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       # taz.de -- Angstgegner Italien: Für Deutsche unbesiegbar
       
       > Sieben Mal trafen Deutschland und Italien bei großen Turnieren bislang
       > aufeinander. Vier Spiele endeten mit Unentschieden, dreimal gewannen die
       > Italiener. Ein Rückblick.
       
   IMG Bild: Schland im Reich der Tränen: 2006.
       
       Im Fußball gibt es einige merkwürdige Kontinuitäten, die sich über
       Generationen hinweg halten und fast ebenso gültig sind wie die Weisheiten,
       denen zufolge der Ball rund ist und das Spiel neunzig Minuten dauert. Zum
       Beispiel: Deutschland gewinnt gegen England (Ausnahme: WM-Finale 1966).
       [1][Deutschland gewinnt gegen Holland] (Ausnahme: EM-Halbfinale 1988). Und
       Deutschland gewinnt nicht gegen Italien (keine Ausnahme). Die
       Turniergeschichte im Einzelnen:
       
       ## WM 1962, Vorrunde, 0:0
       
       Erstmals treffen zwei vormalige Weltmeister bei einer WM aufeinander. Wie
       das ganze Turnier in Chile ist auch dieses Spiel durch defensive Taktik und
       außergewöhnliche Härte gekennzeichnet. Eigentlich müsste dies den
       Italienern liegen. Doch nach einer Niederlage gegen Chile – der „Schlacht
       von Santiago“, die als brutalste WM-Spiel in die Geschichte eingeht und
       langfristig für die Einführung der Gelben und Roten Karten sorgt – scheidet
       Italien in der Vorrunde aus.
       
       Die deutsche Mannschaft um Uwe Seeler kommt auch nicht viel weiter; im
       Viertelfinale gegen Jugoslawien ist Schluss. Im italienischen Mittelfeld
       spielt Cesare Maldini, Vater von Paolo, der später 126 Länderspiele für
       Italien bestreitet. Und im Tor steht Lorenzo Buffon; ein Cousin des
       Großvaters des heutigen Torwarts Gianluigi Buffon.
       
       ## 
       
       Im Halbfinale der WM 1970 führt Italien kurz vor Schluss mit 1:0. In der
       Nachspielzeit erzielt der Verteidiger Karl-Heinz Schnellinger den Ausgleich
       – „ausgerechnet Schnellinger“ bemerkt der deutsche Fernsehkommentator Ernst
       Huberty. Denn Schnellinger spielt in Italien, beim AC Mailand, was damals
       außergewöhnlich ist und in Deutschland als anrüchig gilt. Es geht in die
       Verlängerung, und was die 110.000 Zuschauer im Aztekenstadion nun zu sehen
       bekommen, wird als „Jahrhundertspiel“ in die WM-Geschichte eingehen.
       
       Die glühende Mittagshitze und die dünne Höhenluft verlangen von den
       Spielern das Äußerste. Und das geben sie. In der 94. Minute bringt Gerd
       Müller Deutschland in Führung, vier Minuten später gleicht Tarcisio
       Burgnich aus, in der 114. legt Luigi Riva nach. In der 110. Minute kann
       Müller abermals ausgleichen, doch nur eine Minute später trifft Gianni
       Rivera zum 4:3-Endstand. Nach dem Spiel fallen sich die Spieler beider
       Mannschaften in der Ahnung, Unvergessliches geleistet zu haben, erschöpft
       in die Arme. Deutschland wird später Dritter, Italien scheitert im Finale
       an Péles Brasilianern.
       
       ## 
       
       Von der Dramatik ist acht Jahre später in Argentinien nichts mehr übrig.
       Die deutsche Mannschaft um Berti Vogts übersteht gerade so die Vorrunde,
       die Italiener kommen souverän, aber langweilig durch. Das Spiel gegen
       Italien ist das dritte 0:0 der Deutschen bei diesem Turnier. Es folgen ein
       weiteres gegen Holland und eine Niederlage gegen Österreich („Schmach von
       Córdoba“). Italien zieht ins Halbfinale ein, wird aber nur Vierter.
       
       ## 
       
       Wieder wird Geschichte geschrieben: Die deutsche Mannschaft um Karl-Heinz
       Rummenigge mauschelt sich mit einem 1:0 gegen Österreich („Die Schande von
       Gijón“) durch die Vorrunde – der Grund übrigens, weshalb seither bei
       Turnieren die letzten Gruppenspiele parallel ausgetragen werden. Und im
       Halbfinale setzen sie sich nach einem dramatischem 3:3 gegen die
       spielerisch überlegenen Franzosen um den heutigen [2][Uefa-Präsidenten
       Michel Platini] im Elfmeterschießen durch und präsentieren sich mit dem
       brutalen Foul von Torwart Harald Schumacher an Patrick Battiston abermals
       als verachtenswert.
       
