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       # taz.de -- Rechtsstreit in Berlin: Milliardär gegen Journalist
       
       > Ein in Berlin lebender Journalist aus Vietnam sagte, ihm sei Geld geboten
       > worden, damit er kritische Artikel über den Autohersteller Vinfast
       > lösche.
       
   IMG Bild: VinFast Motorroller in Saigon
       
       Dem von Berlin aus publizierenden vietnamesischen Journalisten [1][Trung
       Khoa L][2][ê] wurde nach eigenen Angaben zwischen Sommer 2019 und Anfang
       2023 von drei Vietnamesen Geld für die Löschung kritischer Artikel über den
       [3][Autokonzern Vinfast] angeboten, die er in dem Exilmedium [4][Thoibao]
       veröffentlicht hatte. Sie erklärten, für VinFast zu handeln.
       
       Der vietnamesische Autokonzern und sein Chef Pham Nhat Vuong wiesen das
       entschieden zurück; das Landgericht Berlin untersagte [5][L][6][ê] am
       Dienstag, diese Verbindung zu behaupten, da sie nicht belegt sei. Bei
       Zuwiderhandlung drohen ihm 250.000 Euro Ordnungsgeld oder sechs Monate
       Haft.
       
       Lê gilt mit seinem digitalen Exilmedium Thoibao („Die Zeit“) wegen
       kritischer Insiderberichte aus Vietnams Einparteiensystem als Staatsfeind.
       Er steht in Berlin wegen Drohungen gegen seine Person unter dem Schutz des
       Landeskriminalamts. Bei dem gab er nach eigenen Angaben auch die drei
       mutmaßlichen Bestechungsversuche zu Protokoll.
       
       Der 53-jährige Lê hatte der Zivilkammer des Berliner Landgerichts eine
       eidesstattliche Versicherung vorgelegt, in der er die Bestechungsversuche
       beschreibt. In einer anderen dem Gericht vorliegenden eidesstattlichen
       Versicherung erklärte ein Konzernvertreter, dass er und sein Konzern mit
       Bestechung nichts zu tun und niemanden beauftragt hätten.
       
       ## Vingroup geht weltweit gegen kritische Berichterstattung auf
       Vietnamesisch vor
       
       Vượng und Vinfast Deutschland hatten am 2. Oktober eine einstweilige
       Verfügung bei Gericht beantragt, die es Lê verbieten sollte, Aussagen über
       Bestechungsversuche von Vinfast zu treffen. Das Urteil von Dienstag bezog
       sich darauf. Auch andere für den Konzern und seinen Gründer rufschädigende
       Vorwürfe zu machen sollte Lê mithilfe der einstweiligen Verfügung untersagt
       werden.
       
       Diese wertete das Gericht hingegen als zulässige Meinungsäußerungen. So zum
       Beispiel die von Lê geäußerte Sorge, Vinfast könnte vielleicht gewaltsam
       gegen ihn vorgehen, und die Aussage, der Konzern sei eine „mafiaähnliche
       Filzokratie“, die Vietnams Bevölkerung den Mund verbieten wolle.
       
       Den Eilantrag hatte Vinfast erst gestellt, nachdem Thoibao über eine
       Abmahnung des Mutterkonzerns Vingroup gegen Lê berichtet hatte. Das war im
       September. Lê stellte die Abmahnung gegen ihn als einen Fall von „David
       gegen Goliath“ dar, verweigerte die von ihm geforderte Erklärung und bat
       öffentlich um Spenden für seine Anwaltskosten.
       
       Lê ist nur ein Fall von 68 auf Vietnamesisch publizierenden Journalisten
       und Bloggern in und außerhalb des südostasiatischen Landes, an dessen
       Berichten sich Vượng, Vingroup und Vinfast stören und gegen die sie
       deswegen bereits Abmahnungen ausgesprochen haben. Gegen Berichte in anderen
       Sprachen als Vietnamesisch gehen sie aber bisher nicht vor.
       
