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       # taz.de -- +++ Erdbeben in Syrien und der Türkei +++: Zahl der Toten steigt auf über 17.000
       
       > Es wird immer unwahrscheinlicher, noch Überlebende in den vom Erdbeben
       > betroffenen Regionen zu finden. Erste UN-Hilfskonvois sind offenbar in
       > Syrien angekommen.
       
   IMG Bild: Nach dem Erdbeben in der syrischen Stadt Aleppo
       
       Gaziantep afp/rtr/dpa | Drei Tage nach dem verheerenden Erdbeben im
       türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Gesamtzahl der Todesopfer in beiden
       Ländern auf über 17.000 gestiegen. In der Türkei starben nach einer neuen
       Bilanz von Behörden und Rettungskräften 14.014 Menschen. Rettungskräfte in
       beiden Ländern versuchten derweil bei weiter eisigen Temperaturen, noch
       mögliche Überlebende zu finden. Es wird befürchtet, dass die [1][Zahl der
       Toten weiter steigen wird].
       
       ## Erster UN-Hilfskonvoi erreicht Syrien
       
       Am Donnerstagvormittag hat der erste Hilfsgüter-Konvoi der Vereinten
       Nationen einem Grenzschützer zufolge Syrien über die türkisch-syrische
       Grenze bei Bab al Hawa erreicht. Was Hilfe angehe, brauche die syrische
       Bevölkerung so gut wie alles, sagt der UN-Sondergesandte Geir Pedersen in
       Genf. Es dürfe keine politischen Hindernisse geben, um die Hilfe dorthin zu
       bringen, wo sie am dringendsten benötigt werde.
       
       Die Welthungerhilfe teilte mit, sie habe gemeinsam mit erfahrenen syrischen
       Partnerorganisationen begonnen, Hilfsgüter in Nordwestsyrien zu verteilen.
       Die Menschen in den nördlichen Gebieten der Provinzen Aleppo und Idlib
       seien besonders hart von den Erdbeben getroffen und für die
       Hilfsorganisationen bisher nur schwer zu erreichen. In einem ersten Schritt
       erhielten Haushalte Nahrungsmittel und Fertiggerichte, um die nächsten vier
       Wochen überleben zu können. Außerdem würden Zelte, Decken, warme Kleidung
       und Hygieneartikel wie Seife mit Hilfe von lokalen Partnern verteilt. In
       den kommenden Tagen sollen auch Latrinen für Behelfsunterkünfte errichtet
       werden.
       
       ## Die Suche nach Überlebenden wird immer schwieriger
       
       Die Suche nach Überlebenden wird immer mehr zu einem Wettlauf gegen die
       Zeit: Aus den Erfahrungen vergangener Katastrophen ist bekannt, dass
       ungefähr nach 72 Stunden die Wahrscheinlichkeit für das Finden von
       Überlebenden dramatisch sinkt.
       
       Diese Zeitspanne verstrich am Donnerstagmorgen. Hinzu kommen die äußerst
       ungünstigen Wetterbedingungen vor Ort. Im türkischen Gaziantep kampierten
       laut dem Bericht eines AFP-Korrespondenten in der Nacht erneut tausende
       Menschen im Freien – bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. „Ich habe
       Angst um jeden, der unter den Trümmern begraben ist“, sagte Melek Halici.
       Sie selbst lief mit ihrer in eine Decke gehüllten kleinen Tochter auf der
       Straße hin und her, weil dies wärmer sei, als irgendwo zu sitzen.
       
       „Unsere Kinder zittern“, berichtete auch ein 40-jähriger Mann. „Wir mussten
       Parkbänke anzünden und sogar einige Kleidungsstücke der Kinder“, fügte der
       fünffache Familienvater hinzu. „Sie hätten uns wenigstens Zelte geben
       können.“ Auch andere Einwohner der nahe des Epizentrums des Bebens
       liegenden Stadt beklagten ausbleibende Hilfe.
       
       ## Kritik an der türkischen Regierung
       
       Derweil mehrte sich zusehends Kritik am Krisenmanagement der Regierung. Die
       Kritik betraf auch eine mehrstündige Einschränkung von Twitter während
       eines [2][Besuchs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan] im
       Erdbebengebiet. Der Kurzbotschaftendienst war am Mittwoch größtenteils
       nicht mehr erreichbar gewesen, wie AFP-Journalisten, Nutzer in der Türkei
       und die Netzwerkverkehr-Beobachtungsstelle netblocks.org berichtet hatten.
       
       Führende türkische Oppositionspolitiker warnten davor, dass dadurch die
       Rettungsbemühungen blockiert werden könnten. Der Chef der säkularen
       Oppositionspartei CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, rief am Mittwoch dazu auf,
       „diese Schande“ sofort zu beenden.
       
       Gegen 3.00 Uhr nachts (MEZ) war Twitter dann laut netblocks.org wieder
       erreichbar. Twitter-Besitzer Elon Musk schrieb dazu vorher in dem
       Onlinedienst: „Twitter wurde von der türkischen Regierung informiert, dass
       der Zugang in Kürze wieder freigegeben wird.“
       
       Erdoğan hatte am Mittwoch „Defizite“ im Krisenmanagement nach der
       Katastrophe eingeräumt. Bei einem Besuch von zwei besonders betroffenen
       Regionen sagte er allerdings auch, es sei nicht möglich, „auf so ein
       Erdbeben vorbereitet zu sein“.
       
       ## Planung für Geberkonferenz läuft
       
       Weltweit sind inzwischen [3][Hilfsaktionen für die Erdbebenopfer]
       angelaufen. Die EU will Anfang März eine Geberkonferenz für Syrien und die
       Türkei abhalten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte am
       Mittwoch, die Türkei und Syrien könnten „auf die EU zählen“. Nach
       Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnten bis zu 23
       Millionen Menschen von den Folgen des Bebens betroffen sein.
       
       In den ersten Tagen hatten gesperrte Flughäfen und verschneite Straßen die
       Ankunft von Rettungsmannschaften und Hilfslieferungen verzögert. In Syrien
       kommt die politisch heikle Lage hinzu. Das Katastrophengebiet ist dort in
       von Damaskus kontrollierte Gebiete und Territorien unter der Kontrolle von
       Rebellen geteilt. Es wird befürchtet, dass der international geächtete
       Machthaber Baschar al-Assad Hilfslieferungen nur in von der Regierung
       kontrollierte Gebiete lässt.
       
       9 Feb 2023
       
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