URI: 
       # taz.de -- Sport für Verständigung: Der Karateka von Bondi Beach
       
       > Danny Hakim ist Israeli, aufgewachsen in Australien. Mit Karate kämpfte
       > er gegen Antisemitismus. Nun plant er „Abraham Games“ für den Nahen
       > Osten.
       
   IMG Bild: Palästinensische Jugendliche trainieren Karate
       
       Danny Hakim hält den Sydney Morning Herald vom 26. Dezember 1959 in seinen
       Händen. Er zeigt auf ein Foto. Da ist er als zehn Monate altes Kleinkind zu
       sehen, zusammen mit seinem dreijährigen Bruder. „Der Kleine scheint zu
       glauben, dass er nichts von der Weihnachtsleckerei bekommt, die sein Bruder
       gerade am Bondi Beach vernascht“, steht in der Bildunterzeile.
       
       Hakim sitzt im 32. Stock eines der Türme des Azrieli Centers in Tel Aviv.
       Das gehört zum Imperium seines verstorbenen Schwiegervaters David Azriel.
       Zu dessen Hinterlassenschaft gehört auch die [1][Azrieli Foundation]. Sie
       fördert Projekte, von denen Hakim sein ganzes Leben geträumt hat.
       
       Danny Hakim ist ein Karateka mit außergewöhnlicher Lebensgeschichte. Er kam
       als zweites von vier Kindern jüdischer Flüchtlinge zur Welt. Geflohen war
       die Familie 1956 aus Kairo nach Australien, als der ägyptische Präsident
       [2][Gamal Abdel Nasser] begann, gegen Juden zu hetzen. So landete die einst
       in ihrem Land respektierte Familie, zu deren Vorfahren im Mittelalter der
       sephardische Rabbiner Jehuda Samuel Halevy Hakim zählt, mittellos im
       australischen Adelaide. Eine Garage war ihre Notunterkunft. Einige Jahre
       später zogen die Hakims nach Sydney, in die Nähe von Bondi Beach.
       
       Der [3][Angriff auf das Chanukkafest] Mitte Dezember kam für Hakim nicht
       aus dem Nichts. Der Anschlag erinnert ihn an seine Schulzeit, an den
       Antisemitismus seiner Mitschüler. Seine Großmutter, deren Familie aus dem
       immer wieder von Pogromen erschütterten Odessa stammte, machte ihm zu
       seiner Bar-Mizwa ein besonderes Geschenk: die Mitgliedschaft in einem
       Karateklub. Der junge Danny sollte sich wehren können, war ihre Begründung.
       
       Das gelang aber nicht immer. „1977 hatte ein palästinensischer Aktivist an
       der Macquarie University den Holocaust geleugnet“, erzählt Hakim. Als er
       mit 20 jüdischen Freunden zur Uni gegangen sei, um dagegen zu
       demonstrieren, seien sie von 150 bewaffneten Menschen angegriffen worden.
       Obwohl es Schwerverletzte gab, haben die australischen Behörden nicht
       eingegriffen, berichtet er.
       
       Beim Karate selbst machte Hakim hingegen nur positive Erfahrungen. Seine
       besten Kumpels waren zwei Jungs, deren Familien aus Iran beziehungsweise
       aus dem Libanon stammten. Beim Karate seien jedoch alle Unterschiede
       nebensächlich geworden, sagt Hakim. Diese Erkenntnis prägte ihn ebenso wie
       ein einjähriger Aufenthalt in Israel 1977, bei dem er sich zum
       Jugendtrainer ausbilden ließ. In jenem Jahr besuchte der ägyptische
       Präsident [4][Anwar as-Sadat] Israel, ein bis dahin unvorstellbares
       Ereignis.
       
       1983 reiste Hakim nach Japan, wo er unter dem Karatemeister Hirokazu
       Kanazawa seine Ausbildung fortsetzte. Wieder einmal fiel ihm auf, wie
       belanglos im [5][Karate] Fragen der Herkunft sind. „Hier geht es um
       Respekt“, erklärt er. „Das fängt schon damit an, die Schuhe auszuziehen,
       dich vor dem Meister und vor der Halle zu verbeugen.“
       
       ## Ein Kampf gegen einen Palästinenser
       
       Als es 1997 um das Erreichen seines 5. Dans ging, stand der jüdische
       Zionist Hakim plötzlich vor dem Palästinenser Durgham Khalil. Beide waren
       nervös. „Wir hatten voreinander Respekt“, sagt Hakim. „Die
       Karaterichtlinien verlangen Respekt, Selbstkontrolle und Harmonie. Wir
       haben beide bestanden.“ 2003 wiederholte sich die Szene zum 6. Dan.
       
       Der Tod seines Vaters 1998 führte zu Veränderungen. Hakim verließ
       Australien und emigrierte nach Israel, wo er bald [6][Budo for Peace]
       gründete. Die Organisation stellt die Werte des Karate in den Mittelpunkt.
       23 Klubs beteiligen sich an dem Projekt.
       
