# taz.de -- Diskussion um Abschiebungen nach Syrien: Merz will abschieben und einladen
> Kanzler Merz hat sich für Abschiebungen nach Syrien ausgesprochen – und
> den syrischen Übergangspräsidenten eingeladen. Linke und Grüne sind
> entsetzt.
IMG Bild: Harasta, 30. Oktober: Straßenszene in einem durch den Bürgerkrieg zerstörten Stadtteil von Damaskus
taz/afp | Nachdem sich auch Bundeskanzler Friedrich Merz zu Abschiebungen
nach Syrien eingelassen hat, äußern Opposition und Hilfsorganisationen ihr
Befremden über die Debatte. Merz war am Montagabend seinem
Bundesaußenminister und Parteikollegen Johann Wadephul [1][in den Rücken
gefallen], der öffentlich bezweifelt hatte, dass Abschiebungen nach Syrien
möglich seien.
Merz sagte, es gebe für Syrer*innen „keinen Grund für Asyl mehr“ in
Deutschland, und hatte die Erwartung ausgesprochen, dass viele von ihnen
freiwillig in ihre Heimat zurückkehren werden. Wer sich jedoch weigere, den
könne man „selbstverständlich auch in Zukunft abschieben.“ Aktuell finden
keine Abschiebungen nach Syrien statt, allerdings arbeitet das
Innenministerium nach eigener Aussage daran, diese zunächst für Straftäter
zu ermöglichen. Die meisten Syrer in Deutschland haben befristete
Aufenthaltsgenehmigungen und genießen als Bürgerkriegsflüchtlinge
subsidiären Schutz. Zwar sagte Außenminister Wadephul inzwischen, es gebe
keine Differenzen zwischen ihm und Merz, doch die öffentliche Kritik hält
an.
Politiker*innen von SPD, Grünen und Linken hatten sich am Wochenende
erfreut über Wadephuls Aussagen gezeigt und ihn gegen die aufkommende
Kritik aus der CDU in Schutz genommen. So sagte der SPD-Generalsekretär Tim
Klüssendorf, Wadephul habe sich „sehr ausgewogen“ geäußert und klargemacht,
„dass die Dinge nicht so einfach gelagert sind, wie sie manchmal
dargestellt werden“.
Dass nun auch Merz sich deutlich für Abschiebung aussprach, kritisierte am
Dienstag die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor. „Zu glauben, man könnte jetzt
massenhaft abschieben, verkennt die Realität vor Ort“. Sie hatte Wadephul
auf der Reise nach Syrien begleitet. Ihr Parteikollege und innenpolitischer
Sprecher der Fraktion Marcel Emmerich sagte, dass mehr als die Hälfte der
Krankenhäuser in Syrien nicht mehr funktionierten und „dass die
Infrastruktur dann natürlich nach Jahren des Bürgerkrieges vollkommen
zusammengebrochen ist“.
## Al-Scharaa: Erst auf der Terrorliste, jetzt vom Westen hofiert
Cansu Özdemir, außenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, nannte Merz’
Aussagen „verantwortungslos und zynisch“. Der Kanzler versuche „mit dem
Thema Abschiebungen von den sozialen Problemen in Deutschland abzulenken“
und ignoriere die Realität vor Ort. Özdemir warnte davor, den syrischen
Präsidenten Ahmed al-Scharaa in Berlin zu empfangen. Merz hatte eine
entsprechende Einladung ausgesprochen. Dies zeige, „wie wenig der Union
humanitäre Werte bedeuten“, so Özdemir. „Al-Scharaa ist ein Verbrecher, der
nicht von der Bundesregierung hofiert werden darf.“
Al-Scharaa hatte als Anführer der Miliz HTS Ende 2024 die Macht in Syrien
übernommen und den Langzeitdiktator Baschar al-Assad gestürzt. Die Miliz
ist die Nachfolgeorganisation der Al-Nusra-Front, einem Ableger der
dschihadistischen Terrororganisation Al-Qaida. Die Al-Nusra-Front soll
unter anderem an Massakern an Zivilist*innen in Syrien beteiligt
gewesen sein. Auch deshalb stand al-Scharaa lange auf Terrorlisten der USA.
