# taz.de -- Triage-Regel: Jede Lösung wäre empörend
> Wer bekommt bei Pandemien das letzte Bett in der Intensivstation? Das
> Bundesverfassungsgericht überlässt es den Ländern, darüber zu
> entscheiden.
IMG Bild: Wer wird bei einer Überlastung des Gesundheitswesens behandelt und wer nicht?
Es geht um Fragen von Leben und Tod. Wer wird bei einer Überlastung des
Gesundheitswesens behandelt und wer nicht? Das Bundesverfassungsgericht hat
darauf nun eine extrem profane Antwort gegeben: Das [1][entsprechende
Gesetz] durfte nicht der Bundestag beschließen. Also sind jetzt die
Landtage zuständig.
Die Karlsruher Entscheidung kommt überraschend. Während der Gesetzgebung
vor drei Jahren zweifelte fast niemand an der Zuständigkeit des Bundestags,
der damals ohnehin regelmäßig das Infektionsschutzgesetz änderte. Auch die
klagenden Ärzt:innen des Marburger Bunds rügten nicht die fehlende
Kompetenz des Bundestags, sondern einen unverhältnismäßigen Eingriff des
Bundes in ihre Therapie- und Berufsfreiheit.
Die Karlsruher Argumentation ist aber überzeugend: Wenn es keine
ausdrückliche Bundeskompetenz gibt, dann sind eben die Länder zuständig –
auch wenn das wie meist im Föderalismus nicht zweckmäßig ist und zu
unnötiger Rechtszersplitterung durch 16 Landesgesetze führt.
Enttäuschend ist, dass sich das Gericht auf die Kompetenzfragen beschränkte
und die eigentliche verfassungsrechtliche Kritik der Ärzt:innen
ignorierte. Offen bleibt, ob eine sogenannte Ex-Post-Triage verboten werden
darf oder sogar muss. Das ist die tragische Konstellation, wenn alle
Beatmungsgeräte belegt sind und Patient:innen eingewiesen werden, die
eine bessere Überlebenswahrscheinlichkeit haben als bereits beatmete
Kranke. [2][Wer bekommt die knappen Plätze] auf der Intensivstation? Wer
zuerst erkrankt ist? Oder wer eher überlebt?
Die Länder können nur rätseln, was die Karlsruher Schweigsamkeit bedeutet:
Konnten sich die Richter:innen nicht einigen? Im Zweifel gilt das Wort
der Richter:innen aus einer früheren Entscheidung von 2021, dass der
Gesetzgeber in diesen Fragen einen „weiten Gestaltungsspielraum“ hat. Nicht
alles, was man empörend findet, ist auch verfassungswidrig. Das gilt
insbesondere in Situationen, die deshalb tragisch sind, weil jede Lösung
empörend ist.
4 Nov 2025
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## AUTOREN
DIR Christian Rath
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