URI: 
       # taz.de -- Neuberechnung Zugtrasse Hamburg-Hannover: Neue Gleise durch die Heide
       
       > Hamburg, Hannover und Lüneburg werben für eine neue Zugtrasse. Lohnen
       > würde sich das, zeigt eine neue Rechnung. Niedersachsen ist trotzdem
       > dagegen.
       
   IMG Bild: Protest gegen geplante ICE-Trasse zwischen Hamburg und Hannover: „Dieser Zug hält hier nie!“
       
       Für Norddeutschland unverzichtbar – Hannover, Hamburg und Lüneburg haben
       sich vergangenen Freitag in einem gemeinsamen Appell für eine umstrittene
       neue Zugtrasse zwischen den drei Städten ausgesprochen. Montag kam eine
       weitere positive Nachricht für die Verbindung dazu: Nach einer neuen
       Kosten-Nutzen-Rechnung durch das Bundesverkehrsministerium lohnt sich die
       Zugstrecke auch volkswirtschaftlich stärker als bisher gedacht.
       
       Die vorhandene Trasse zwischen Hamburg und Hannover über Uelzen ist schon
       lange überlastet – laut Angaben der Bahn beträgt die Auslastung aktuell 150
       Prozent. Alles ächzt und quietscht – und kommt zu spät: Der Hamburger
       Hauptbahnhof gehört zu den Bahnhöfen mit den schlimmsten Verspätungen in
       Deutschland.
       
       Seit den Neunzigerjahren gab es Diskussionen um neue Trassen zwischen den
       beiden Städten. Und ebenso lange gibt es Widerstand dagegen: 25
       Bürgerinitiativen bildeten sich entlang der geplanten Strecke durch die
       Nordheide; Angst hat man dort vor Enteignungen, gespaltenen Dörfern und
       Zuglärm. Und der Naturschutzbund in Niedersachsen rechnete vor, wie viel
       wertvolle Natur mit der neuen Trasse zerstört und zerschnitten würde.
       
       2015 raufte man sich nach langen Diskussionen in Bürgerforen zu einem
       Kompromiss zusammen: ein Ausbau der bestehenden Strecke. Nach und nach
       sollten dort weitere Gleise ergänzt werden. Doch so richtig glücklich war
       mit der Lösung keine Seite, vor allem nicht die Bahn. Intern [1][suchte man
       nach Alternativen:] Ein Ausbau, das stellten Gutachten fest, könnte die
       aktuellen Kapazitäten der Bahn nur um 20 bis 30 Prozent erhöhen. Das reicht
       nicht, wenn die Kapazitäten bereits zu 150 Prozent ausgeschöpft sind.
       
       ## Neubewertung überzeugt Kritiker nicht
       
       Im Juni dieses Jahres das klare Plädoyer der Bahn: Eine Neubaustrecke über
       Soltau und Bergen sei „die beste Lösung für eine Linienführung“. Gelöst
       werden soll damit nicht nur das Problem der Gegenwart, sondern auch das der
       Zukunft: Mit dem Deutschlandtakt müssten fast doppelt so viele Züge die
       Strecke nutzen, wie bisher.
       
       Eine [2][Prognose für das Jahr 2040 sagt voraus, dass die Fahrgastzahlen
       der Bahn um 60 Prozent] steigen sollen. Mit diesen Zahlen hat das
       Verkehrsministerium die Kosten und den Nutzen von möglichen Verbindungen
       jetzt noch einmal neu berechnet. Und so kommt jetzt binnen weniger Tage die
       zweite gute Nachricht für den Trassenneubau: Nach einer Anfrage des
       Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) lohnt sich der Neubau
       deutlicher als bisher gedacht: Beim Kosten-Nutzen-Verhältnis steht für die
       Trasse jetzt ein Wert von 1,5. Bisher lag er nur bei 1,0 – das ist genau
       die Grenze, ab der aus volkswirtschaftlicher Sicht überhaupt über eine
       Investition nachgedacht werden darf.
       
       Doch nicht alle Zeichen deuten auf Neubau: Die neue Trasse hat weiterhin
       viele Gegner*innen. Im September versammelten sich zwischen 2.500 und 5.000
       Menschen zu Protesten im kleinen Ramelsloh in Seevetal. Einen Nutzen, so
       die Kritik, hätten vor allem die großen Städte, an deren Bahnhöfen die
       ICE-Züge halten sollten; für die Ortschaften auf dem Weg bliebe dagegen nur
       Ärger und Lärm.
       