       ## Es wirkt, als würde der Milliardär Vượng von der Kommunistischen Partei
       Vietnams protegiert
       
       Vingroup ist Vietnams größtes privates Konglomerat und in den Bereichen
       Immobilien, Tourismus, Handel, Industrie, Medizin und Transport aktiv. Der
       Konzern hatte 2024 67.300 Mitarbeiter, 7,3 Milliarden Dollar Umsatz und
       [7][laut] [8][manchen Medien] [9][31 Milliarden Dollar
       Schul][10][d][11][en]. Laut Vingroup 10,7 Milliarden. Im Juli gab die
       Deutsche Bank Vinfast einen Kredit von 510 Millionen Dollar.
       
       Die erst 2017 gegründete Autosparte Vinfast mit Schwerpunkt E-Mobilität ist
       ein nationales Prestigeprojekt, jedoch stark defizitär. Die sechs Showrooms
       in Deutschland wurden laut einem [12][Medienbericht] wieder geschlossen,
       Pläne für eine Autofabrik in Deutschland nicht weiter verfolgt. Das galt
       auch für eine Fabrik in den USA.
       
       Vinfast wird von anderen Konzerntöchtern sowie von Vượng persönlich quer
       finanziert. Der verdiente seine erste Million in der Ukraine mit
       Instantnudeln, bevor er in Vietnam ins Immobiliengeschäft wechselte. Heute
       ist in Vietnams Großstädten das höchste Gebäude meist eines der Vingroup,
       ebenso sind Vinfasts Autos und Motorräder im Stadtbild nicht zu übersehen.
       
       Es wirkt, als würde Vượng von der alleinregierenden Kommunistischen Partei
       protegiert. Auf wundersame Weise verschwinden kritische Berichte über seine
       Firmen von den Webseiten staatlicher Medien und privater Facebook-Profile.
       Wer sich kritisch über das Konglomerat äußert, wird oft unter Druck
       gesetzt, seine Posts zu löschen. Als die [13][Financial Times] im Sommer
       2019 zu diesen Praktiken des Konzerns recherchierte, wollten sich viele
       dazu nicht namentlich zitieren lassen.
       
       ## Auch soziale Medien werden in Vietnam immer stärker zensiert
       
       Schon kurz nachdem Vingroup seine 68 Abmahnungen verschickt hatte, meldete
       das staatliche Medium [14][Vietnamnet] 50 gelöschte Beiträge und einige
       Entschuldigungen. Ein [15][Bericht] zitierte den Leiter einer
       Zensurbehörde, der Vingroup für zivilrechtlichen Fortschritt lobte.
       Kritiker würden nicht kriminalisiert. Das war früher oft üblich. Als
       abschreckendes Beispiel nannte er eine Getränkefirma. Als ein Mann in
       seiner Flasche eine Fliege fand und von der Firma Entschädigung forderte,
       wurde er wegen Erpressung zu sieben Jahren Haft verurteilt.
       
       Das 2008 in Berlin gegründete Nachrichtenportal Thoibao versteht sich als
       Gegenöffentlichkeit zu den in Vietnam zensierten Medien und hat mit 20
       Mitarbeitern rund 20 Millionen Zugriffe im Monat, davon 95 Prozent aus
       Vietnam. Die Zugriffe auf die boulevardartige, aber trotzdem investigative
       Berichterstattung der Seite nehmen weiter zu, seit die Regierung von Donald
       Trump den US-Auslandssendern Voice of America oder Radio Free Asia die
       Mittel auch für die vietnamesischsprachigen Programme gestrichen hat.
       
       Facebook, wo Thoibaos Hauptkonto 1,2 Millionen Follows hat, war bisher die
       Haupteinnahmequelle. Hinzu kam in kleinem Maß auch Youtube. Wegen der
       mangelnden Glaubwürdigkeit der offiziellen Medien ist Facebook in Vietnam
       die wichtigste Informationsquelle. [16][D][17][och] [18][wird] [19][es
       immer stärker] [20][zensiert.]
       
