# taz.de -- Bremer Christdemokraten im Trollmodus: Prämie für Populisten
> Maß und Mitte verloren: Die CDU beantragt Untersuchungsausschuss wegen
> einer Staatsratsentlassung. Der ist ein Millionengeschenk für
> Antidemokraten.
IMG Bild: Der Vorstand der CDU-Fraktion tritt an, Antidemokraten eine Riesenfreude zu breiten
Auch wenn's angesichts ideologischer Differenzen fast weh tut, das zu
schreiben: Manchmal hat die Bremer FDP recht. So trifft ihre Bewertung des
von der CDU beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur von
der rechtspopulistischen Fraktion Bündnis Deutschland aufgebrachten und den
Christdemokrat*innen seit Oktober betriebenen
Staatsratsruhestandsversetzungsaffäre.
Einen „Untersuchungsausschuss, der mehr als eine Million Euro Steuergelder
kostet und nur eine politische Hexenjagd zum Ziel hat“, sieht nämlich Thore
Schäck, der Chef der Bürgerschafts-FDP, in dem, was die größte
Oppositionsfraktion da einsetzen will.
Was das Land stattdessen brauche, so Schäck weiter, seien keine endlosen
politischen Schlammschlachten, sondern Lösungen für ein vermutetes
„grundlegendes Problem“. Das hänge nämlich „nicht an einzelnen
Personalien“. Es liege im System. Sofern es denn überhaupt liegt – und
nicht bloß populistische Aufregung darüber ist, dass politische Beamte
nicht pro bono arbeiten.
Bremen hat einen reichen Erfahrungsschatz [1][an politischen Skandalen].
Gerade die Zeit der Großen Koalition unter Henning Scherf (SPD) war reich
an irren Affären. Toller Erzählstoff, lustig und schrecklich zugleich. Vor
allem dank der Christdemokraten.
## Wanzen, Schampus, Schwarzarbeit
Da gab es den Senator, der rechtswidrig Hunderte Menschen wegen
„punktypischen Aussehens“ [2][festnehmen ließ] und mit einem anderen
Senator aus ihrem Amt heraus privat [3][eine Bank kauften und betrieben];
recht erfolglos, [4][übrigens]. Die Sache mit dem gefälschten
Millionenscheck war aber erst später.
Es gab Senatoren, die von der Bühne herab Obdachlose verhöhnten, indem sie
Sekt über sie ausgossen, es gab Senatoren, die … ach!; früher, als die CDU
noch mitregiert und sich offenbar [5][gegenseitig mit Wanzen bespitzelt
hat] – war das eigentlich noch, bevor der jetzige haushaltspolitische
Sprecher Jens Eckhoff [6][Bausenator war, oder danach]? – war einfach mehr
los in Bremen.
Für keinen dieser Spitzenleute, alle CDU[7][, noch nicht mal für den
Staatsrat,] der polnische Bauarbeiter ohne Arbeitserlaubnis beschäftigte
oder den, der die Behördenbilanz frisierte, gab es Untersuchungsausschüsse.
[8][Die gab es wegen Katastrophen,] wegen systematischen
Sozialleistungsbetrugs, wegen Megapleiten und einer korrupten
Klinikverwaltung.
Es gab sie, wenn Menschen in der Haft, Kinder unterm Sozialamt oder
Frühchen wegen Hygienemängeln im städtischen Klinikum starben. Sinnvoll
wäre einer gewesen zu den massenhaft verschlampten Sozialamtsakten, aber da
hatte die CDU keinen Bock: Die Fachpolitikerin soll krank gewesen sein; ja,
und das Thema appellierte ja weder an Neid noch andere niedere Gefühle, und
es ging nicht um eine Person im Rampenlicht, sondern die mühsame
Aufbereitung kleinteiligen Verwaltungshandelns.
Die jetzige Affäre kreist dagegen darum, dass der CDU d[9][ank einer
Anfrage der Rechtspopulisten aufgefallen ist,] dass auch
Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) 2023 einen Staatsrat in den
einstweiligen Ruhestand versetzt hatte. Die Christdemokrat*innen
unterstellen nämlich, der habe sich das so gewünscht, bloß keine Entlassung
beantragt, die ihn finanziell sehr viel schlechter gestellt hätte.
Mehr als eine Protokollnotiz – das ist gehobenes Hörensagen – hat sie für
diese Bezichtigung bislang nicht vorgebracht. Gestützt wird sie nur darauf,
dass die vielleicht etwas unbedarfte, vielleicht aber auch ob ihres
geringen Handlungsspielraums frustrierte grüne [10][Umweltsenatorin Kathrin
Moosdorf] einen analogen Fall Anfang Oktober zum Rücktritt genutzt hatte.
## Prinzip Streumunition
Weil das selbst der CDU zu wenig Material ist, erhöht sie – Prinzip
Streumunition – die Zahl der Verdachtsfälle auf sechs, auch hier gestützt
auf die Vorarbeit von Bündnis Deutschland. „Wir müssen befürchten, dass es
hier in Bremen ein System des goldenen Handschlags gegeben hat“, lässt sich
die Vorsitzende Wiebke Winter zitieren.
Klar, ein solches System gibt's. Aber eben nicht nur in Bremen. Es heißt
Beamtenrecht, stammt aus dem 18. Jahrhundert und macht immerhin die
Spitzenposten in der öffentlichen Verwaltung konkurrenzfähig zu denen im
privatwirtschaftlichen Management. Die Regelungskompetenz liegt in erster
Linie beim Bundesgesetzgeber.
Es auf Landesebene zum Gegenstand eines Untersuchungsausschusses zu machen,
kann politisch kaum zielführend sein. Außer, es ginge darum, die staatliche
Organisation als solche verdächtig und verächtlich zu machen: Das wird Frau
Winter und ihren Mittätern gelingen. Den antidemokratischen Kräften
bereiten sie damit ein Millionengeschenk. Das ist nicht nur schäbig,
hässlich und dumm. Es ist auch saugefährlich.
11 Nov 2025
## LINKS
DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Reiner_Pfeiffer
DIR [2] /Aktion-gegen-Punks/!1443976&s=borttscheller+festnahmen&SuchRahmen=Print/
DIR [3] /Noelle-erwaegt-Rueckzug-von-NF-Bank/!1435945&s=borttscheller+n%C3%B6lle+bank&SuchRahmen=Print/
DIR [4] /Finanzsenator-Noelle-zwangsversteigert/!744607&s=borttscheller+n%C3%B6lle+bank&SuchRahmen=Print/
DIR [5] /Wanzengate-im-CDU-Haus/!668359&s=eckhoff+wanzen&SuchRahmen=Print/
DIR [6] /CDU-von-Ex-Kripo-Mann-verwanzt/!708896&s=eckhoff+wanzen&SuchRahmen=Print/
DIR [7] /Staatsraete-Spaziergaenger/!1166043&s=Staatsrat+Niederbremer&SuchRahmen=Print/
DIR [8] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Untersuchungsaussch%C3%BCsse_der_Bremischen_B%C3%BCrgerschaft_(Landtag)
DIR [9] https://paris.bremische-buergerschaft.de/starweb/paris/servlet.starweb?path=paris/LISSHFL.web&format=LISSH_MoreDokument_Report&search=WP=21+AND+DNR=1244+AND+DART=d
DIR [10] /Bremer-Umweltsenatorin-tritt-zurueck/!6117607
## AUTOREN
DIR Benno Schirrmeister
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