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       # taz.de -- Alternative zur Weltklimakonferenz: Revolution und Rhythmus beim Gipfel der Völker
       
       > Bewegungen, linke Politiker*innen und Indigene haben ihren eigenen
       > Klimagipfel nahe Belém gestartet. Viele erhielten keinen Zugang zur
       > offiziellen COP.
       
   IMG Bild: Der Gipfel der Völker bringt die zusammen, die wirklich betroffen sind, anstatt jene, die das behaupten
       
       Am Mittwochnachmittag düsen unzählige Boote über den Fluss Guamá – kleine
       Schaluppen ebenso wie imposante Segelboote. Fahnen flattern im Wind,
       Sprechchöre und Trommeln hallen über das Wasser. An Bord: Mitglieder
       sozialer Bewegungen, Indigene, linke Politiker*innen. Die
       Bootsdemonstration markiert den Auftakt des Cúpula dos Povos, des Gipfels
       der Völker.
       
       Während auf der Weltklimakonferenz COP30 derzeit über Klimapolitik
       verhandelt wird, organisiert Brasiliens lebendige Zivilgesellschaft eine
       ganze Reihe von Gegenveranstaltungen. Die meisten finden auf dem
       traditionsreichen Campus der Bundesuniversität von Pará (UFPA) statt.
       
       „Ich bin sehr pessimistisch, was die COP angeht“, sagt Giselda Coelho von
       der nationalen Koordination der [1][Landlosenbewegung MST] der taz. Viele
       Abkommen seien bereits im Vorfeld der Megakonferenz beschlossen worden.
       „Die reichen Länder verpflichten sich nicht, strukturelle Veränderungen
       vorzunehmen.“
       
       Coelho, 52, krause Haare, sitzt am Rand eines kleinen Marktes. Ihre
       Bewegung verkauft dort agroökologische Lebensmittel, Cremes und T-Shirts.
       Sie lebt in einer Landreformsiedlung im Landkreis Marabá, rund 500
       Kilometer von Belém entfernt. Die marxistisch orientierte MST gilt mit
       schätzungsweise 2 Millionen Mitgliedern als eine der größten sozialen
       Bewegungen der Welt.
       
       ## Carimbó-Rhythmus und Jenipapofarbe
       
       Neben den Landlosen sind auf dem Campus zahlreiche weitere Organisationen,
       Bewegungen und Gewerkschaften vertreten. Indigene malen Körper mit Farbe
       der Jenipapofrucht an, in Zelten finden Diskussionsrunden statt, auf einer
       Bühne spielt eine Band Carimbó – einen afroindigenen Rhythmus aus der
       Region. Überall sitzen Gruppen im Kreis, eine kleine Demo zieht über den
       Campus. Revolutionärer Duktus, viel Solidarität mit Palästina.
       Trotzkistische Splittergruppen verkaufen Zeitungen mit Namen wie Die
       Wahrheit und Die Zukunft. Ein typisches linkes Event.
       
       Auch Kauã Rodrigo Silva ist hier. Der 21-Jährige lebt in Altamira, einer
       Stadt am Fluss Xingu. Er ist Mitglied einer Umweltbewegung. Das offizielle
       Event, die Weltklimakonferenz, kann er nicht besuchen, seine Gruppe habe
       keine Akkreditierung erhalten. „Viele Bewohner der Region wurden
       ausgeschlossen“, kritisiert er. „Während Gäste von außerhalb Zugang
       bekommen haben.“
       
       Aus Protest gegen die mangelnde Beteiligung marginalisierter Gruppen fand
       am Dienstagabend eine [2][Demonstration] statt. Indigene und linke
       Aktivist*innen versuchten, die sogenannte Blue Zone der COP zu stürmen,
       also jenen Bereich, in dem die meisten Verhandlungen stattfinden und der
       nur mit Akkreditierung zugänglich ist. Videos zeigen Auseinandersetzungen
       mit Sicherheitskräften, eine Person soll verletzt worden sein.
       
       Nach wenigen Minuten zogen sich die Demonstrierenden zurück. Viele
       protestierten auch gegen die [3][geplanten Ölbohrungen an der
       Amazonasküste]. Brasiliens Präsident Lula da Silva unterstützt die
       Bohrungen, vergangene Woche begannen nach Genehmigung seitens der
       Umweltbehörde Ibama die Probebohrungen.
       
       ## Gipfel der Völker: noch eine Demo am Samstag
       
       Auch Coelho vom MST sieht das kritisch: „Dieses Projekt ist eng mit einem
       kapitalistischen Modell verbunden, das sich die Natur zur finanziellen
       Spekulation aneignet.“ Lula habe breite Koalitionen eingehen müssen, um
       regieren zu können. „Dadurch bewegt sich seine Regierung immer weiter zur
       Mitte.“
       
       Am Mittwochabend bei Sonnenuntergang beginnt die Eröffnungsveranstaltung
       des alternativen Gipfels. Viele gereckte Fäuste, Grußworte, Applaus – auch
       für die anwesenden [4][Politiker*innen von Lulas Arbeiterpartei (PT)].
       Am Sonntag endet der Gipfel der Völker. Zum Abschluss wollen die
       Teilnehmenden am Samstag noch einmal gemeinsam auf die Straße gehen.
       
       13 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.mstbrazil.org/content/what-mst
   DIR [2] /UN-Klimakonferenz/!6129154
   DIR [3] /Oelfoerderung-und-COP30-in-Brasilien/!6128396
   DIR [4] /Linke-in-Lateinamerika/!6123131
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Niklas Franzen
       
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