       Für das 3. Quartal 2025 meldete die Zensurbehörde laut [21][Asia Times] die
       Löschung von 10.713 Facebook-Posts, 705 Youtube-Videos und 798
       Tiktok-Clips. Das sei jeweils in mindestens 92 Prozent der Fälle innerhalb
       von 12 Stunden geschehen. Für unliebsame Beiträge in sozialen Netzwerken
       drohen auch Haftstrafen.
       
       ## Cyberangriffe gegen Thoibao
       
       Thoibaos Webseiten werden immer wieder gehackt oder mit sogenannten
       DDOS-Angriffen lahmgelgt. Vietnams Cyberpolizei mit ihren 10.000
       Mitarbeitern nutzt immer wieder Tricks, um Thoibaos Social-Media-Seiten
       sperren zu lassen. So wurde Lê schon ohne sein Wissen als vermeintlicher
       Webmaster für Seiten registriert, die gegen Community-Standards verstießen.
       Daraufhin sperrte Facebook alles unter seinem Namen. Ihm wurden bei Youtube
       Copyright-Verletzungen angehängt und er wurde für tot erklärt. Bei derlei
       Schikanen dauert es für Lê oft Wochen ohne Einnahmen, um die sozialen
       Netzwerke von seiner Unschuld zu überzeugen. Laut Lê betragen Thoibaos
       Monatseinnahmen bei Facebook derzeit nur noch bei 500 statt 20.000 Euro.
       
       Vingroups Klagen und Abmahnungen ergänzen jetzt die Internetzensur in
       Vietnam, das in der aktuellen [22][Rangliste] [23][der Pressefreiheit von
       Reporter ohne Grenzen] auf Rang 173 von 180 Ländern liegt. Laut Vingroups
       Anwalt könne man den Konzern doch nicht für die Zensur im Land
       verantwortlich machen. Thoibaos Anwalt sieht die Klagen gegen seinen
       Mandanten dagegen als Versuch eines „Milliardärs, die Justiz demokratischer
       Staaten zu missbrauchen, um Pressezensur im vietnamesisch-sprachigen
       Internet weltweit herzustellen.“
       
       7 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Vietnamesischer-Journalist-in-Berlin/!5825405
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   DIR [4] https://thoibao.de/
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   DIR [7] https://asiatimes.com/2025/08/vingroups-debt-driven-empire-on-shaky-global-ground/
   DIR [8] https://asiatimes.com/2025/08/vingroups-debt-driven-empire-on-shaky-global-ground/
   DIR [9] https://asiatimes.com/2025/08/vingroups-debt-driven-empire-on-shaky-global-ground/
   DIR [10] https://asiatimes.com/2025/08/vingroups-debt-driven-empire-on-shaky-global-ground/
   DIR [11] https://asiatimes.com/2025/08/vingroups-debt-driven-empire-on-shaky-global-ground/
   DIR [12] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/vinfast-e-auto-vietnam-100.html
   DIR [13] https://www.ft.com/content/84323c32-9799-11e9-9573-ee5cbb98ed36
   DIR [14] https://vietnamnet.vn/en/vingroup-fights-back-over-50-channels-delete-false-claims-2441367.html
   DIR [15] https://www.thevietnamese.org/2025/10/vingroups-civil-lawsuits-highlight-shifts-in-viet-nams-legal-culture/
   DIR [16] /Internetzensur-in-Vietnam/!6052311
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   DIR [19] /Internetzensur-in-Vietnam/!6052311
   DIR [20] /Internetzensur-in-Vietnam/!6052311
   DIR [21] https://asiatimes.com/2025/10/metas-vietnam-playbook-comply-delete-and-keep-quiet/
   DIR [22] https://media.reporter-ohne-grenzen.de/production/5010/01K71GSGYYP4WW1GCS1AJR7T34.pdf
   DIR [23] https://media.reporter-ohne-grenzen.de/production/5010/01K71GSGYYP4WW1GCS1AJR7T34.pdf
       
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