Seit seiner Machtübernahme gibt er sich gemäßigt und [2][wird vom Westen
teils hofiert]. Unter seiner Herrschaft kam es im letzten Jahr aber
mehrmals zu Massakern regierungsnaher Milizen an Mitgliedern verschiedener
Minderheiten, teils mit hunderten Toten.
Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl äußerte Kritik. Deren Sprecher
Tareq Alaows sprach von „14 Jahre Krieg, zerstörten Infrastrukturen,
humanitärer Not und fehlender Sicherheit“ in Syrien. „Und Unionspolitikern
fällt wieder einmal nichts anderes ein, als Abschiebungen zu fordern.“
Damit stoße die Union „Hunderttausende vor den Kopf, die sich längst
unserer Gesellschaft zugehörig fühlen.“
4 Nov 2025
## LINKS
DIR [1] /Streit-innerhalb-der-CDU/!6126806
DIR [2] /Syrische-Parlamentswahlen/!6115325
## AUTOREN
DIR Frederik Eikmanns
## TAGS
DIR Schwerpunkt Syrien
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Abschiebung
DIR Kanzler Merz
DIR Social-Auswahl
DIR Syrischer Bürgerkrieg
DIR Abschiebung
DIR Johann Wadephul
DIR Johann Wadephul
DIR Johann Wadephul
DIR Schwerpunkt Syrien
DIR Asylpolitik
DIR Schwerpunkt Syrische Demokratische Kräfte (SDF)
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Debatte über Abschiebungen nach Syrien: Offene Rechnungen
In Syrien herrscht bis in staatliche Truppen hinein Selbstjustiz. Viele
Gruppen wollen Rache. Sicher ist das Land nicht.
DIR Debatte über Abschiebungen: Die Realitätsverweigerer der Union
Die Union will von Mahnungen ihres Außenministers zur Lage in Syrien nichts
wissen. Diesen Fehler hat Deutschland schon einmal gemacht.
DIR Abschiebungen nach Syrien: Weiter Wirbel um Wadephul
Johann Wadephul hat einen Vergleich zwischen Syrien und Deutschland 1945
gezogen. Der Außenminister erntet erneut Kritik aus den eigenen Reihen.
DIR Abschieben in ein zerstörtes Land: Wadephul sorgt mit weiterer Syrien-Äußerung für Aufregung
Der Außenminister hat mit einer Äußerung in Syrien für Irritationen in den
eigenen Reihen gesorgt. Nun legt er nach: mit einem Vergleich mit 1945.
DIR Merz und der Unionsstreit um Syrien: Schon wieder viel zu pauschal
Merz hätte ein Signal an all jene senden können, für die das C in CDU noch
eine Bedeutung hat. Stattdessen wiederholt er erneut einen alten Fehler.
DIR Streit innerhalb der CDU: Merz fällt Wadephul in Syrien-Diskussion in den Rücken
Die Kritik an Außenminister Wadephul hält an. Jetzt widerspricht ihm auch
Kanzler Merz und sagt, man werde Syrer „selbstverständlich“ abschieben.
DIR Abschiebedebatte um Syrer*innen: Unwürdig und unrealistisch
Die Debatte um eine „Rückführung“ ist völlig irregeleitet. Es ist praktisch
unmöglich, Hunderttausende Schutzzusagen noch einmal zu überprüfen.
DIR Gewalt in Syrien: In Aleppo schweigen die Waffen wieder
Nach einem Tag sind die Gefechte zwischen den kurdischen Kämpfern und
Regierungstruppen wieder beendet. Die Bevölkerung hofft auf die „Sprache
des Dialogs“.