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       # taz.de -- Frauenboxen bei Olympia: Voll auf die Fresse!
       
       > Es ist soweit: Zum ersten Mal boxen Frauen bei Olympia. Sie können dabei
       > Röcke tragen, müssen aber nicht. Eine der Favoritinnen ist die Inderin
       > Mary Kom.
       
   IMG Bild: Kein Mädchentennis! Mary Kom, Favoritin im Frauenboxen
       
       LONDON taz | Endlich ist sie da. Mangte Chungneijang Mary Kom Hmangte ist
       ins Olympische Dorf eingezogen. Am Sonntag steigt die Inderin in den Ring.
       Sie ist Boxerin. Nicht irgendeine. Fünfmal war sie in der jungen Geschichte
       des Frauenboxens Weltmeisterin. Nun soll sie Gold holen.
       
       Auf den Schultern der 29-Jährigen ruhen die Hoffnungen einer
       Milliardennation. Sie weiß, was von ihr erwartet wird. Seit März bereitet
       sie sich in Liverpool auf die Spiele vor. Sie will Geschichte schreiben bei
       diesem historischen Boxturnier. Denn zum ersten Mal boxen Frauen bei
       Olympischen Spielen um Medaillen.
       
       Bis gestern war MC Mary Kom, wie sie genannt wird, nur einmal kurz in
       London – zum offiziellen Wiegen. Sie war schlecht gelaunt, tat alles, um
       ihre Chancen kleinzureden. Sie machte noch einmal klar, dass sie weiß, wie
       schwer es für sie werden könnte. In Indien ist sie in die Kritik geraten,
       nachdem sie als Weltmeisterin bei den Asienspielen im Jahr 2010 nur Dritte
       geworden war. Sie musste in der Gewichtsklasse bis 51 Kilo, dem
       Fliegengewicht, kämpfen, so wie sie es in London auch tun wird. Ihre
       WM-Titel aber hat sie in den ganz niedrigen Klassen gewonnen. „Ich weiß,
       was zu tun ist. Ich will mich nicht beschweren“, sagt sie.
       
       ## Die Queen muss abspecken
       
       Mary Kom ist nicht die Einzige, die die Gewichtsklasse gewechselt hat, um
       sich den Traum von Olympia erfüllen zu können. Die US-Amerikanerin mit dem
       irrwitzigen Namen Queen Underwood beispielsweise ist eigentlich zu schwer
       für das Leichtgewicht. Sie musste abspecken.
       
       Das Frauenboxen befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Um dem Publikum
       ein ansehnliches Turnier bieten zu können, gibt es in London nur ein
       ausgewähltes Feld, das in drei Gewichtsklassen unterteilt ist.
       
       Die Größenunterschiede werden für kuriose Bilder sorgen. Aber eines ist
       gewiss: Boxen können alle 36 Teilnehmerinnen des Turniers. Die
       Qualifikation war alles andere als leicht. Nur wer bei der WM gut
       abgeschnitten hatte, konnte das Ticket für London lösen. Es gibt keine
       Fixplätze oder Quoten für die Nationen. Wer zu Olympia wollte, musste sich
       durchboxen.
       
       Hinter Mary Kom liegen viele Kämpfe. Nicht nur im Ring musste sie sich
       durchsetzen, auch gegen die Nachbarschaft in ihrem armen Heimatort
       Kangathei im äußersten Osten Indiens. Und gegen ihren Vater, der glaubte
       seine Tochter nicht mehr verheiraten zu können, nachdem er ein Bild von ihr
       als Siegerin eines regionalen Boxturniers gesehen hatte. Sie setzte sich
       durch.
       
       Heute kann sie, die die höchsten Auszeichnungen erhalten hat, die einer
       Sportlerin in Indien verliehen werden können, vom Boxen leben, hat
       Werbepartner, kann ihrer Familie, die lange viel zu wenig hatte, etwas
       zurückgeben. Sie ist ein Gesicht in Indien. Der Weltverband der
       Amateurboxer Aiba hat sie 2009 zur Botschafterin des Frauenboxens ernannt.
       Mit ihr, die 2001 ihren ersten WM-Titel gewann, ist das Frauenboxen groß
       geworden.
       
       Begonnen hat ihre Liebe zum Boxsport mit dem Erfolg von Dingko Singh beim
       Turnier der Asienspiele 1998. Auch Singh kommt aus der Provinz Manipur. Als
       Mary Kom sah, wie sehr er verehrt wurde nach seinem Sieg, wollte sie nur
       noch boxen. Jetzt wollen viele boxen, weil sie ihrem Vorbild folgen. Von
       der Mary Kom Regional Boxing Foundation werden Mädchen aus armen Familien
       in Manipur gefördert.
       
       Mary Kom boxte gegen gesellschaftlichen Widerstand, aber immerhin durfte
       sie boxen. Das war bei Gloria Peek anders. Die 62-Jährige ist Kotrainerin
       des US-Teams und kann sich noch gut an die Zeit erinnern, in der das
       Frauenboxen verboten war. „Damals stand es schwarz auf weiß in den Regeln:
       keine Frauen erlaubt. Als sie endlich das Frauenboxen erlaubt haben, war
       ich zu alt.“ Sie war bei der Armee, als sie mit dem Boxen begann, konnte da
       bei guten Trainern lernen und durfte doch nicht in den Ring steigen. So
       gründete sie in Rochester, New York, ihre eigene Boxschule, setzte sich
       dort für benachteiligte Jugendliche ein, aber vergaß dabei niemals das
       Boxen.
       
       ## Geile Zuschauer
       
       Dennoch betrachtet Peek das Engagement der Aiba für das Frauenboxen auch
       kritisch. Der Verband, der gerade auch das olympische Männerboxen neu
       erfindet, wollte die Frauen dazu verdonnern, Röcke zu tragen, um den Sport
       für männliche Fernsehzuschauer geiler zu machen. Peek findet das
       lächerlich. „Ein Rock verweist auf das Geschlecht, auf nichts anderes. Wie
       kann man bei einer Gladiatorensportart nur auf diese Idee kommen? Da hat
       ein Rock nichts verloren.“ Aiba-Präsident Wu Ching-Kuo wies Proteste von
       Frauenorganisationen jüngst zurück. Er habe doch nur dafür sorgen wollen,
       dass die mit Kopfschutz kämpfenden Männer und Frauen nicht verwechselt
       würden.
       
       Gloria Peek jedenfalls ist froh, dass die Rockpflicht doch nicht gekommen
       ist. Wer einen Rock tragen will, darf das. Die polnischen Boxerinnen haben
       das bei der vergangenen Europameisterschaft getan. Wer das nicht will, boxt
       wie bisher in Shorts.
       
       In solchen sind neben Mary Kom schon andere zum Star geworden.
       Weltmeisterin Katie Taylor hat die Fahne ihres Landes auf der
       Eröffnungsfeier ins Stadion getragen und gilt als einzige Goldhoffnung
       Irlands. Sie würde nie einen Minirock anziehen, nicht einmal, wenn sie
       abends ausgeht, hat sie im März mal gesagt.
       
       Mary Kom ist da offener. Sie ist zwar auch gegen eine Rockpflicht, findet
       Röcke im Frauensport aber nichts Verwerfliches. Im Tennis gebe es sie ja
       auch. Man darf gespannt sein, was sie trägt, wenn am Sonntag das Turnier
       beginnt.
       
       5 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
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