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       # taz.de -- Journalist Hannes Stein über seine Islamkritik: "Ich verteidige die offene Gesellschaft"
       
       > Rechtsradikale Islamkritiker verfolgen ein Phantasma namens christliches
       > Abendland, meint Hannes Stein. Ihm geht es aber um das Recht, sich über
       > alle Religionen lustig machen zu dürfen.
       
   IMG Bild: "Es gibt verschiedene Arten von Islamkritik", sagt Hannes Stein.
       
       taz: Herr Stein, fühlen Sie sich mitverantwortlich für das Massaker in
       Norwegen? 
       
       Hannes Stein: Nein.
       
       Sie haben einmal Mohammed als "pädophilen Räuberhauptmann mit einem
       entsetzlichen Mangel an Humor" bezeichnet. Würden Sie das wieder so
       formulieren? 
       
       Ja. Sehen Sie, ich halte Lenin für ein Krokodil, Trotzki für einen Mörder
       und Stalin für einen Spitzenverbrecher. Zugleich bin ich dafür, dass
       Kommunisten alle bürgerlichen Rechte genießen, um ihren Unsinn zu
       vertreten.
       
       Ihren Freund Henryk M. Broder haben Sie dafür [1][kritisiert], dass er
       keinen Zusammenhang zwischen Islamkritik und diesem [2][Massenmord]
       erkennen möchte. Worin besteht dieser Zusammenhang? 
       
       Auch das kann ich mit einer Analogie beantworten: Der Antikommunismus war
       immer berechtigt. Aber es gab zwei Arten: einen liberalen, demokratischen,
       auch linken Antikommunismus – man denke an George Orwell oder Manès
       Sperber. Und es gab den Antikommunismus der radikalen Rechten, etwa der
       Loge P2 in Italien. Ähnlich verhält es sich mit der Islamkritik. Es gibt
       eine demokratische und liberale Kritik am Islam und es gibt eine
       rechtsradikale.
       
       Ist die Verteidigung des Abendlandes, von der auch Anders Behring Breivik
       spricht, Bestandteil dieser rechtsradikalen Islamkritik? 
       
       Ja. Das ist eine Form der Islamkritik, in der das christliche Abendland als
       friedliches Auenland erscheint, Muslime aber als Orks und die islamische
       Welt als Mordor. Das ist nicht intelligent. Und es ist geschichtsvergessen.
       Denn das christliche Abendland ist längst untergegangen: 1914 in Sarajevo
       und ein zweites Mal und unwiederbringlich in Auschwitz.
       
       Was verteidigen Sie denn? 
       
       Die offene Gesellschaft. Etwa die Meinungsfreiheit mitsamt der Freiheit,
       den Islam zu kritisieren. Flemming Rose von der dänischen Zeitung Jylland
       Posten hat dazu einmal gesagt: Er möchte, dass die Muslime in Europa
       integriert werden. Dazu gehört, dass man sich über ihre Religion genauso
       lustig machen kann wie über, sagen wir, den Katholizismus. Die Muslime
       haben, so komisch das klingt, ein Recht darauf.
       
       Nicht nur liberale, auch rechtsextreme Islamkritiker beziehen sich positiv
       auf Israel. 
       
       Aber diese Leute benutzen Israel als Knüppel, um damit auf andere
       einzudreschen. Das lebendige, chaotische, widersprüchliche, warmherzige,
       Sonnenblumenkerne kauende, multikulturelle Israel ist denen doch egal.
       Übrigens ist es bei den Verteidigern des christlichen Abendlandes mit dem
       Philosemitismus meistens schlagartig vorbei, wenn man auf Auschwitz zu
       sprechen kommt. Oder sobald sie herausfinden, dass die Israelis Juden sind.
       Bei Geert Wilders zum Beispiel, der sich für ein Verbot des Schächtens
       ausgesprochen hat.
       
       Sie haben sich vor Jahren von Wilders oder Blogs wie "Politically
       Incorrect" [3][distanziert]. Dennoch ist Ihr eigener Blog dort verlinkt.
       Wie erklären Sie sich das? 
       
       Das müssen Sie die Leute von „Politically Incorrect“ fragen. Ich würde die
       nicht verlinken.
       
       Haben sich andere liberale Islamkritiker zu wenig von diesen Leuten
       abgegrenzt? 
       
       Jeder Autor ist für seinen Mist selbst verantwortlich. Ich bin viel zu sehr
       Individualist, als dass ich anderen Leuten vorschreiben würde, was sie zu
       schreiben oder zu lassen haben.
       
       Was entgegnen Sie Leuten, die als Konsequenz aus dem Massenmord eine
       Ächtung der Islamkritik fordern? 
       
       Ich antworte mit einer einfachen Unterscheidung, die wir von Karl Popper
       gelernt haben: Ideen sollen im öffentlichen Raum gegeneinander antreten,
       auch der Islam in all seinen Spielarten. Ideen brauchen keinen Schutz;
       Kritik an ihnen, auch erbarmungslose, auch irrtümliche, ist erlaubt. Mit
       Menschen ist es etwas anderes. Menschen müssen geschützt werden.
       
       28 Jul 2011
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/spass_am_toeten
   DIR [2] http://www.welt.de/debatte/kommentare/article13506649/Das-Manifest-des-Anders-Behring-Breivik-und-ich.html
   DIR [3] http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/politically_correct/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Deniz Yücel
       
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