URI: 
       # taz.de -- +++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++: Israel greift libanesische Küstenstadt Tyrus an
       
       > Israel hat die Tötung des potenziellen Nasrallah-Nachfolgers Haschem
       > Safieddin in Beirut bestätigt. Die Hisbollah feuert weiter Raketen auf
       > den Großraum Tel Aviv. Bundesaußenministerin Baerbock ist im Libanon
       > eingetroffen.
       
   IMG Bild: Rauch über dem Strand von Tyrus
       
       ## Baerbock in Beirut: „Libanon steht am Rande des Kollaps“
       
       Inmitten des kriegerischen Konflikts zwischen Israel und der
       Hisbollah-Miliz ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zu einem Besuch
       im Libanon eingetroffen. „Die humanitäre Lage in Libanon wird jeden Tag
       verzweifelter“, erklärte die Grünen-Politikerin bei ihrer Ankunft in Beirut
       am Mittwoch. „Der Libanon steht am Rande des Kollaps.“ Hunderttausende
       Menschen seien auf der Flucht, Kinder würden von ihren Eltern getrennt,
       Krankenhäuser arbeiteten am Rand ihrer Kapazität.
       
       Mit Blick auf die Hisbollah betonte Baerbock: „Auch in Libanon sehen wir,
       wie verantwortungslos sich Terroristen hinter Zivilistinnen und Zivilisten
       verstecken und von dort weiterhin Raketen auf Israel abfeuern.“ Das sei
       unerträglich. Gleichzeitig müsse Israel „seine Operationen an den engen
       Grenzen des Selbstverteidigungsrechts und des humanitären Völkerrechts
       ausrichten und das Leben unschuldiger Zivilistinnen und Zivilisten
       schützen“. Zudem seien beide Konfliktparteien verpflichtet, die
       UN-Friedenstruppen Unifil zu schützen.
       
       Die Unifil werde für eine Lösung des Konflikts gebraucht, sagte Baerbock
       weiter. Schlüssel zum Frieden sei eine vollständige Umsetzung der
       UN-Resolution 1701. Diese sieht eine Art entmilitarisierte Zone im
       Grenzgebiet unter Aufsicht der Unifil vor. Bei ihren Gesprächen in Beirut
       und anschließend bei einer Libanon-Konferenz in Paris wolle sie „ausloten,
       wie wir auf diesem schwierigen Weg vorankommen können und zugleich dazu
       beitragen, das humanitäre Leid zu lindern“. (rtr)
       
       ## Israelisches Militär greift libanesische Küstenstadt Tyrus an
       
       Das israelische Militär hat nach Angaben der libanesischen
       Nachrichtenagentur NNA die Küstenstadt Tyrus angegriffen. Auf Live-Bildern
       im arabischen Fernsehen war zu sehen, wie dichte Rauchwolken aus Gebäuden
       in der Innenstadt aufstiegen.
       
       Zuvor hatte das israelische Militär Evakuierungsaufrufe an die Bewohner in
       Tyrus gerichtet. Auf einer Karte markierte die Armee große Teil der
       östlichen Innenstadt des Küstenorts als Ziele anschließender Angriffe. Sie
       forderte die Bewohner auf, sich nördlich des Awali-Flusses in Sicherheit zu
       bringen. Das Gebiet liegt etwa 40 Kilometer von Tyrus entfernt.
       
       Unter den noch verbliebenen Bewohnern brach Augenzeugen zufolge Panik aus.
       Einige flüchteten an den Strand. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA
       berichtete, dass der Zivilschutz versuche, den Verkehr zu regeln. Im
       Libanon gibt es für die Bevölkerung keine Schutzräume im Fall von
       Luftangriffen. (dpa)
       
       ## Lufthansa setzt Flüge nach Beirut und Teheran länger aus
       
       Wegen der anhaltenden Kämpfe im Nahen Osten hat die Lufthansa-Gruppe
       weitere Flüge in die Region gestrichen. Die Verbindungen in die
       libanesische Hauptstadt Beirut bleiben bis einschließlich 28. Februar 2025
       ausgesetzt, wie das Unternehmen in Frankfurt für all seine Gesellschaften
       mitteilte. Die iranische Hauptstadt Teheran wird zunächst bis
       einschließlich 31. Januar 2025 nicht angeflogen.
       
