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       # taz.de -- Neue Regierung in Russland: Neustart mit Technokraten
       
       > Persönliche Loyalität ist für Wladimir Putins Regierungsbildung wichtiger
       > als fachliche Kompetenz. Die Ernennung des Kulturministers sorgt für
       > Erheiterung.
       
   IMG Bild: Regierungsbildung in Russland ist geheime Kommandosache.
       
       MOSKAU taz | Zwei Wochen nach Amtseinführung bestätigte der russische
       Präsident Wladimir Putin am Montag endgültig die Zusammensetzung der neuen
       Regierung. Anfang vergangener Woche legte Premierminister Dmitri Medwedjew
       dem Kremlchef eine Kandidatenliste vor, ohne der Öffentlichkeit jedoch
       seine Favoriten mitzuteilen. Er wolle kein „überflüssiges Interesse
       anheizen“, so Medwedjew.
       
       Auch diese Regierungsbildung fand als geheime Kommandosache statt, die
       überdies keinen Aufschub duldete. Ihretwegen sagte Wladimir Putin die
       Teilnahme am G-8 Treffen in den USA ab. Offiziell zumindest, die wahren
       Gründe dürften andere gewesen sein.
       
       Rund drei Viertel der Regierung sind neue Köpfe, wie es der Premier zuvor
       angekündigt hatte. Die Nachrücker sind allerdings keine frischen
       Neuzugänge, die meisten arbeiteten vorher auf untergeordneten Posten im
       selben Ministerium. Sie sind Technokraten, keine Politiker. Darauf hat
       Wladimir Putin von Anfang an geachtet.
       
       Aus der Regierung schieden Vizepremier Igor Setschin und Innenminister
       Raschid Nurgalijew aus, die der Fraktion der Sicherheitsstrukturen und
       Gewaltministerien zuzurechnen sind. Den Posten des Innenministers übernimmt
       Moskaus Polizeichef Wladimir Kolokolzew. Was aus den beiden scheidenden
       Minister wird, steht noch nicht fest.
       
       Klar ist, dass Putin loyale Parteigänger nicht ins Leere fallen lässt.
       Setschin wird voraussichtlich zum staatlichen Energiekonzern „Rosneft“
       wechseln, mit dem er schon als Minister aufs Engste verflochten war.
       Nurgalijew soll in der Präsidialverwaltung unterkommen.
       
       Die meisten Ex-Minister nimmt Wladimir Putin als Mitarbeiter und Berater
       mit in den Kreml. Sie bleiben in der Politik. Auch Putins Chef-Ideologe
       Wladislaw Surkow, der nach den gefälschten Wahlen im Dezember aus dem
       Verkehr gezogen worden war, kehrt in eine gestaltende Rolle zurück.
       Grundsätzlich gilt auch bei dieser Kabinettsbildung der Grundsatz:
       Persönliche Loyalität ist wichtiger als fachliche Kompetenz. Für jeden wird
       ein Platz gefunden.
       
       Für Erheiterung sorgte die Ernennung Wladimir Medinskijs zum
       Kulturminister. Der Abgeordnete der Staatspartei „Vereinigtes Russland“ ist
       Professor an der Moskauer Diplomatenschmiede MGIMO. Berühmtheit erlangte er
       mit Büchern, die vorgeben, mit verbreiteten „Mythen über Russland“
       aufräumen zu wollen. So versucht er in dem Traktat „Über russischen Suff,
       Trägheit und Grausamkeit“ den Nachweis zu erbringen, dass alles nur halb so
       schlimm ist.
       
       21 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
       ## TAGS
       
   DIR Wladimir Putin
   DIR Rosneft
       
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