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       # taz.de -- Entscheidung des Landgerichts München I: KI darf nicht kostenlos mit Liedtexten trainieren
       
       > Es gilt als Piloturteil: KI-Anbieter OpenAI hat mit seinem Chatbot
       > ChatGPT unter anderem die Urheberrechte von Herbert Grönemeyer verletzt.
       
   IMG Bild: Auch ein Song von Herbert Grönemeyer war Teil des Rechtsstreits zwischen Gema und ChatGPT
       
       Songtexte dürfen im KI-gestützten Chatbot [1][ChatGPT] nur mit Lizenz
       genutzt werden, also mit Bezahlung der Urheber. Das entschied das
       Landgericht München I im europaweit ersten Urteil zu KI-Trainingsdaten. Das
       Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
       
       Geklagt hatte die Verwertungsgesellschaft [2][Gema], die Urheber von Musik
       aller Art vertritt. Die Gema monierte, dass das Sprachmodell von ChatGPT
       auch mit urheberrechtlich geschützten Liedtexten trainiert wurde – ohne
       dafür einen Cent Lizenzgebühren zu bezahlen. Exemplarisch ging es in der
       Klage um neun bekannte deutsche Liedtexte, von „Über den Wolken“ (Reinhard
       Mey) über „Bochum“ (Herbert Grönemeyer) bis „Wie schön, dass du geboren
       bist“ (Rolf Zuckowski).
       
       Die Klage hatte im Kern Erfolg. OpenAI, der Hersteller von ChatGPT, darf
       die neun Liedtexte nicht mehr in ChatGPT verwenden, jedenfalls nicht in
       Version 4 und 4.0 des Chatbots. Außerdem müsse OpenAi der Gema
       Schadenersatz in noch nicht bezifferter Höhe leisten.
       
       Das Landgericht verzichtete auf eine Vorlage an den Europäischen
       Gerichtshof (EuGH), weil es den Fall für sehr eindeutig hält. „Wir haben
       keinerlei Zweifel an unserer Lösung“, sagte Elke Schwager, die
       selbstbewusste Vorsitzende Richterin.
       
       ## OpenAI bestritt Speicherung der Liedtexte
       
       Konkret ging es um Rechtsverletzungen auf zwei Ebenen. Schon beim Training
       des Sprachmodells finde notwendigerweise eine Vervielfältigung des Textes
       statt. Ganz offensichtlich werde der Text aber vervielfältigt, wenn er auf
       Anfrage eines Nutzers ausgegeben wird.
       
       OpenAI bestritt zwar, dass die Liedtexte im Sprachmodell gespeichert seien.
       ChatGPT sei schließlich keine Datenbank, sondern eine künstliche
       Intelligenz. Der Nachweis der Vervielfältigung war aber ganz einfach. Auf
       den Prompt „Gib mir den Liedtext von ‚Bochum‘“ spuckte ChatGPT das Erfragte
       aus. Da hierbei die Online-Suche abgestellt war, musste der Text in den
       Tiefen des Sprachmodells vorhanden gewesen sein.
       
       Auch wenn es bei anderen Texten wie „Über den Wolken“ kleinere Abweichungen
       gab, blieben die entscheidenden Teile, insbesondere der Refrain, doch
       unverändert.
       
       „Das kann kein Zufall sein“, sagte Richterin Schwager. Vielmehr sei in der
       Fachliteratur schon seit 2021 bekannt, dass Sprachmodelle beim Training
       Texte „memorisieren“, sie sich also merken. Nun ist dieser Memory-Effekt
       auch gerichtlich festgestellt.
       
       Ein zweiter großer Streitpunkt vor Gericht war die Data-Mining-Schranke.
       Seit 2021 dürfen Texte kostenlos analysiert werden, um dabei „Muster,
       Trends und Korrelationen“ zu erkennen, so die Formulierung in Paragraf 44b
       des Urheberrechtsgesetzes, der auf entsprechendes EU-Recht zurückgeht. Das
       Landgericht entschied, dass dieser Rechtfertigungsgrund auch für das
       Training von KI-Daten gilt. „Auch Liedtexte dürfen also danach untersucht
       werden, wie oft bestimmte Wörter auftauchen, welcher Sprachrhythmus benutzt
       wird“, so Schwager.
       
       Die Datamining-Schranke erlaube aber nicht, das ganze Werk komplett zu
       vervielfältigen, betonte die Richterin. Der EU-Gesetzgeber sei davon
       ausgegangen, dass immer dann, wenn die Verwertungsinteressen der Urheber
       betroffen sind, eine kostenpflichtige Lizenz erworben werden muss.
       
       Die Richterin wandte sich dann an den Vertreter von OpenAI: „Sie sind so
       intelligente Menschen und bauen so hochkomplexe Maschinen. Aber wenn Sie
       etwas Neues bauen und dafür etwas brauchen, dann müssen Sie das erwerben
       und können nicht einfach fremdes Eigentum nehmen. Das muss man doch
       wissen.“ Die Liedtexte seien jedenfalls „geschütztes geistiges Eigentum“.
       
       OpenAI muss es nun also unterlassen, ganze Songtexte auszugeben und ganze
       Songtexte im Sprachmodell zu speichern. Letzteres ist schwierig zu
       unterlassen, weil ChatGPT ja keine Anweisung hat, sich Texte zu merken, es
       aber dennoch tut. So gesehen, dürften die ChatGPT-Versionen 4 und 4.0 gar
       nicht mehr genutzt werden.
       
       Es gilt aber als sicher, dass OpenAI Rechtsmittel einlegt, zunächst vor das
       Oberlandesgericht München, dann vor den Bundesgerichtshof zieht. OpenAI
       verweist auch gerne darauf, dass ChatGPT inzwischen gar keine vollständigen
       Songtexte mehr wiedergebe, insbesondere in der neuen Version 5. Auch seien
       beim Training der neuen Version keine Songtexte vervielfältigt worden.
       Hierzu wird es möglicherweise bald einen neuen Rechtsstreit geben, wobei
       der Beweis deutlich schwerer wird, dass auch bei Version 5 Songtexte als
       Trainingsdaten benutzt wurden, wenn die Songtexte nicht mehr ausgegeben
       werden.
       
       Für Gema-Chefjustiziar Kai Welp kommt es nicht darauf an, OpenAI und andere
       KI-Anbieter zur Unterlassung zu zwingen. „Wir wollen vielmehr in
       Verhandlungen treten.“ Die Gema hat im Vorjahr schon einen neuen [3][Tarif
       für KI-Trainingsdaten] eingerichtet. Bisher nutze ihn aber noch niemand, so
       Welp. „Erst muss wohl die Rechtslage geklärt sein.“
       
       11 Nov 2025
       
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