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       # taz.de -- Politologin über Piratenpartei: "Die Antifeministen dominieren"
       
       > Die Piratenpartei findet, dass Geschlechter keine Rolle mehr spielen
       > sollen. Was so fortschrittlich klingt, geht in der Praxis nach hinten
       > los, sagt Genderberaterin Regina Frey.
       
   IMG Bild: "Die Geschlechterpolitik der Piraten ist bisher, gelinde gesagt, nicht schlüssig."
       
       taz: Frau Frey, die Piraten haben die Geschlechter restlos dekonstruiert,
       sie spielen keine Rolle mehr für die Partei, behaupten sie. Ist das nicht
       schön? 
       
       Regina Frey: Ja, großartig. Nur leider nicht real. Auf ihrer Berliner
       Landesliste ist unter 15 Personen eine Frau. Geschlecht als Kategorie ist
       offensichtlich sehr wirkungsmächtig in der Partei.
       
       "Wo kein Geschlecht, da keine Diskriminierung" meinen die Piraten, ist das
       nicht logisch? 
       
       Das ist ein Kurzschluss. Damit werden nur alle gesellschaftlichen
       Strukturen ignoriert, die diskriminierend wirken. Das wissen die Piraten
       auch, darauf nehmen sie auch Bezug. Ihre Geschlechterpolitik ist bisher,
       gelinde gesagt, nicht schlüssig.
       
       Sie selbst arbeiten auch an der Dekonstruktion von Geschlecht, was machen
       Sie anders? 
       
       Ich versuche auch auf eine Welt hinzuarbeiten, in der es egal ist, ob man
       alt oder jung, groß oder klein, männlich oder weiblich ist. Wir sind aber
       leider noch nicht so weit. Und bis dahin brauche ich Geschlecht als
       Strukturkategorie, um zu verstehen, wo Diskriminierungen liegen und sie
       dann auch abzubauen.
       
       Was würden Sie den Piraten denn empfehlen? 
       
       Erst einmal sollten sie professionell mit Diskriminierungen umgehen. Es
       gibt Strategien und Methoden, Chancengleichheit umzusetzen, damit könnten
       die Piraten sich mal beschäftigen.
       
       Da könnte es dann um Frauenförderung gehen, das mögen die Piraten nicht. 
       
       Ja, Gleichstellung wird auf die Quote reduziert und dagegen gibt es viel
       undifferenzierte Polemik. Aber es gibt auch einige Aktive mit sehr
       differenzierten und progressiven Vorstellungen. Innerhalb der Partei gibt
       es eine große Kontroverse zum Thema, was gut ist. Leider wird sie teilweise
       polemisch geführt wird, gerade aus der Männer AG heraus.
       
       Klingt, als brauchten die Piraten dringend eine Quote. 
       
       In der jetzigen Struktur der Partei als Netzwerkpartei ist es schwierig,
       eine Quote einzuführen. Das ist ja Instrument von oben. Und die Partei ist
       derzeit nicht so gestrickt, dass sie die Quote für sich als sinnvolles
       Instrument nutzen könnte.
       
       Was könnte man statt der Quote geschlechterpolitisch machen? 
       
       Die Piraten könnten sich zum Beispiel fachlich mit Geschlechterstrukturen
       in IT-Berufen befassen. Die geschelchterstereotype Berufswahl ist ja mit
       ein Grund, warum in der Piratenpartei so wenig Frauen sind.
       
       Stattdessen arbeitet die AG Männer mit den Männerrechtlern von Agens und
       Manndat zusammen, die Männer vor allem als Opfer von Frauenpolitik
       thematisieren. 
       
       Ja, das ist ein großes Problem für die Partei. Diese AG widerspricht
       komplett dem postmodernen Ansatz des Programms. Die Partei macht sich mit
       dieser AG für die rechte Szene anschlussfähig. Man kann mit einem Klick von
       der Seite der AG Männer zu "eigentümlich frei" gelangen. Das ist ein
       ultrarechtes Organ. Ich lese Ihnen das "Zitat des Tages" von dieser Seite
       vor: "Die muslimische Invasion Europas brächte nicht nur Nachteile:
       Feminismus, Gender Studies und Regietheater würden immerhin verschwinden."
       
       Diese antifeministische Gruppe ist derzeit sehr sichtbar bei den Piraten.
       Diejenigen, die eine geschlechterpolitisch ausdifferenzierte Haltung haben,
       sind in der Partei wohl derzeit in der Minderheit.
       
       Für wie feministisch halten Sie die Frauen in der Partei? 
       
       Ich kann das nur aufgrund der Reaktionen auf meinen Blog einschätzen. Da
       gab es ein breites Spektrum. Frauen, die gendertheoretisch sehr fit sind
       und auch Frauen die das Thema für erledigt halten. Ich habe auf meinen
       kritischen Beitrag zu ihrer Geschlechterpolitik eine recht flapsige Antwort
       von einer Frau bekommen: Man könne ja keine Frau zwingen, bei den Piraten
       mitzumachen.
       
       Es gibt auch Antiquotenfrauen: Wir haben das nicht nötig und wir
       diskriminieren ja niemanden. Sie übersehen dann, dass Diskriminierung sehr
       subtil stattfindet, oft über einen bestimmten Habitus und über die Auf- und
       Abwertung bestimmter Männlichkeits- und Weiblichkeitsmuster. Sie führen
       aber dazu, dass sich bestimmte Menschen von den Piratenangesprochen oder
       nicht angesprochen fühlen. Darüber nachzudenken, das würde sowohl Männern
       als auch Frauen in der Partei weiterbringen.
       
       21 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heide Oestreich
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Überwachung
   DIR Schwerpunkt Wahlen in Berlin
       
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