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       # taz.de -- Nach Wahlen in Tansania: Ostafrikas Ruhepol wackelt
       
       > In Tansania kehrt nach Massenprotesten mit Hunderten Toten wieder Ruhe
       > ein. Die Afrikanische Union kritisiert die jüngsten Wahlen als
       > undemokratisch.
       
   IMG Bild: Zerstörte Busse und Gebäude – das Ergebnis der Proteste gegen den Ausschluss zweier Kandidaten der Opposition in Tansania
       
       taz | Eine Woche nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in
       Tansania, [1][die von gewaltsamen Protesten begleitet wurden], kehrt
       langsam die Normalität zurück in das ostafrikanische Land. Büros und
       Geschäfte, die in vielen Landesteilen geschlossen waren, machen nach und
       nach wieder auf. Seit Dienstag ist die landesweite Ausgangssperre
       aufgehoben. Busse, Taxen und Motorräder verkehren wieder auf den Straßen
       von Daressalam, der Wirtschaftsmetropole am Indischen Ozean, wo fast aller
       Verkehr stillstand.
       
       An den Tankstellen reihen sich nun Schlangen von Fahrzeugen, die betankt
       werden wollen. Doch Treibstoff ist nicht überall vorrätig. Seit Beginn der
       Proteste am Wahltag vergangenen Mittwoch war neben dem Verkehr auch der
       Handel in dem großen Land komplett lahmgelegt. Schulen und Behörden waren
       geschlossen.
       
       Mit rund 98 Prozent der Wählerstimmen wurde [2][Präsidentin Samia Suluhu
       Hassan] am Montag erneut im Amt vereidigt. Doch jetzt hagelt es Kritik. Die
       Regionalorganisation SADC (Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft),
       welcher Tansania angehört und die Wahlbeobachter entsandt hatte, mahnte
       [3][in ihrem vorläufigen Bericht] an, dass die Wahlen nicht den
       demokratischen Standards entsprachen.
       
       Selbst [4][vonseiten der Afrikanischen Union (AU)], die sich nur selten
       negativ über Wahlen in Afrika äußert, heißt es: Die Wahl „entsprach nicht
       den Grundsätzen, normativen Rahmenbedingungen und anderen internationalen
       Verpflichtungen und Standards der Afrikanischen Union für demokratische
       Wahlen.“
       
       ## Brutales Vorgehen gegen Proteste
       
       Über die Zahl der Toten und Verletzten in Folge der brutalen
       Niederschlagung der Proteste gibt es nach wie vor ungenaue Angaben. Die
       Oppositionspartei Chadema sprach zunächst von mehr als 700 Toten. Boniface
       Mwabukuzi, Vorsitzender der tansanischen Anwaltsvereinigung, gibt nun an,
       dass sein Verband nach Recherchen die Zahl auf mehr als 1.000 Tote schätze.
       Die Personalien der Getöteten zu erfassen, sei derzeit jedoch unmöglich.
       
       Der Grund: Das Internet war tagelang abgeschaltet. Die sozialen Medien und
       Nachrichtendienste wie Whatsapp seien noch immer blockiert und die
       Regierung habe den Angehörigen mit harschen Konsequenzen gedroht, wenn sie
       Informationen über vermisste oder getötete Angehörige teilen.
       
       [5][Gegenüber dem britischen Nachrichtensender BBC] erklärte ein Arzt des
       Muhimbili-Krankenhauses in Daressalam, Sicherheitskräfte hätten nachts
       heimlich Leichen und Schwerverletzte aus den Krankenhäusern entführt und an
       einen unbekannten Ort gebracht, damit sie nicht gezählt werden können.
       
       Die wirtschaftlichen Verluste sind hingegen bereits überall sichtbar.
       Preise für Lebensmittel sind in die Höhe geschnellt. Der Benzinpreis hat
       sich fast vervierfacht und liegt derzeit in Daressalam bei rund vier Euro
       pro Liter. Aufgrund der Internetabschaltung konnte die weltweite Auktion
       von Cashewnüssen nicht stattfinden, Tansanias Haupt-Exportprodukt. Die
       Onlineauktion war für den vergangenen Freitag angesetzt und musste
       verschoben werden.
       