       Bereits am Vortag hatte der Konzern seinen Flugstopp nach Tel Aviv in
       Israel bis zum 10. November verlängert. Die Tochter Eurowings soll dort bis
       einschließlich 30. November nicht landen. Betroffene Fluggäste können
       kostenfrei auf ein späteres Reisedatum umbuchen oder den Ticketpreis
       zurückerhalten. (dpa)
       
       ## Polio-Impfung im Gazastreifen wegen Bombardierungen gestoppt
       
       Die Polio-Impfkampagne im Gazastreifen kann wegen heftiger Bombardierungen
       und der neuen Vertreibung von Anwohnern nicht wie geplant fortgesetzt
       werden. Das Programm im nördlichen Teil des Gazastreifens könne nicht wie
       geplant beginnen, teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf mit.
       Dort sollten rund 120.000 Kinder unter zehn Jahren mit der zweiten
       Impfdosis versorgt werden.
       
       Die erste Runde Mitte September war ohne größere Zwischenfälle verlaufen.
       Im mittleren und südlichen Gazastreifen erhielten fast 443.000 Kinder
       bereits ihre zweite Impfdosis.
       
       Israel hat die Angriffe auf mutmaßliche Verstecke der Terrororganisation
       Hamas im nördlichen Gazastreifen verstärkt. Tausende Menschen wurden
       aufgerufen, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Dass soll dazu dienen,
       zivile Opfer zu vermeiden. Es gibt aber kaum Zufluchtsstätten für die
       Menschen.
       
       Die eigentlich zugesagten humanitären Kampfpausen würden nicht eingehalten,
       teilte die WHO mit. Die Zone, für die humanitäre Kampfpausen vereinbart
       worden waren, sei verkleinert worden. Die Pausen sollten es möglich machen,
       dass Familien mit ihren Kindern zu den Impfzentren gehen oder dass mobile
       Teams Familien Zuhause oder in Notaufnahmelagern erreichen können.
       
       Die WHO warnte vor den Folgen: „Wenn eine beträchtliche Anzahl von Kindern
       ihre zweite Impfdosis nicht erhält, wird dies die Bemühungen, die
       Übertragung des Poliovirus im Gazastreifen zu stoppen, ernsthaft
       gefährden“, hieß es. (dpa)
       
       ## Hisbollah feuert erneut Raketen auf Tel Aviver Großraum
       
       Am zweiten Tag in Folge hat die libanesische [1][Hisbollah]-Miliz Raketen
       auf den Großraum Tel Aviv abgefeuert. Im Stadtzentrum der Küstenmetropole
       gab es Raketenalarm, Menschen eilten in Schutzräume. Es waren dumpfe
       Explosionen zu hören.
       
       Die Hisbollah behauptete, sie habe ein israelisches Geheimdienstzentrum
       nördlich von Tel Aviv getroffen. Die israelische Armee teilte dagegen mit,
       zwei aus dem Libanon abgefeuerte Geschosse seien von der Raketenabwehr
       abgefangen worden. Nach Medienberichten wurden Autos in Herzlija nördlich
       von Tel Aviv von herabfallenden Raketenteilen getroffen und beschädigt.
       
       Der Rettungsdienst Magen David Adom teilte mit, einige Menschen hätten sich
       verletzt, als sie in Schutzräume liefen. Am Dienstag hatte die libanesische
       Hisbollah-Miliz bereits fünf Raketen auf den Großraum Tel Aviv abgefeuert.
       (dpa)
       
       ## Israel bestätigt Tötung von potenziellem Nasrallah-Nachfolger
       
       [2][Israel] hat die Tötung des potenziellen [3][Nasrallah]-Nachfolgers
       Haschem Safieddin in Beirut bestätigt. „Es kann nun bestätigt werden, dass
       bei einem Angriff vor etwa drei Wochen Haschem Safieddin, der Chef des
       Exekutivrats der Hisbollah, und Ali Hussein Hasima, der Chef des
       Nachrichtendienstes der Hisbollah, zusammen mit anderen
       Hisbollah-Kommandeuren getötet wurden“, erklärte die israelische Armee am
       Dienstagabend. Die proiranische Hisbollah äußerte sich zunächst nicht dazu.
       