       2002 fragte Hakim bei Khalil an, was er davon halte, junge palästinensische
       und israelische Karateka gemeinsam trainieren zu lassen. Khalil stimmte zu,
       allerdings unter der Bedingung, es müsse auf neutralem Boden geschehen. Bei
       der nächsten sich anbietenden Gelegenheit, einem Karateweltcup 2003 in
       Südafrika, machte Khalil jedoch einen Rückzieher. Kein gemeinsames
       Training. Als allerdings Shadya Zaobi, ein 17-jähriges muslimisches Mädchen
       aus Hakims Team, Gold für Israel gewann, seien Israelis wie
       Palästinenser:innen begeistert gewesen. So entstand der preisgekrönte
       Dokumentarfilm „[7][Shadya]“, an dem Hakim mitgearbeitet hatte.
       
       Hakim wollte nun über Kampfsport hinaus gehen und gründete [8][Sports for
       Social Impact] (SIS). Das ist eine Initiative, die auch zur Azrieli
       Foundation gehört. Sie will mit diversen Sportarten, etwa Leichtathletik,
       Boxen oder Tennis, die positiven sozialen Möglichkeiten des Sports nutzen:
       für Frieden und Verständigung, für die Rechte von Frauen und Mädchen oder
       Perspektiven für gefährdete Jugendliche, sogar Krebshilfe durch Sport
       gehört zum Programm.
       
       Seine NGO Budo for Peace hat Hakim mittlerweile in Sport for Social Change
       umgebaut – ein Projekt, das große Ziele verfolgt. Gemeinsam mit Partnern im
       Nahen Osten und Nordafrika, der Mena-Region, will er internationale
       Wettkämpfe anschieben. An einen Langstreckenlauf für Frauen, der von Beirut
       nach Jerusalem führt, denkt er etwa. Und schon im kommenden Jahr könnte es
       Abraham Games geben, ein Sportfest, das Hakim auch in seiner neuen Rolle
       als Vorsitzender des Paralympics-Komitees Israels verfolgt. Zunächst denkt
       er dabei an Länder wie Marokko oder arabische Emirate, aber Hakim hofft,
       dass am Ende auch palästinensische Gruppen mitmachen wollen. Bis zum 7.
       Oktober 2023 hatte Danny Hakim noch gute Freunde und Partner in Gaza.
       Tröstlich findet er, dass etliche von ihnen dem Krieg entkommen konnten.
       
       Als wegen des Gazakriegs 2025 die Makkabiade, das große jüdische Sportfest,
       abgesagt wurde, machte sich Hakim daran, ein Treffen von 60 Frauen, viele
       davon in leitenden Sportfunktionen, zu organisieren. [9][Women Champions
       for Change] heißt die Organisation, die er gegründet hat. An seinem Treffen
       nahmen per Videoschaltung auch Frauen aus Saudi-Arabien, Afghanistan,
       Tunesien, Marokko und sogar Iran teil. Frauen, erklärt Hakim, würden in der
       Bewältigung von Konflikten etwa ein Drittel mehr erreichen als Männer.
       Zugleich seien sie jedoch bei Konflikten verletzlicher.
       
       Danny Hakim ist seit vielen Jahren unermüdlich. Wie hat der Terroranschlag
       am Bondi Beach, wo er aufgewachsen ist, sein Engagement verändert? „Es gibt
       nur zwei Dinge“, sagt er, „man muss die Sicherheit erhöhen – und die
       Erziehung.“ Dabei verweist er auf den Karateklub bei Bondi Beach, wo er
       seinen Sport gelernt hat und der bis heute die unterschiedlichsten Menschen
       anzieht. „Sport baut Vertrauen auf, von der Basis bis nach oben“, sagt
       Danny Hakim. „Egal, was die Politik macht.“
       
       27 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://azrielifoundation.org/
   DIR [2] /Nasser-und-die-Muslimbrueder/!543003/
   DIR [3] /Terror-am-Bondi-Beach/!6136170
   DIR [4] /Der-verengte-Blick/!444548&s=SARAH+ELTANTAWI/
   DIR [5] /Faszination-Karate/!5163030
   DIR [6] https://www.sportanddev.org/network/organisation-directory/budo-peace
   DIR [7] https://www.imdb.com/de/title/tt0932802/
   DIR [8] https://www.sportsforsocialimpact.com/
   DIR [9] https://wcc-global.org/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
       ## TAGS
       
   DIR Kampfsport
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Australien
   DIR GNS
   DIR Kolumne Grauzone
   DIR Iran-Israel-Krieg
   DIR Kampfsport
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Terror am Bondi-Beach: Ein Anschlag, der jeden einzelnen Juden trifft
       
       Parolen wie „Globalize the Intifada“ sind nicht Auslöser konkreter Taten.
       Aber sie schaffen ein Klima, in dem Gewalt gegen Juden legitim erscheint.
       
   DIR Jüdisches Multisportevent: Kein Sport zu Kriegszeiten
       
       In Jerusalem sollte in zwei Wochen die Makkabiade eröffnet werden. Nun muss
       sie auf 2026 verschoben werden.
       
   DIR Karatemeisterin Reem Khamis: Nach oben gekämpft
       
       Die deutsche Karatemeisterin Reem Khamis wurde zu Hamburgs Sportlerin des
       Jahres gewählt. Begonnen hat ihre Karriere nach ihrer Flucht aus Ägypten.