URI: 
       # taz.de -- Syriens Präsident beim US-Präsidenten: Ein historischer Besuch
       
       > Ahmed al-Scharaa trifft sich mit Donald Trump in Washington. Vor 15
       > Jahren war er noch Häftling im berüchtigten US-Gefängnis Abu Ghraib im
       > Irak.
       
   IMG Bild: Angekommen: Ahmed al-Scharaa, Übergangspräsident von Syrien, vor dem Weißen Haus nach seinem Treffen mit US-Präsident Trump
       
       Ahmed al-Scharaa, seit Dezember 2024 Präsident der Syrischen Arabischen
       Republik, hat sich am Montag um 17 Uhr deutscher Zeit mit seinem
       US-amerikanischen Kollegen Donald Trump in Washington getroffen. Eine
       historische Zusammenkunft, und das aus mehreren Gründen.
       
       Es ist das erste Mal in 80 Jahren, dass ein syrischer Präsident die
       Türschwelle des Weißen Hauses betritt. Die Beziehungen zwischen den USA und
       dem vom Iran unterstützten, [1][ehemaligen Präsidenten Baschar al-Assad]
       waren alles anders als warm, vor allem nach dem Beginn des syrischen
       Bürgerkriegs und den Sanktionen, die die USA gegen den Ex-Präsidenten und
       sein Regime verhängten.
       
       Bald könnten die Sanktionen jedoch Geschichte sein. Der größte Teil der
       sogenannten Caesar-Sanktionen soll für 180 Tage angehalten werden, das hat
       das amerikanische Finanzministerium bekanntgegeben. Ausgenommen sind nur
       einige Transaktionen, in denen Russland und der Iran involviert sind, sowie
       diejenigen, die Assad und andere ehemalige Mitglieder des Regimes sowie
       Menschenrechtsverbrecher und Drogenhändler betreffen.
       
       Die Caesar-Sanktionen – [2][benannt nach dem Nicknamen des Whistleblowers,
       der Assads Verbrechen ans Licht brachte] – haben der syrischen Bevölkerung
       in den letzten sechs Jahren stark zugesetzt. Und gerade braucht Syrien Geld
       für den Wiederaufbau, nach 13 Jahren Konflikt. Mindestens 216 Milliarden
       US-Dollar, etwa 187 Milliarden Euro, könnten laut Weltbank nötig sein. Das
       letzte Wort hat jedoch der US-Kongress, der als Einziger die
       Einschränkungen dauerhaft aufheben darf.
       
       ## Vom US-Häftling und meist gesuchten …
       
       Der Besuch ist jedoch unter weiteren Gesichtspunkten ein sonderlicher. Noch
       vor 15 Jahren saß al-Scharaa in mehreren düsteren Gefängnissen im Irak,
       etwa im berüchtigten [3][Abu Ghraib]. Festgenommen hatten ihn amerikanische
       Soldat*innen, als er am Straßenrand von Mosul eine der Bomben platzieren
       wollte, für die er sich unter Dschihadisten einen Namen gemacht hatte. In
       einer unerwarteten Schicksalswende saß al-Scharaa heute in einem
       komfortablen Raum des Weißen Hauses, geschützt von denen, die ihn einst
       verhaftet haben.
       
       Al-Scharaa, der nach seiner Freilassung aus den irakischen Gefängnissen
       2011 die Gunst der Stunde in Syrien nutzte und dort eine neue Terrorgruppe
       ins Leben rief, war jahrelang weltweit gesucht. Seine Terrororganisation,
       Jabhat al-Nusra, hat NGO-Mitarbeiter*innen und Zivilist*innen entführt
       und getötet, Frauen wegen Ehebruchs per Kopfschuss auf öffentlichen Plätzen
       exekutiert, Dissident*innen gefoltert. Die USA hatten ihn auf die Liste
       der meistgesuchten Terroristen gesetzt, bis zu 10 Millionen US-Dollar
       Kopfgeld warteten für Hinweise über seinen Verbleib. Auch das ist jetzt
       Geschichte.
       
       ## … zum Repräsentanten eines Syriens für alle
       
       Al-Scharaa wurde bereits am Freitag aus der Liste der Gesuchten gestrichen.
       Er selbst bemüht sich seit seinem Amtsantritt um ein moderates Image, das
       seine islamistische Vergangenheit in den Schatten geraten lässt. Seinen
       Milizen ist [4][im Dezember ein Wunder gelungen], als sie fast ohne
       Blutvergießen [5][Ex-Diktator Assad aus der Macht zwangen]. Immer wieder
       betonte al-Scharaa dann in Interviews und Ansprachen, Syrien gehöre aller
       Syrer*innen und religiöse Minderheiten sollten beschützt werden.
       
