# taz.de -- Wohnungsmangel in Bremen: Bauen, jetzt aber hurtig
> Bremen ändert seine Bauvorschriften, um billiger und schneller zu werden.
> Das große Vorbild ist Hamburg – doch Bremen grenzt sich auch ab.
IMG Bild: Soll schneller gehen: Neubau in Bremen
Effizienter, schneller, mehr: Bremens Bausenatorin ist begeistert, von dem,
was sie auf der Pressekonferenz in Bremen vorstellen kann. Pünktlich zum
[1][angekündigten „Bauturbo“ auf Bundesebene] zeigt das Bundesland Bremen,
wie es sich selbst den Weg zum kosteneffizienten Bauen vorstellt.
Vor ziemlich genau einem Jahr hatte der Senat eine sechsköpfige
Senatskommission zu dem Thema gebildet; im Frühjahr wurden Arbeitsgruppen
eingesetzt. In über 30 Treffen haben seitdem insgesamt 100 Beteiligte einen
Katalog von über 200 Maßnahmen durchgearbeitet. Im Wesentlichen zwei Wege
will man gehen: Gesenkte Standards sollen das Bauen billiger machen. Und
gestraffte Prozesse in der Verwaltung sollen das Bauen schneller machen.
Ins Haus geholt hatte man sich dafür die Expertise der Beratungsfirma
Neitzel Consultants: Michael Neitzel hatte kurz zuvor den gleichen Auftrag
für Hamburg erfüllt. Das gilt mit seinem Hamburger Weg seit Februar als
Pionier des einfachen Bauens. Und so ist es kein Wunder, dass im jetzt
vorliegenden Abschlussbericht ein Großteil der Maßnahmen auf den Hamburger
Plänen aufbaut.
Die Einsparungen an Zeit lassen sich noch nicht so genau beziffern, aber
für das Finanzielle gibt es bereits eine Prognose: Satte 1.250 Euro pro
Quadratmeter sollen die Maßnahmen einsparen helfen – in etwa ein Drittel
also: Heute liegen die Baukosten bei 3.600 bis 4.500 Euro pro Quadratmeter.
Die (prognostizierte) Einsparung ist ein bisschen geringer als in Hamburg,
aber schließlich sei man auch noch nicht am Ende des Prozesses; weitere
Maßnahmen würden noch folgen.
## Energiestandards hatte Bremen schon gesenkt
Im Energiebereich hatte Bremen schon im vergangenen Jahr Standards gesenkt:
Bis dahin hatte der Zwei-Städte-Staat für seine eigenen öffentlichen
Gebäude einen hohen Energieeffizienzstandard (EH 40) vorgegeben; im Mai
2024 wurde der wieder auf den schlechteren Bundesstandard (EH 55)
zurückgesetzt.
Bei weiteren energetischen Standards will Bremen aber nicht so rigoros
kürzen, das zumindest suggeriert ein erster Blick in den gerade
veröffentlichten Abschlussbericht. In einigen Punkten grenzt sich der
erreichte Konsens klar vom großen Vorbild, dem Hamburger Standard, ab,
gerade auch in Bezug auf die Dämmung: So soll sich in Hamburg der Schutz
von Häusern vor Hitze in Zukunft am Jahresdurchschnitt orientieren. In
Bremen will man sich weiter an „Peaks“, also an einzelnen Hitzetagen
orientieren. Schließlich ist der Wärmeschutz an diesen Tagen am
wichtigsten.
[2][Und während der Hamburg Standard vorsieht, Treppenhäuser im Keller
nicht zu dämmen, weil das „unverhältnismäßig aufwendig“ sei,] argumentiert
man in Bremen, dass ein schlecht gedämmtes Treppenhaus am Ende zu höherem
Energieverbrauch führt – die Bremer Arbeitsgruppe lehnt diese Hamburger
Maßnahme daher ab.