       ## Kein regionaler Stabilitätsfaktor mehr
       
       Als Folge internationaler Reisewarnungen und Sicherheitshinweise – das
       deutsche Auswärtigen Amt rät zum Beispiel von nicht notwendigen Reisen ab-,
       blieben auch Touristen fern. Einige Fluggesellschaften hatten ihre Flüge
       nach Tansania zeitweilig ausgesetzt. Tansanias Ministerium für Rohstoffe
       und Tourismus hat am Dienstag erklärt, dass die Touristenattraktionen und
       Nationalparks für internationale Besucher sicher seien. „Frieden und
       Stabilität wurden vollständig wiederhergestellt“, versichert das
       Ministerium in seiner Erklärung.
       
       Mit Sorge schauen unterdessen Menschenrechtler und Aktivisten aus den
       umliegenden Ländern auf Tansania. Das Land galt lange Zeit als
       Stabilitätsfaktor in der Region. Präsidentin Samia Suhulu Hassan galt als
       Frau lange als Hoffnungsträgerin, damit ist es nun vorbei. Nach der
       brutalen Niederschlagung der Proteste in Kenia im Juni und Juli mit weit
       über 60 Toten und den Ereignissen nun in Tansania fürchten vor allem die
       Ugander, dass die dort anstehenden Wahlen im Januar 2026 ebenso blutig
       enden könnten.
       
       Bereits jetzt hat die Regierung des 81-jährigen Yoweri Museveni, der seit
       40 Jahren regiert, in Uganda Vorkehrungen getroffen, um sich die Wahlen zu
       sichern. Der Oppositionskandidat Kizza Besigye war im November vergangenen
       Jahres von Unbekannten im Nachbarland Kenia entführt und gewaltsam nach
       Uganda gebracht worden.
       
       Dort sitzt er seitdem wegen mutmaßlichen Landesverrats im Gefängnis –
       ähnlich wie der tansanische Oppositionsführer Tundu Lissu, Vorsitzender der
       Chadema-Partei, der in Tansania ebenfalls wegen Landesverrats angeklagt
       ist. Beide haben dieselbe Anwältin: die ehemalige Justizministerin Kenias,
       Martha Karua – eine prominente Menschenrechtsanwältin. Auch sie war im Mai
       aus Tansania deportiert worden.
       
       Die Sicherheitsorgane der drei Nachbarländer – Kenia, Tansania und Uganda –
       arbeiten hinsichtlich ihres Machterhalts offenbar eng zusammen. Das rabiate
       Vorgehen der Regierungen gegen die von der unzufriedenen Jugend getragenen
       Massenproteste ist überall dasselbe. Muhoozi Kainerugaba, Ugandas Armeechef
       und Sohn von Präsident Yoweri Museveni, warnt die Ugander auf der
       Onlineplattform X: „Ich sehe, dass das kenianische Virus nach Tansania
       übertragen wurde“, twitterte er und warnte: „Die Ugander sollten sich von
       ihren Nachbarn keine dummen Ideen aneignen. Die Sicherheitsvorkehrungen
       hier sind streng und unerbittlich.“
       
       6 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahlen-in-Tansania/!6125941
   DIR [2] /Nach-den-Wahlen-in-Tansania/!6122806
   DIR [3] https://www.sadc.int/document/preliminary-statement-right-honourable-richard-msowoya-former-speaker-parliament-republic
   DIR [4] https://www.peaceau.org/en/article/preliminary-statement-of-the-african-union-election-observation-mission-to-the-october-2025-general-elections-in-the-united-republic-of-tanzania-the-african-union-election-observation-mission-calls-for-urgent-constitutional-reforms-and-inclusive-politic
   DIR [5] https://www.bbc.com/news/articles/cp97jy3l77xo
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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