       Blutbäder zwischen sunnitischen Kämpfern [6][und Alawit*innen] im März
       sowie z[7][wischen Sunniten und Drus*innen] vor wenigen Monaten haben
       jedoch seine Versprechen einer harten Probe unterzogen. Und die Bedrohung
       durch den Islamischen Staat (IS) ist alles andere als verschwunden. Zweimal
       soll die Terrorgruppe in diesem Jahr laut syrischen Offizieren erfolglos
       versucht haben, den Präsidenten zu ermorden.
       
       Als al-Scharaa im Flugzeug Richtung USA saß, führte die syrische Armee
       Razzien gegen IS-Zellen quer durch Syrien durch. 61 Operationen, 71
       Festgenommene, Sprengstoff und Munition sichergestellt.
       Beobachter*innen sahen die Aktion als Vorbote einer möglichen Allianz
       mit den USA im Kampf gegen die islamistische Gruppe. Unklar ist noch, ob
       Syrien sich dazu verpflichtet hat.
       
       Das Gespräch und die Entscheidung dürfte nicht nur durch die Hoffnung auf
       eine Sanktionsaufhebung und die fragile innere Sicherheit des Landes,
       sondern ebenso durch die prekäre Sicherheitslage mit seinem Nachbarland
       beeinflusst worden sein. Israel ist nach dem Fall Assads in syrisches
       Territorium eingedrungen und hat Teile der Grenzgebiete besetzt. Zudem hat
       die israelische Luftwaffe mehr als 200 Male Ziele auf syrischem Boden
       bombardiert.
       
       Laut der Nachrichtenagentur Reuters vermitteln die USA gerade ein
       Sicherheitsabkommen zwischen Israel und Syrien sowie die militärische
       Präsenz der USA an einem Luftwaffenstützpunkt nahe Damaskus. Nach Angaben
       der syrischen Nachrichtenagentur Sana hat eine Quelle aus dem syrischen
       Auswärtigen Amt den Bericht jedoch dementiert.
       
       10 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Umwaelzungen-in-Syrien/!6054062
   DIR [2] /Koblenzer-Prozess-zu-Folter-in-Syrien/!5726009
   DIR [3] /Irakisches-Kriegsgefaengnis-Abu-Ghraib/!5075696
   DIR [4] /Machtwechsel-in-Syrien/!6051434
   DIR [5] /Ende-des-Assad-Regimes/!6051443
   DIR [6] /Zunehmende-Gewalt-in-Syrien/!6071379
   DIR [7] /Kaempfe-in-Syrien/!6099808
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Serena Bilanceri
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Ahmed al-Scharaa
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR GNS
   DIR Ahmed al-Scharaa
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Ahmed al-Scharaa
   DIR Reden wir darüber
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ahmed al-Scharaa im Weißen Haus: Er hat wenig Spielraum
       
       Die Diskussionen um den syrischen Präsidenten drehen sich meist darum, was
       er mit dem Land vorhat. Wichtiger ist, was er überhaupt tun kann.
       
   DIR US-Interessen in Syrien: Deshalb wirbt Donald Trump um Ahmed al-Scharaa
       
       Syriens Interimspräsident besucht Washington. Kurz zuvor stand er noch auf
       US-Terrorlisten. Was bezweckt US-Präsident Trump mit der Annäherung?
       
   DIR Ahmed al-Scharaa in Washington: Normalisierung, ja – aber nicht ohne Bedingungen
       
       Westliche Regierungen sollten sich für Syrien öffnen, doch auch auf
       Minderheitenschutz und Demokratie pochen. Damit kann man ihnen aber nicht
       trauen.
       
   DIR Ahmed al-Scharaa: Syrischer Präsident in den USA eingetroffen
       
       Es ist bereits sein zweiter Besuch in den USA: Am Montag wird Syriens
       Machthaber Ahmed al-Scharaa mit Donald Trump im Weißen Haus sprechen.
       
   DIR Unionsstreit um Rückkehr nach Syrien: Wadephul konterkariert den Migrationskurs der CDU
       
       Die heftige Kritik an Außenminister Wadephul zeigt, wie nervös die Union
       ist. Nichts läuft rund und man findet kein Mittel dagegen.