URI: 
       # taz.de -- Zum Tod von Martin Parr: Er fotografierte die britischen Absonderlichkeiten
       
       > Seine farbsatten Bilder vom Badeort New Brighton aus den 80ern waren
       > besonders eindrücklich. Nun ist der Magnum-Fotograf Martin Parr
       > verstorben.
       
   IMG Bild: Im Alter von 73 Jahren gestorben: Der britische Magnum-Fotograf Martin Parr
       
       Er war ein Besessener. Das habe er von seinem Vater geerbt, einem Beamten,
       der jedes Wochenende hinaus aufs Land fuhr, um Vögel zu beobachten, hat
       Martin Parr einmal erzählt: „Wir verbrachten die Wochenenden an der
       Kläranlage in Hersham. Ich machte Fotos, denn ich erkannte die Komik dieser
       Szene.“
       
       Die Fotografie wurde später zu seinem Beruf, er wurde in die
       [1][renommierte Agentur Magnum] aufgenommen, leitete sie gar von 2013 bis
       2017. Ich habe bei einigen Magazin-Geschichten mit Martin Parr
       zusammengearbeitet. Wenn ich glaubte, unsere Arbeit sei getan, scheuchte er
       mich noch mal hinaus, weil er irgendeinen Aspekt entdeckt hatte, den wir
       bisher vernachlässigt hatten.
       
       Bei unserer Recherche auf der kleinen schottischen Insel Eigg mussten wir
       ein Zimmer teilen, weil die Insel touristisch unterentwickelt war und
       keinen Strom hatte. Wir überredeten die Gastgeberin, den Generator nicht
       schon um neun Uhr abends abzustellen, sondern eine Stunde länger laufen zu
       lassen, damit wir noch ein bisschen lesen konnten.
       
       Einmal wollte er mich um fünf Uhr morgens zur alten Kirchenruine mitnehmen,
       weil das Licht um diese Zeit am besten sei. Ich sei für den Text zuständig,
       wandte ich müde ein, da komme es auf Lichtverhältnisse nicht an. „Amateur“
       beschimpfte er mich.
       
       ## „Boring Postcards“, der Bestseller
       
       Und er schimpfte darüber, dass es auf Eigg keine kleinen Plastikfernseher
       mit winzigen Dias als Andenken gab. Die sammelte er nämlich. In seinem
       fünfstöckigen Haus in Bristol stapelten sich Hunderte davon, ebenso wie
       Miniatur-Beatles-Gitarren und bizarre Tapetenrollen. Seine Sammlung
       grauenhafter Ansichtskarten hat er sogar als Buch veröffentlicht – „Boring
       Postcards“ wurde zum Bestseller.
       
       In [2][den siebziger Jahren lebten Martin Parr] und seine Frau Susie in
       Irland, 1982 gingen sie zurück nach England. „Das letzte große Projekt, das
       ich in Schwarzweiß gemacht habe, war in Irland“, erzählte er. „Als ich
       zurück nach England zog, bin ich zu Farbe gewechselt.“ Der
       Postkartenfotograf John Hinde war ein wichtiger Einfluss. Früher, in den
       Fünfzigerjahren, gab es in Irland nur Postkarten von Hinde. Auf denen waren
       meist Schafe und Esel abgebildet – oder rothaarige Kinder, die wegen der
       Nachkolorierung aussahen, als stünden sie kurz vor dem Tod durch
       Bluthochdruck.
       
       Auch Parr fotografierte englische Absonderlichkeiten – zum Beispiel den
       Urlaubswahnsinn in britischen Badeorten, dann aber in höchster
       Farbsättigung. Besonders eindrücklich sind seine Bilder von 1983 und 1985,
       als er New Brighton bei Liverpool besuchte. Er hat 145 Bücher mit seinen
       Fotografien veröffentlicht und unzählige Auszeichnungen erhalten. Bis
       zuletzt war er außerdem Professor an der Ulster University in Belfast. In
       der Nacht zum Sonntag ist er im Alter von 73 Jahren gestorben.
       
       8 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gruender-des-Ausstellungshauses-C/O-Berlin/!5791088
   DIR [2] /Fruehe-Fotografien-von-Martin-Parr/!6035994
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
   DIR zeitgenössische Fotografie 
   DIR Großbritannien
   DIR Agentur
   DIR Irland
   DIR Reden wir darüber
   DIR Social-Auswahl
   DIR zeitgenössische Fotografie 
   DIR Turner-Prize
   DIR zeitgenössische Fotografie 
   DIR Fotografie
   DIR Kolumne High & Low
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ein besonderer Fotograf: Parr gute Bilder
       
       Der britische Fotograf Martin Parr ist gestorben. Sein humorvoller Blick
       auf das Leben macht sein Werk so beliebt.
       
   DIR Turner Prize für Nnena Kalu: Durchbruch durch eine zähe Glasdecke
       
       Sie zeichnet energetische Ellipsen oder setzt riesige, gewundene Knollen in
       den Raum: Die neurodiverse Künstlerin Nnena Kalu erhält den Turner Prize
       2025.
       
   DIR Fotoausstellung Daniel Josefsohn: In seiner Wildheit regiert Empathie
       
       Daniel Josefsohns intime Fotografie zeigt, wie verkommen die
       Magazinpublizistik heute ist – und, wie sie wieder positiv verrückt werden
       könnte.
       
   DIR Fotograf Wolfgang Tillmans: Vom Olymp aus steigt er in die Maschinenhalle
       
       Der Fotograf Wolfgang Tillmans wird weltweit gefeiert. Mit einer
       Ausstellung in Remscheid begibt er sich auf eine Reise zurück in seine
       Heimatstadt.
       
   DIR Frühe Fotografien von Martin Parr: Die Action findet außerhalb statt
       
       Schwarz-Weiß-Film war verfügbar, also nutzte er ihn. In Frankfurt sind
       frühe Fotos von Martin Parr zu sehen, die nur selten gezeigt werden.