       Befürworter*Innen der neuen Trasse argumentieren, dass diese Kritik
       längst nicht mehr den Kern der Sache trifft: Schließlich solle auf den
       neuen Gleisen, nicht nur der ICE fahren. Vorgesehen sind in den neueren
       Planungen auch Regionalzüge mit Halt in Soltau und Bergen. Von Soltau nach
       Hamburg könnte man damit in einer halben Stunde kommen – heute dauert die
       Fahrt plangemäß 84 Minuten; von Bergen aus würde sich die Fahrt nach
       Hamburg von 142 Minuten auf 45 Minuten verkürzen, und die von Bergen nach
       Hannover würde 30 statt 67 Minuten dauern.
       
       Die Grünen mit dem Bundestagsabgeordneten Gastel machen sich zusätzlich für
       einen dritten Halt im Landkreis Harburg stark. Die Zeitersparnis wäre damit
       für die Menschen an diesen Orten viel größer als die rechnerische
       Zeitersparnis von ICE-Nutzenden (59 statt heute 79 Minuten zwischen Hamburg
       und Hannover).
       
       Doch die Gegner*innen haben mächtige Verbündete: Vizekanzler Lars
       Klingbeil (SPD) hat hier seinen Wahlkreis. Zu den Protesten im September
       steuerte Klingbeil ein Grußwort bei: Die neuen Pläne der Bahn „ändern
       nichts an meiner Haltung zur Strecke Hamburg/Bremen – Hannover“, hieß es
       dort. Über Jahre erarbeitete Kompromisse dürften nicht „plötzlich infrage
       gestellt werden“, das untergrabe das Vertrauen in Beteiligungsprozesse.
       Erst nach der Generalsanierung solle man neu über weitere Bedarfe sprechen
       – irgendwann nach 2030 also.
       
       Ganz ähnlich bewertet man das auch im niedersächsischen
       Verkehrsministerium: „Dem Land geht es um die richtige Reihenfolge: Erst
       das Machbare umsetzen, dann über weitere Projekte sprechen“, schreibt die
       Pressestelle. Erst also die Bestandsstrecke ertüchtigen und dann mal
       schauen, was es noch braucht. Dafür, so die Argumentation, lägen fertige
       Pläne vor. Eine neue Strecke hingegen „wäre bestenfalls Anfang der 2050er
       Jahre fertig“. Sich darauf zu verlassen, „dass die Bahn diesmal
       erfolgreicher ein solches Großprojekt stemmen kann“, zeugt von wenig
       Realitätssinn.
       
       Wie die Bewertung der rot-grünen Landesregierung zum Plädoyer der Städte
       passt? Bewegung kommt jedenfalls langsam auch in die Fronten zwischen Stadt
       und Land. Zuletzt hatte sich im Landkreis Harburg die Meinung gedreht, der
       Stadtrat von Winsen sprach sich im Oktober für die Neubaustrecke aus: Der
       Ausbau der Bestandsstrecke, stellte man fest, würde für die Gemeinde viel
       mehr Unannehmlichkeiten bedeuten.
       
       11 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bahnausbau-in-Norddeutschland/!5895474
   DIR [2] /Wissings-Verkehrsprognose-2040/!6039024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lotta Drügemöller
       
       ## TAGS
       
   DIR Deutsche Bahn
   DIR Hamburg
   DIR Hannover
   DIR Lüneburger Heide
   DIR Verkehrsplanung
   DIR Deutsche Bahn
   DIR Deutsche Bahn
   DIR Deutsche Bahn
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Verkehr in Deutschland: Wie die Bahn besser werden soll
       
       Am Montag stellt Verkehrsminister Schnieder seine Bahnstrategie vor. Bisher
       ist nahezu unbekannt, was drinsteht. Vorschläge gibt es jedoch viele.
       
   DIR Neubau der Strecke Hamburg-Hannover: Die Bahn will an die Autobahn
       
       Der Konzern hat bekanntgegeben, dass er eine neue Strecke entlang der
       Autobahn A7 bauen will. Bislang galten andere Vereinbarungen.
       
   DIR Bahn-Engpass Norddeutschland: Mit Karacho durch die Heide
       
       Verkehrsclub VCD plädiert für eine neue Bahnstrecke zwischen Hamburg und
       Hannover: Ein Ausbau der heutigen Strecken reiche nicht für den
       Klimaschutz.