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       # taz.de -- Bahnfahren in der Ukraine: 3.000 Kilometer für lau
       
       > Mit dem Programm UZ-3000 sollen alle Ukrainer 3.000 Bahnkilometer
       > geschenkt bekommen. So will man Züge besser auslasten. Das Programm ist
       > umstritten.
       
   IMG Bild: Bitte einsteigen: Die ukrainische Regierung plant, ihren Bürgerinnen und Bürgern 3000 Bahnkilometer zu schenken
       
       Die ukrainische Regierung plant, ihren Bürgerinnen und Bürgern 3.000
       kostenlose Bahnkilometer zu schenken. Das kündigte Präsident Wolodymyr
       Selenskyj Anfang des Monats an. Das Programm mit dem Namen UZ-3000 sieht
       vor, dass ukrainische Staatsbürger kostenlos bis zu 3.000 Kilometer mit der
       Bahn reisen können – auf Strecken ihrer Wahl innerhalb der Landesgrenzen.
       So will man Menschen den Zugang zu anderen Regionen erleichtern und die
       Mobilität trotz der kriegsbedingten Herausforderungen im Alltag stärken.
       
       Wenig später stellte Serhij Leschtschenko, stellvertretender Vorsitzender
       des Aufsichtsrates der [1][ukrainischen Bahngesellschaft Ukrzaliznytsia],
       allerdings klar, dass es bei der Umsetzung des 3.000-Kilometer-Programms
       durchaus Einschränkungen geben werde. Zusätzliche Haushaltsmittel seien
       jedoch nicht erforderlich, da das Programm vor allem in Zeiten schwächerer
       Mobilität – etwa im November – eingesetzt werden solle. Es gelte nicht für
       alle Fernverkehrszüge und könne zum Beispiel auch nicht an Feiertagen oder
       Wochenenden genutzt werden.
       
       Ziel von UZ-3000 sei es, freie Kapazitäten, die in manchen Monaten bis zu
       700.000 unverkaufte Tickets betragen, zu nutzen. Nach Bahn-Angaben reisen
       in den Sommermonaten durchschnittlich 2,6 Millionen Fahrgäste pro Monat,
       während es außerhalb der Saison nur etwa 1,9 Millionen sind. Von dem
       Programm sollen künftig vor allem jene Reisenden profitieren, die zeitlich
       flexibel sind und ihre Fahrten auf weniger ausgelastete Zeiträume verlegen
       können. Die ukrainische Eisenbahn verspricht sich davon eine gleichmäßigere
       Auslastung.
       
       Zu verschenken hat Ukrzaliznytsia wirklich nichts. Serhij Leschtschenko
       beziffert die Nettoverluste der Bahn in den ersten neun Monaten 2025 auf
       fast 7,2 Milliarden Hrywnja (150 Millionen Euro).
       
       ## Kontroverse Diskussionen
       
       In der ukrainischen Gesellschaft wird UZ-3000 kontrovers debattiert.
       Kateryna Zagoriy von der Katholischen Universität in Lwiw unterstützt diese
       Initiative von Selenskyj. Viele Menschen hätten eine Hemmschwelle, die
       Eisenbahn zu nutzen, schreibt sie auf Facebook. Diese könnte mit dem
       Programm überwunden werden. Langfristig hätte die Bahn so neue Kunden
       hinzugewonnen. Reisen kurble die Wirtschaft an. Wer reise, gebe auch Geld
       für Cafés, Hotels und andere Leistungen vor Ort aus, argumentiert sie.
       
       Das Hauptargument der Kritiker lautet, dass gezielte Unterstützung für
       besonders bedürftige Bürger Vorrang haben sollte, wenn man der Bevölkerung
       gerade in den Wintermonaten helfen möchte. Geschenke an alle würden
       hingegen als populistisches Vorgehen und Verschwendung von Steuergeldern
       bewertet.
       
       Einer der Kritiker ist der ukrainische Investmentbanker, Finanzexperte und
       Publizist Serhij Fursa. „Churchill wäre entsetzt gewesen, wenn man ihm 1943
       vorgeschlagen hätte, die britische Eisenbahn kostenlos zu machen und dieses
       ‚Glück‘ aus dem Staatshaushalt eines Landes zu bezahlen, das sich im Krieg
       befindet“, so Fursa.
       
       Und Wirtschaftsexperte Sergi Martschenko meint, es wäre ein Irrtum zu
       glauben, 3.000 kostenlose Kilometer seien wirklich kostenlos. Bezahlen
       müsse diese der Steuerzahler. Und Ilja Neschodowski, Leiter des
       Analysebereichs des „Netzwerks zum Schutz nationaler Interessen, ANTS“,
       glaubt nicht, dass man in einem Zug, in dem 40 Prozent zahlende Fahrgäste
       sind, 60 Prozent der Plätze verschenken könne. Früher oder später werden
       auch die 40 Prozent nicht bezahlen, glaubt er.
       
       ## Vorwurf: Populismus
       
       „3.000 Kilometer Populismus“ betitelt das Portal espreso.tv einen Artikel
       zum Thema. Neu sei die Idee von Geschenken an das Volk nicht, meint
       espreso.tv und erinnert an die [2][frühere Premierministerin Julia
       Tymoschenko]. Die hatte 2008 den Bürgerinnen und Bürgern eine Entschädigung
       für die in der Sowjetzeit verlorenen Spareinlagen von 1.000 Hrywnja, damals
       etwas 130 Euro, versprochen.
       
       Unter [3][Ex-Präsident Petro Poroschenko] habe die Regierung insbesondere
       vor den Präsidentschaftswahlen Renten erhöht, bedürftige Bürgerinnen und
       Bürger hatten Sonderzahlungen erhalten, erinnert espreso.tv.
       
       6 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
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