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       # taz.de -- Indigene Aktivistin über Klimaschutz: „Wir brauchen weder Soja noch Bergbau oder Erdöl“
       
       > Alessandra Korap Munduruku setzt nicht viel Hoffnung auf die
       > Weltklimakonferenz. Umso besorgter ist die Aktivistin um die Natur – und
       > macht klare Ansagen.
       
   IMG Bild: Für indigene Völker in Brasilien ist Umweltschutz oft gefährlich – hier nehmen einige am Gipfel der Völker in Belém teil
       
       taz: Alessandra Korap Munduruku, spürt Ihr Volk Auswirkungen des
       Klimawandels? 
       
       Alessandra Korap Munduruku: Im Amazonasgebiet spüren wir die Klimakrise
       jetzt schon: Wenn der Fluss verschwindet, wie es im vergangenen Jahr bei
       uns in Terra Indígena Munduruku passiert ist. Oder wenn die Temperatur der
       Flüsse so stark ansteigt, dass die Fische sterben. Durch die vielen Brände
       war die Stadt Santarém so voller Rauch, dass die Luftqualität hier
       zeitweise die schlechteste in ganz Brasilien war, schlimmer als in São
       Paulo. Wenn Brände ausbrechen, gibt es niemanden, um sie zu löschen.
       
       taz: Wie gehen Sie damit um? 
       
       Munduruku: Wir Indigene bilden jetzt Feuerwehrleute aus, um uns selbst zu
       helfen, denn wenn wir auf den Staat warten, passiert gar nichts. Oft
       handelt es sich bei den Bränden ja auch um Brandstiftung, da werden Brände
       gelegt, um Soja zu pflanzen oder Vieh zu züchten. In diesem Jahr 2025 waren
       manche Gebiete überflutet, in anderen herrschte gleichzeitig Dürre. Der
       Rhythmus von sechs Monaten Trockenzeit und sechs Monaten Regen funktioniert
       im Amazonasgebiet nicht mehr, so wie wir es gewohnt sind. Früher fielen die
       reifen Früchte in Flüsse voller Wasser, und die Fische konnten sich davon
       ernähren, ihren Laich ablegen und sich um den Nachwuchs kümmern. Wenn aber
       die Flüsse sich nicht mit Wasser füllen, fallen die Früchte auf trockenen
       Boden und die Fische haben nichts zu fressen. Dann magern sie ab und
       reproduzieren sich nicht mehr. Wir hängen vom Fisch ab, vom Wasser, vom
       Fluss, vom Wald, wie sollen wir hier überleben?
       
       taz: Wie reagiert die internationale Gemeinschaft? 
       
       Korap Munduruku: Viele Länder – auch Deutschland – sind sehr besorgt wegen
       der Klimakrise. Gleichzeitig sind Unternehmen aus manchen dieser Länder
       [1][hier im Amazonasgebiet an der Umweltzerstörung] beteiligt. Firmen aus
       Frankreich und Deutschland produzieren das Gift, das hier in den Soja-und
       Maispflanzungen versprüht wird. Das Gift fließt in die Igarapés, die
       Flüsse, vergiftet zuerst die Fische und dann unsere Gemeinschaften, unsere
       Kinder und Frauen. Ganz abgesehen davon, wie viel Wald abgeholzt werden
       muss, um Soja und Mais zu pflanzen. Wenn viele Bäume zusammenstehen, können
       sie sich gegenseitig stärken. Wenn aber Bäume herausgeschlagen werden, dann
       verlieren sie die Kraft und können den Planeten nicht mehr retten. Die
       Folgen davon spüren wir an unserem eigenen Leib.
       
       taz: Der brasilianische Staat hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das
       den Bergbau in indigenen Gebieten erlaubt – und er befürwortet die
       Erdölförderung im Amazonasmündungsgebiet. Wie stehen Sie dazu? 
       
       Korap Munduruku: Nun, es gibt einerseits die Regierung Lula und
       andererseits den Senat und die Abgeordneten, die die Natur hassen, die
       indigene und traditionelle Völker hassen. Der Präsident sitzt zwischen den
       Stühlen. Ich beobachte, dass er einerseits ein indigenes Gebiet offiziell
       demarkiert, aber auf der anderen Seite Zugeständnisse ans Agrobusiness
       macht. Das macht uns Sorgen. Die Regierung spricht nicht nur mit den
       Indigenen, sie hört der anderen Seite zu, den Erdöl- und den
       Bergbauunternehmen. Sie sagt, sie braucht Geld. Wir brauchen kein Geld. Wir
       brauchen Leben, wir brauchen unser Land. Wir brauchen sauberes Wasser und
       Wald. Wir brauchen weder Soja, noch Bergbau, Wasserkraftwerke oder Erdöl.
       
       taz: Sind sich die indigenen Völker in diesem Punkt einig? 
       
       Korap Munduruku: Wer von uns sich gegen den Bergbau und gegen Soja
       ausspricht, wird bedroht. Wir können uns nicht offen dagegen äußern. Die
       andere Seite ist [2][bewaffnet und gewalttätig]. Wer von uns sich auf deren
       Seite stellt, ist in vielen Fällen kooptiert. Diese Menschen sind krank,
       sie sehen nicht die Zukunft ihrer Kinder und Enkel. Sie denken nur an sich
       selbst und an das Geld, das sie heute bekommen, von den Unternehmern, die
       sie unter Druck setzen.
       
       taz: Verbinden Sie Hoffnung mit der Weltklimakonferenz COP30? 
       
       Korap Munduruku: Nein, ich habe keine Hoffnung bezüglich der COP. Das ist
       nur ein weiteres Festival, bei dem Abkommen geschlossen werden. Wir müssen
       kämpfen, um unser Territorium zu schützen. Bei den Vereinbarungen zwischen
       Banken, Unternehmen und Industrieländern geht es nur darum, seine Sorge
       über die Klimakrise zu zeigen. Sie wollen sich nicht an einen Tisch mit den
       indigenen Völkern setzen. Sie reden über Nachhaltigkeit, aber ich habe noch
       nie nachhaltiges Soja oder ein nachhaltiges Bergbauunternehmen gesehen. Das
       sind nur Marketingsprüche. Wer heute die [3][COP hier in Brasilien]
       finanziert, sind Unternehmen, die uns töten, die in unsere Gebiete
       eindringen. Deswegen vertraue ich den Entscheidungen nicht, die während der
       COP getroffen werden.
       
       Christine Wollowski traf Alessandra Korap Munduruku im Rahmen einer
       vorbereitenden Konferenz für die COP30 in Santarém.
       
       13 Nov 2025
       
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   DIR Christine Wollowski
       
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