# taz.de -- Neues Medium in Österreich: „Jetzt“ will Journalismus neu erfinden
> Nach holpriger Kampagne ist das neue Medium „Jetzt“ mit 5.900 zahlenden
> Mitgliedern gestartet. Ob sich das Konzept durchsetzen kann, bleibt
> abzuwarten.
IMG Bild: Jetzt-Chefredakteurin Hatice Akyün
Nach über einem Jahr Kampagne ist am Dienstag das neue österreichische
[1][Onlinemedium Jetzt] gestartet. Auf der Website sowie in der App soll es
einen morgendlichen Nachrichtenüberblick sowie ein bis zwei größere Texte
geben. Die rund 5.900 „Mitglieder“, so heißen die Abonnenten, haben die
Katze im Sack gekauft: Zu den inhaltlichen Schwerpunkten war bis zuletzt
nichts bekannt.
An den Start ging Jetzt mit zwei Texten: Einer Recherche des
Investigativjournalisten [2][Christo Grozev] über einen mutmaßlichen
russischen Agenten, der eine österreichische Firma zur Aufbereitung von
Trinkwasser ausspioniert haben soll. Und einer Abhandlung zur Frage: „Lohnt
es sich, Kinder zu kriegen?“ Dienstagfrüh erschien zudem der erste
„Morgenüberblick“, der über die wichtigsten Themen des Tages informieren
soll.
Chefredakteurin Hatice Akyün, zuvor freie Journalistin und
[3][Tagesspiegel-Kolumnistin], sagt: „Wir wollen Orientierung bieten und
ein sicherer medialer Hafen sein.“ Wichtig sei der Austausch mit der
Community. Alle Texte werden außerdem vom jeweiligen Autor selbst
vorgelesen. „Jetzt hat keine Chronistenpflicht, sondern will eigene
Schwerpunkte setzen“, sagt Geschäftsführer Florian Novak, der bereits zwei
Privat-Radiosender in Wien gegründet hat.
Das Modell ist erfolgserprobt: Erklärtes Vorbild ist das dänische Medium
[4][Zetland], das 2012 mit demselben Konzept gegründet wurde und
mittlerweile über 50.000 Mitglieder hat. Als „Technologiepartner“ bezahlt
Jetzt eine Art Franchisegebühr für den Österreich-Ableger der App. Bereits
zum Start stehen alle Texte hinter einer Paywall – Kostenpunkt: 18 Euro pro
Monat.
Österreich gilt als hoch konzentrierter und schwieriger Medienmarkt. Dies
liegt an der Stärke altgedienter Medienhäuser wie ORF und Kronen Zeitung,
aber auch an staatlichen Förderungen, die etablierte Player bevorzugen.
## Zähe Mitgliedersuche
Auch die ersten Monate bei Jetzt waren holprig: Die Mitgliedersuche lief
zäh, trotz Werbung, vieler Prominenter und wohlwollender Berichterstattung.
Die Kampagne wäre beinahe gescheitert und musste verlängert werden. In der
Eigenwerbung verstieg sich Jetzt zu fragwürdigen Methoden: In einem Video,
das die App vorstellen sollte, wurde ein Text der US-Journalistin Anne
Applebaum gezeigt – versehen mit dem Namen „Lukas Hofer“. Als
Profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer [5][dies aufdeckte], reagierte die
Redaktion patzig: „Hätte uns auffallen sollen. Bitte tun Sie aber nicht so,
als hätte Jetzt ein Plagiat publiziert.“
Schwierig war auch die Suche nach einer Redaktionsspitze. [6][Elisalex
Henckel-Donnersmarck], zuvor Chefredakteurin des Wiener Magazins DATUM,
stieg kurz vor dem geplanten Launch wieder aus. Der Start verzögerte sich,
erst Ende September gab Jetzt die neue Chefredakteurin Akyün bekannt.
Die zwölfköpfige Redaktion sitzt im Wiener Funkhaus, wo bis vor wenigen
Jahren die ORF-Radios Ö1 und FM4 ansässig waren – ein selbstbewusstes
Statement. Kämpferisch auch Novaks Ansage zum Kampagnenstart: „Wenn es
seriösen Journalismus nicht mehr gibt, muss man ihn neu erfinden.“
Laut eigenen Angaben bezieht Jetzt eine Förderung der Stadt Wien, auch
anderen Förderungen zeigt sich Novak aufgeschlossen. Langfristig will sich
das Medium ausschließlich über seine Mitglieder finanzieren. „Die Redaktion
muss wachsen, um den Workload zu stemmen“, sagt Novak. Die knapp 6.000
Mitglieder zum Start seien bloß das Fundament dafür.
4 Nov 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.jetzt.at/
DIR [2] https://www.zeit.de/2025/12/christo-grozev-investigativjournalist-wladimir-putin-flucht-wien
DIR [3] https://www.tagesspiegel.de/autoren/hatice-akyun
DIR [4] https://www.zetland.dk/
DIR [5] https://x.com/anna_thalhammer/status/1939382266754474000
DIR [6] https://www.profil.at/gesellschaft/was-ist-jetzt-frau-henckel-donnersmarck/403049179
## AUTOREN
DIR Florian Bayer
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