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       # taz.de -- Sahraui über Westsahara-Resolution: „Das wäre eine Annexion“
       
       > Der deutsche Vertreter der sahrauischen Unabhängigkeitsbewegung Frente
       > Polisario kritisiert die UN-Pläne zur Westsahara. Er schlägt etwas
       > anderes vor.
       
   IMG Bild: Die Sahrauis kämpfen seit Jahrzehnten um ihr Selbstbestimmungsrecht, wie hier im Land der ehemaligen Kolonialherren, Madrid 2021
       
       taz: Herr Ahmed, der Sicherheitsrat der [1][Vereinten Nationen (UNO)
       stimmte am Freitag für eine Resolution], die vorsieht, dass die Westsahara
       ein autonomer Teil Marokkos wird. Was bedeutet das für die sahrauische
       Bevölkerung, die indigenen Bewohner*innen der Westsahara?
       
       Mohamed El Mamun Ahmed: So eindeutig ist die Resolution nicht. Darin heißt
       es auch, dass jede Lösung für die Westsahara das Selbstbestimmungsrecht des
       sahrauischen Volkes wahren muss. Das heißt, es gibt keine Lösung ohne das
       sahrauische Volk.
       
       taz: Sind die Autonomie-Pläne denn in Ihrem Sinne? 
       
       Ahmed: Wir sind bereit für den Frieden. Dafür würden wir mit Marokko und
       der UNO verhandeln. Aber so, wie die Autonomie gerade diskutiert wird, kann
       es nicht funktionieren.
       
       taz: Warum nicht? 
       
       Ahmed: Weil der Wille des sahrauischen Volkes nicht ausreichend mitgedacht
       wird. So umgesetzt, würde die Autonomie der Westsahara nicht zur
       Entkolonisierung führen. Das wäre eine Annexion.
       
       taz: Wie ließe sich der Konflikt dann lösen? 
       
       Ahmed: Es gibt schon seit den 1990er Jahren einen Friedensplan, den die UNO
       entwickelt und dem wir und Marokko zugestimmt haben. Der ist mit dem
       Völkerrecht vereinbar und im Übrigen die Grundlage dafür, dass es schon
       lange keinen wirklichen Krieg mehr in der Westsahara gibt. Dieser Plan
       sieht ein Referendum vor, [2][in dem das sahrauische Volk selbst
       entscheidet], wie es leben möchte: als Teil der marokkanischen Bevölkerung,
       in einer autonomen Region Marokkos oder ganz unabhängig.
       
       taz: Marokko scheint Angst vor den Folgen zu haben … 
       
       Ahmed: Dabei haben wir Marokko bereits 2007 zugesichert, dass seine
       Bürger*innen in der Westsahara bleiben dürften, sollte sich das
       sahrauische Volk für Unabhängigkeit entscheiden. Und auch, dass wir von
       Marokko keine Reparationen für die Besatzung der vergangenen Jahrzehnte
       verlangen würden, haben wir garantiert. Und sogar, dass wir strategisch mit
       den Marokkanern zusammenarbeiten würden, um gemeinsam von den natürlichen
       Ressourcen der Westsahara zu profitieren.
       
       taz: Der marokkanische König, auch einige europäische Großmächte wie
       Spanien oder Frankreich wollen das nicht – auch aus wirtschaftlichen
       Interessen. Sie sagen, die Autonomielösung wäre die einzig mögliche. 
       
       Ahmed: Ein Referendum wäre der einzige demokratische und
       völkerrechtskonforme Weg, den Konflikt zu lösen. Überhaupt ist es der
       einzige Weg, in der Westsahara dauerhaft Frieden zu schaffen. Denn [3][wir
       werden weiter für unser Recht kämpfen].
       
       taz: Und wie geht es jetzt weiter? 
       
       Ahmed: Wir erwarten, dass die UNO, ihr Vertreter für die Westsahara und ihr
       Generalsekretär auf uns zukommen. Sie müssen sich bewegen, um neue
       Verhandlungen anzuschieben. Wir sind bereit.
       
       2 Nov 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Bachmann
       
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