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       # taz.de -- CDU-Affäre um Antisemitismusprojekte: „Das ist hoch kriminell, was da passiert“
       
       > Der Vorsitzende der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus
       > kritisiert die Mittelvergabe des Senats. Etablierte Vereine blieben auf
       > der Strecke.
       
   IMG Bild: Antisemitismusprävention braucht jeden Euro
       
       Während [1][Millionen Euro an Fördergeldern gegen Antisemitismus offenbar
       irregulär vergeben wurden], sind langjährige Projekte von mangelnder
       Finanzierung betroffen. Die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus
       (Kiga) ist eine davon. Die taz im Gespräch mit Dervis Hizarci, dem
       Vorsitzenden des Vereins. 
       
       taz: Herr Hizarci, ihr Verein macht Workshops an Schulen, Fortbildungen für
       Lehrkräfte und fördert Dialogformate zwischen Muslim:innen und
       Jüd:innen. Wie sieht es mit der Finanzierung aus? 
       
       Dervis Hizarci: Wir sind auf jeden Fall von Kürzungen betroffen, zwei
       Kolleginnen mussten wir bereits ziehen lassen. Aber das wird leider nicht
       ausreichen. Wir müssen diesen Monat in kleinere Büroräume umziehen, weil
       wir uns die Raummiete nicht mehr leisten konnten. Ab Januar werden wir das
       Angebot an Schulen in einem deutlich geringerem Umfang anbieten können. Die
       sogenannte Praxisstelle wurde eingestampft. Das liegt daran, dass uns die
       Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie komplett die Förderung
       gestrichen hat. Obwohl wir eine zentrale Anlaufstelle für Antisemitismus
       sind, die sich über Jahre etabliert, Strukturen aufgebaut und Netzwerke
       ausgebaut hat. Momentan werden wir auf Landesebene nur noch von der
       Sozialverwaltung unterstützt.
       
       taz: Im Rahmen der 10 Millionen Euro-Förderung für Projekte gegen
       Antisemitismus wurde ein Sondertopf über 3,4 Millionen Euro für Projekte
       mit besonderer Bedeutung eingerichtet. Wussten Sie von diesen
       Fördermöglichkeiten und hat sich Ihr Verein darauf beworben? 
       
       Hizarci: Ja, wir haben uns immer beworben, seitdem diese Töpfe existieren,
       beziehungsweise seitdem klar ist, dass es dort Gelder zur Bekämpfung von
       Antisemitismus gibt. Insgesamt haben wir uns sogar dreimal beworben – eine
       Förderung haben wir aber nie erhalten. Das erste, was für uns fragwürdig
       war, dass auf einmal die Kulturverwaltung mit dieser Aufgabe betraut wurde.
       Als dann auch noch mit Joe Chiallo ein ganz neuer, unerfahrener Senator das
       Haus führen sollte, war klar, das wird nie gut funktionieren.
       
       taz: Es wurden Gelder an Projekte vergeben, die nicht vollständig geprüft
       wurden und gegen die es massive Widerstände aus der Verwaltung gab. Wie
       bewerten Sie das? 
       
       Hizarci: Das ist skandalös – in mehrfacher Hinsicht. Es ist nicht zu
       akzeptieren, dass das Thema Antisemitismus für solche Geschichten
       instrumentalisiert wird. Und zwar bewusst. Manche in der CDU erhoffen sich
       da offenkundig einen Freifahrtschein, weil das Thema so unberührbar
       erscheint. Zum anderen ist es skandalös, weil wir es mit einem rasant
       steigenden Antisemitismus zu tun haben. Das belegen inzwischen alle Zahlen,
       gleich ob von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)
       oder staatlich erfasste Zahlen wie von der Polizei. Auch die Rückmeldungen
       von den jüdischen Communities sind, dass sie sich Sorgen machen und nicht
       sicher fühlen. Wir brauchen also jeden Euro im Kampf gegen Antisemitismus.
       Alle Projekte sind kurzfristig. Wir brauchen Gelder die in nachhaltige
       Strukturen fließen. Aber stattdessen werden tausende Euros einfach
       verschenkt: und zwar nicht an Projekte oder Organisationen, die deutlich
       machen, dass sie die Zielgruppen erreichen, die man erreichen muss. Die von
       der CDU begünstigten sind keine Organisationen, von denen man weiß, bei
       ihnen gibt es eine wissenschaftliche Gründlichkeit. Es gibt keine
       jahrelange Expertise, die sich durchgesetzt hat. Also das Geld wird, das
       muss man so klar sagen, verpulvert.
       
       taz: Einige der geförderten Projekte, unter anderem eine Immobilienfirma,
       [2][haben zumindest nicht offensichtlich etwas mit Antisemitismus zu tun].
       Sind Ihnen die geförderten Projekte bekannt? 
       
       Hizarci: Von einigen habe ich etwas gehört, von anderen nicht. Eine
       Immobilienfirma, die ganz offensichtlich nichts mit dem Kampf gegen
       Antisemitismus zu tun hat: Noch verrückter geht es gar nicht. Das ist
       hochkriminell, was da passiert sein soll. Die Zivilgesellschaft und die
       Organisationen, die wirklich in dem Bereich arbeiten, sind die
       Leidtragenden von so einem – man möchte fast sagen – korrupten System. Das
       Augenmerk muss hier bei den politischen Verantwortlichen liegen, ob im
       Parlament, den Fraktionen oder in den Behörden, ob noch aktiv im Amt oder
       schon ausgeschieden. Sie müssen überprüft werden und sich verantworten –
       und zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn sich das bewahrheiten sollte,
       dass das alles so passiert ist, wie es im Moment aussieht, müssen sie
       bestraft werden. Als jemand, der auch schon mal in einer Verwaltung
       gearbeitet hat, weiß ich: Es gibt Vorgaben, es gibt Zuwendungsrecht, es
       gibt transparente, demokratische, rechtsstaatliche Standards, die man
       einhalten muss. Das wurde außer Acht gelassen. Und damit ist das natürlich
       auch ein riesiger Schaden für die Demokratie entstanden.
       
       6 Nov 2025
       
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