlicher
       Macht, wer sich ohne Konsequenzen über das Recht hinwegzusetzen in der Lage
       ist?
       
       Dieser Gedanke stammt allerdings nicht von Brecht, sondern vom
       Faschismus-affinen Staatsrechtler Carl Schmitt, der das positiv sah, als
       Herrschaftsideal.
       
       Um das Bezirksamt zum Handeln zu bringen, [8][gibt es Protest]: am
       kommenden Donnerstag (6.11.) um 15 Uhr vor dem Bezirksamt Mitte
       (Mathilde-Jacob-Platz 1). Weitere Bewegungstermine sind im Kasten oben zu
       finden.
       
       3 Nov 2025
       
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