Tatsächlich muss Bremen auch teilweise höhere Standards ansetzen, wenn es
seine eigenen Ziele ernst nimmt: Bis 2038 will die Stadt klimaneutral sein;
[3][in Hamburg steht seit dem Volksentscheid das Ziel 2040, bei
Verabschiedung des Hamburg-Standards war es noch 2045.]
## Senkung bei Schallschutz und Barrierefreiheit
Beispiele für gesenkte Standards, die besonders viel Geld einsparen können,
nennt Arend Bewernitz, Abteilungsleiter Stadtplanung in der Baubehörde: Im
Bereich des Schallschutzes müssen Terrassen und Balkone nicht mehr extra
vor Lärm geschützt werden. Das allein könne bei einem Neubauprojekt je nach
Größe eine sechs- bis siebenstellige Summe einsparen. Und: In Zukunft sei
es bei Neubauten wohl auch wieder möglich, ohne Müll- und Fahrradräume zu
planen; Müll und Fahrräder müssen dann freilich wieder anderswo
unterkommen, „das macht natürlich was mit dem Stadtbild“, so Bewernitz.
Fünf Ressorts und der Bürgermeister waren beteiligt an der
Senatskommission, die im Oktober 2024 ihre Arbeit aufgenommen hat: Neben
Bausenatorin Özlem Ünsal auch Bremens Sozialsenatorin, die
Wirtschaftssenatorin sowie der Finanzsenator und die Umweltsenatorin. Ünsal
lobt die ressortsübergreifende Zusammenarbeit, die Kooperation, das gute
Miteinander. Doch bei der Pressekonferenz sitzen nur Vertreter*innen
von Bau- und Finanzbehörde.
Dafür sind auch zwei Vertreter*innen der privaten Bauwirtschaft
zugegen. Sie geben sich weitgehend zufrieden mit dem Erreichten: „Wir haben
uns mit acht Leuten in der Arbeitsgruppe eingebracht“, sagt Peter Sakuth
von der Arbeitsgemeinschaft Freier Wohnungsbau. „Optimal eingebracht, muss
ich sagen. Wir sehen, welche Spuren wir hier hinterlassen.“ Das Bauressort
lobt er sehr für die Bereitschaft, alles auf den Prüfstand zu stellen.
Die anderen Ressorts, deutet er an, seien nicht ganz so willig gewesen.
Immer noch gebe es Probleme, die nicht hätten geklärt werden können, etwa
in Bezug aufs Solargesetz. „Und das, obwohl die Fakten alle da sind.“ Im
Bericht selbst ist das Solargesetz nicht als strittig vermerkt – nur als
„noch zu behandeln“.
Davon gibt es einige Maßnahmen im sogenannten „Themenspeicher“ des
Arbeitskreises. Nur eine einzige Maßnahme ist tatsächlich als „strittig“
eingestuft, optisch rot hervorgehoben: Das Umweltressort hatte die neue
Baumschutzverordnung erst diesen Sommer verabschiedet – da will man nun
nicht gleich wieder davon abrücken. Aber offenbar will auch die Baubehörde
– oder die Baulobby im Gremium – an diesem Punkt nicht kleinbeigeben: Vor
einem Bauvorhaben alle Bäume zu kartieren und in ihrer Schutzwürdigkeit zu
beurteilen, sei viel zu aufwendig.
Was noch völlig fehlt im Bericht, ist ein Blick auf Baustandards bei
Bestandsgebäuden. Dabei hätte das auch vom Umweltressorts als Erfolg
verbucht werden können: Die Umnutzung und der Umbau von Bestandsgebäuden
ist viel weniger umwelt- und klimaschädlich als ein Neubau. Der
Abschlussbericht, so betont allerdings Ünsal auch, sei eigentlich „der
erste Auftakt des Bremer Wegs.“
5 Nov 2025
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## AUTOREN
DIR Lotta Drügemöller
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