       Auch die Italiener schreiben WM-Geschichte: Durch ein 3:2 gegen die
       vielleicht beste brasilianische Mannschaft überhaupt um Zico und Sócrates,
       der im letzten Spiel der Zwischenrunde ein Unentschieden genügt hätte, die
       aber nicht anders kann (und nicht anders will), als munter drauflos zu
       stürmen und von den Italienern eiskalt ausgekontert wird. Im Finale bringt
       Paolo Rossi die Italiener nach einer halbwegs ausgeglichenen ersten
       Halbzeit in Führung, Marco Tardelli und Alessandro Altobelli legen nach,
       ehe Paul Breitner den Spielstand korrigiert.
       
       Beide Mannschaften zeigen sich bei diesem Turnier als lebende Klischees:
       die Deutschen mit ihrem Rumpel- und die Italiener mit ihrem
       Zerstörungsfußball.
       
       ## 
       
       Beide Teams haben sich vor dieser EM in Deutschland verjüngt. Beim
       Auftaktspiel in Düsseldorf ist die Mannschaft um Franco Baresi überlegen.
       In der 53. Minute erzielt Roberto Mancini die Führung, doch wenige Minuten
       später erzielt Andreas Brehme mit einem Freistoß – der italienische Torwart
       Walter Zenga hatte den Ball zu lange festgehalten – den Ausgleich. Danach
       rettet die Elf um Lothar Matthäus das Unentscheiden über die Zeit. Die
       Italiener scheitern schließlich im Halbfinale an der Sowjetunion, die
       Deutschen am späteren Europameister Holland.
       
       ## 
       
       Es ist das letzte Gruppenspiel. Die deutsche Mannschaft um Matthias Sammer
       und Jürgen Klinsmann hat zwar die ersten beiden Spiele gewonnen, würde bei
       einer Niederlage aber rausfliegen. In der 9. Minute pariert der heutige
       DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke einen Strafstoß von Gianfranco Zola. Auch
       im Folgenden spielt Köpke eine überragende Partie und rettet das Remis. Die
       EM in England ist das einzige Turnier, bei dem die Deutschen auf Italien
       treffen und trotzdem am Ende als Sieger dastehen. Italien scheidet nach
       diesem 0:0 aus, Deutschland wird durch Oliver Bierhoffs „Golden Goal“ im
       Finale gegen Tschechien Europameister.
       
       ## 
       
       Die bitterste Niederlage. Bei der Heim-WM hat die sich das Team von Jürgen
       Klinsmann mit Offensivdrang und Euphorie ins Halbfinale gespielt. In
       Dortmund treffen Michael Ballack, Miroslav Klose & Co. auf die
       Defensivkünstler um Fabio Cannavaro und Gianluca Zambrotta. In einem
       rasanten Spiel haben beiden Mannschaften Chancen, doch keine von beiden
       kann sie nutzen.
       
       In der Verlängerung, in der, ungewöhnlich genug, drei italienische Stürmer
       auf dem Platz stehen, gewinnt Italien allmählich Dominanz und gelangt durch
       ein Tor von Fabio Grosso in der 119. Minute in Führung. In der
       Nachspielzeit der Verlängerung erzielt Alessandro del Piero sogar das 2:0;
       das „Somermärchen“ ist beendet, Italien wird danach Weltmeister.
       
       Drei der damaligen Weltmeister gehören 2012 noch zum Aufgebot: Torwart
       Gianluigi Buffon, Mittelfeldspieler Daniele de Rossi und Regisseur
       [3][Andrea Pirlo]. Auf deutscher Seite sind es fünf: Philipp Lahm,
       [4][Bastian Schweinsteiger], [5][Lukas Podolski], Miroslav Klose und Per
       Mertesacker.
       
       ## 
       
       Dieser einzigartigen Negativserie steht für die Deutschen immerhin eine
       positive Bilanz entgegen: Italien konnte einmal in Deutschland einen Titel
       gewinnen, eben bei der WM 2006, die Deutschen triumphierten dafür zweimal
       in Italien: bei der EM 1980 und der WM 1990. Beide Male überließ man es
       aber Anderen, zuvor die Gastgeber auszuschalten.
       
       Und noch ein Trost: Anders als Herberger-Weisheiten sind solche Serien
       nicht auf alle Zeiten unverrückbar. Spanien zum Beispiel konnte noch nie
       gegen Frankreich gewinnen – in keinem einzigen Pflichtspiel. [6][Und dann
       kam Xabi Alonso.]
       
       28 Jun 2012
       
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