# taz.de -- Aufarbeitung der Coronapandemie: Kein Lockdown ohne Bundestag und Länder
> Eine Bundestagskommission arbeitet an Lehren für die nächste Pandemie. Am
> Montag forderten Sachverständige, künftig auf anderen Wegen zu
> entscheiden.
IMG Bild: Das waren Zeiten: die Düsseldorfer Rheinpromenade im Juli 2020
Im Bundestag führte am Montagnachmittag die [1][Enquetekommission zur
Aufarbeitung der Coronapandemie] eine öffentliche Anhörung durch. Das
Thema: „Rechtsstaat unter Pandemiebedingungen“, dabei insbesondere das
Infektionsschutzgesetz, Grundrechte und Eigenverantwortung.
Die Kommission besteht aus 14 Bundestagsabgeordneten und 14
Sachverständigen, die gemeinsam die Coronazeit aufarbeiten und Lehren für
zukünftige Pandemien entwickeln sollen. Über einen Zeitraum von zwei Jahren
tagt sie einmal monatlich zu verschiedenen Aspekten der Pandemie, Ende Juli
2027 soll sie einen Abschlussbericht vorlegen.
Am Montag waren als zusätzliche Sachverständige fünf Professor_innen für
Rechtswissenschaften sowie eine Medizinethikerin geladen. Zu Beginn
verlasen sie jeweils vorbereitete Eingangsstatement, danach konnten die
Mitglieder der Kommission ihnen Fragen stellen.
Anika Klafki von der Universität Jena forderte, dass für zukünftige
Pandemien eine neue Rechtsgrundlage geschaffen wird. Das
Infektionsschutzgesetz, auf dessen Basis in der Coronapandemie oft
gehandelt wurde, sei nicht auf Pandemien ausgelegt. Laut Klafki braucht es
für künftige Pandemie ein neues Gesetz oder einen neuen Abschnitt im
bestehenden Infektionsschutzgesetz.
Sie betonte, dass dabei aber der Entscheidungsfreiraum der Bundesländer
erhalten, vielleicht sogar erweitert werden sollte. Die Macht solle nicht
ausschließlich beim Bund liegen. Auch andere Teilnehmer_innen betonten, wie
wichtig regionaler Handlungsspielraum sei. Jetzt gebe es die nötige Ruhe
und Zeit, über eine neue Rechtsgrundlage nachzudenken, so Klafki weiter.
## Mehr Vielfalt der Expert_innen
Karsten Schneider von der Universität Mainz betonte, wie wichtig ein
transparenter Umgang mit Nichtwissen sei. Das demonstriere keineswegs eine
Schwäche der Regierung, sondern bilde die Grundlage für Vertrauen in der
Bevölkerung.
Oliver Lepsius und Stephan Rixen von den Universitäten Münster und Köln
wiesen darauf hin, wie wichtig es sei, dass im Umgang mit einer Pandemie
Sachverständige aus verschiedensten Fachrichtungen zusammenarbeiten –
sowohl um Wissen zu gewinnen, als auch um Maßnahmen abzuwägen. Also sollten
zum Beispiel nicht nur Expert_innen für Medizin oder Virologie eingebunden
werden, sondern auch solche für Pädagogik, Ökonomie, Sozialwissenschaften
und anderes.
Und nicht nur das: Auch innerhalb der Fachrichtungen gebe es Pluralismus,
verschiedene Ansichten, die unbedingt berücksichtigt werden müssten.
Stephan Rixen betonte, dabei sei es wichtig, die Übersicht nicht zu
verlieren. Ein Gremium zu schaffen, aus dem man schnell vielfältiges Wissen
abrufen kann und welches bei neuen Gesetzen und Verordnungen berät, könnte
aus seiner Sicht sinnvoll sein.
## Nicht nur per Verordnung
Lepsius sagte, es sei wichtig, dass Entscheidungen durch den Bundestag
gingen und nicht lediglich per Verordnung von der Regierung angeordnet
werden. Der Bundestag bestehe aus verschiedensten Menschen, die die
Lebensrealitäten der Bevölkerung repräsentierten und Maßnahmen so gut
abwägen könnten. Regierungen hingegen seien eher einseitig zusammengesetzt,
allein schon, weil sie aus Vertreter_innen weniger Parteien bestehen. Auch
riet er davon ab, lediglich Expert_innen Entscheidungen zu überlassen:
Diese Gruppe sei ebenfalls einseitig zusammengesetzt.
Alena Buyx, [2][die während der Pandemie Vorsitzende des Ethikrates war,]
sprach sich für eine kontinuierliche Überprüfung der Verhältnismässigkeit
von Maßnahmen aus. Entscheidungen müssten demokratisch legitimiert sein,
die Partizipation der Bevölkerung ausgeweitet werden, auch durch die
Regionalisierung von Entscheidungen.
Auf Nachfrage erklärte sie, verordnete Solidarität – also die Einschränkung
von Grundrechten zum Schutz von (vulnerablen) Gruppen wie durch die
Lockdowns in der Pandemie – müsse verständlich kommuniziert und an die
regionalen Gegebenheiten angepasst sein. Sonst würde sich verständlicher
Widerstand regen und würden weniger Menschen die Maßnahmen mittragen.
Für die Kommission konnten alle Fraktionen Sachverständige benennen, auf
Veranlassung der AfD nahm am Montag Karl Albrecht Schachtschneider an der
Sitzung teil. Er verharmloste das Risiko, das während der Pandemie vom
Coronavirus ausgegangen war und sprach von einer „Coronadiktatur“.
Schachtschneider war bis 2005 Professor an der Universität
Erlangen-Nürnberg [3][und ist Mitglied im Kuratiorium der AfD-nahen
Desiderius-Erasmus-Stiftung.] Auch die AfD hatte während der Pandemie von
einer „Coronadiktatur“ gesprochen.
3 Nov 2025
## LINKS
DIR [1] /Enquete-Kommission-zu-Corona/!6112334
DIR [2] /Ethikerin-zu-Medizinversorgung-in-Krisen/!5669071
DIR [3] /AfD-nahe-Erasmus-Stiftung/!5807016
## AUTOREN
DIR Alice von Lenthe
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