# taz.de -- Sportler und ihre Meinungsäußerungen: Die Leute, die sich „der Sport“ nennen
> Athleten und Athletinnen sind aus dem öffentlichen Diskurs gedrängt.
> Andere glauben, sie hätten das Recht, für sie zu sprechen.
IMG Bild: Sieht man doch, wer am wichtigsten ist: Siegerehrung mit dem damaligen IOC-Präsidenten Thomas Bach und einer Sportlerin
Es war einmal ein Trainer, in diesem Fall kam er aus der DDR, der wurde
gefragt, warum die von ihm betreuten Schwimmerinnen so tiefe Stimmen
hätten. „Die sollen schwimmen und [1][nicht singen]“, lautete seine
Antwort.
Der Satz ist in einem doppelten Sinn schlimm, aber nur in einem einfachen
Sinn wurde er aufgegriffen. Empörung löste nämlich nur der unglaubliche
Umgang mit Doping aus, der in dem Satz durchschimmerte: Alles sei erlaubt,
wenn es um sportliche Leistung ginge.
Wenn ich mich recht erinnere, hat jedoch niemand je Anstoß genommen an der
Selbstverständlichkeit, mit der jener Trainer bekundete, was sportliche
Frauen, die er als seine Objekte ansah, zu tun hätten. Schwimmen, weil er
dies anordnet, und wenn er etwas anderes gesagt hätte, müssten sie halt
etwas anderes machen.
Jener Trainer repräsentierte nicht nur, wie man damals wie heute glauben
machen möchte, das [2][Sportsystem der DDR], sondern er hatte seinen Satz
im tiefen Vertrauen darauf ausgesprochen, dass der Sport insgesamt doch
nach diesem Muster funktioniert.
Der Mann hatte Recht und hat Recht. Leider.
„Shut up and dribble“, so kommentierte eine Sportjournalistin des rechten
TV-Senders Fox die Kritik, die Basketballer [3][LeBron James] an
US-Präsident Donald Trump geäußert hatte, „halt’s Maul und spiel!“.
Ähnliches mussten sich die Tennisprofis [4][Serena Williams] und [5][Naomi
Ōsaka] anhören, die gegen Rassismus und Sexismus protestierten. Und auch im
deutschen Sport ist es normal, dass sich kritische und nachdenkliche
Sportler und Sportlerinnen Sachen anhören müssen, wie „sie sollten sich
mehr ums Spiel kümmern“. Das ist nicht nur normal und üblich, sondern auch
mehrheitlich akzeptiert.
## Funktionäre entscheiden über "Mündigkeit"
Mir fällt neben dem Sport kein gesellschaftlicher Bereich ein, in dem mit
derart selbstverständlicher Arroganz Menschen geschurigelt werden, wenn sie
ihr selbstverständliches demokratisches Recht wahrnehmen, mitreden und
mitgestalten zu wollen.
Wenn über Fragen gesprochen wird, die Athleten und Athletinnen unmittelbar
etwas angehen – wie zuletzt rund um das angeschobene Sportfördergesetz –,
dann melden sich Funktionäre (seltener: Funktionärinnen) zu Wort, die
sagen, „der Sport“ sehe das genauso oder ganz anders. Aber immer glauben
diese Amtsträger, sie seien „der Sport“ und sie selbst seien legitimiert,
für „die Sportler“ zu sprechen.
Die selbst sind zwar in der Regel erwachsene Menschen, aber es gibt da
immer noch eine Funktionärsschicht, die sich selbst ermächtigt hat, zu
entscheiden, wer ein „mündiger Athlet“ ist, ob eine Sportlerin oder ein
Sportler geistig und charakterlich befähigt ist, sich zu politischen und
gesellschaftlichen Themen jenseits von Stadion, Schwimmbad und Turnhalle zu
äußern.
Was jener DDR-Trainer und jene US-Journalistin ausgedrückt haben, ist
Common Sense im bis heute gültigen Sportverständnis: Athleten und
Athletinnen sollen nichts zu sagen haben.
„Fragen Sie zum Beispiel mal einen Sportler, warum er bestimmte Dinge so
und nicht anders tut“, sagte der französische Soziologe [6][Pierre
Bourdieu] – da bedarf es einer Menge Arbeit, um ihn darüber wirklich etwas
sagen zu hören“. Was Bourdieu klug [7][beobachtet] hat, ist ein enormes
Demokratiedefizit, das erstaunlicherweise viele gar nicht bemerken wollen.
Gewiss, es gibt [8][Interessenvertretungen] von und für Profis. In
Deutschland gibt es sie seltener und sie wurden später gegründet als
woanders. Aber sie alle haben mit dem arroganten Diktum zu kämpfen, wer
Sport treibe, habe nichts in der Birne, und für ihre eigenen Interessen
dürften sich solche Leute schon gar nicht einsetzen, das immer noch sehr
wirksam ist. Martin Krauss
27 Dec 2025
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DIR [5] /Japans-Superstar-Naomi-saka/!5787495
DIR [6] /Pierre-Bourdieu/!t5204492
DIR [7] https://www.vsa-verlag.de/uploads/media/www.vsa-verlag.de-Bourdieu-Die-Intellektuellen-und-die-Macht.pdf
DIR [8] https://athleten-deutschland.org/
## AUTOREN
DIR Martin Krauss
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