       Die israelische Luftwaffe habe vor drei Wochen „einen präzisen, auf
       Geheimdienstinformationen basierenden Angriff auf das Hauptquartier der
       Hisbollah“ im südlichen Beiruter Vorort Dahijeh ausgeführt, der wichtigsten
       Hisbollah-Hochburg in der libanesischen Hauptstadt. Während des Angriffs
       hätten sich mehr als 25 Hisbollah-Kämpfer dort aufgehalten, „darunter Bilal
       Saib Aisch“, der für die Sammlung von Luftwaffeninformationen zuständig
       gewesen sei.
       
       „Wir haben Nasrallah, seinen Nachfolger und den Großteil der Führungsspitze
       der Hisbollah erreicht“, sagte der israelische Armeechef Herzi Halevi nach
       der Bestätigung von Safieddins Tod.
       
       Laut Hisbollah-Kreisen war Safieddin, ein Cousin Nasrallahs und eines der
       wichtigsten Mitglieder des Hisbollah-Schura-Rates, „der wahrscheinlichste
       Kandidat“ für dessen Nachfolge an der Spitze der vom Iran finanzierten und
       militärisch hochgerüsteten Miliz. Safieddins Alter wurde auf Ende 50 oder
       Anfang 60 geschätzt.
       
       Safieddin pflegte enge religiöse Verbindungen zum Iran, der Schutzmacht der
       Hisbollah im Libanon. In der heiligen iranischen Stadt Ghom absolvierte er
       ein Islamstudium. Auch familiär war Safieddin dem Iran verbunden: Sein Sohn
       ist mit Seinab verheiratet, der Tochter des für Auslandsoperationen
       zuständigen mächtigen iranischen Generals Qasim Soleimani, der 2020 bei
       einem US-Luftangriff im Irak getötet wurde.
       
       Die USA und Saudi-Arabien stuften Safieddin 2017 als gesuchten
       „Terroristen“ ein. Das US-Finanzministerium bezeichnete ihn als
       „hochrangigen Anführer“ der Hisbollah und als „Schlüsselmitglied“ ihrer
       Exekutive.
       
       Die Hisbollah äußerte sich nicht zum Tod von Safieddin, die israelische
       Armee erklärte aber, dass die unter anderem von den USA als
       Terrororganisation eingestufte Miliz am Dienstag weiter Raketen und
       Flugkörper auf Israel abgefeuert habe. Bis zum späten Dienstagabend seien
       etwa 140 Geschosse aus dem Libanon nach Israel gelangt, hieß es in einer
       Armee-Erklärung. (afp)
       
       ## Israel vereitelt laut UN-Hilfslieferungen in den Norden von Gaza
       
       Das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten hat Israel vorgeworfen, Bitten
       um lebensrettende Hilfe für die Palästinenser im Norden des Gazastreifens
       abzulehnen. Den Menschen dort gingen die Mittel für ihr Überleben rasch
       aus, meldete das Büro, bekannt als Ocha, laut Angaben eines UN-Sprechers
       vom Dienstag. Israel habe jedoch Hilfslieferungen abgelehnt.
       
       UN-Sprecher Farhan Haq sagte in New York, Ocha habe die israelischen
       Behörden außerdem ersucht, Hilfe bei der Rettung von Dutzenden Menschen zu
       leisten, die unter ihren eingestürzten Häusern im Flüchtlingslager
       Dschabalia im Norden des Gazastreifens eingeschlossen seien. Auch dieses
       Ersuchen sei abgelehnt worden. Zu den abgelehnten Anträgen des Ocha
       gehörten dem Sprecher zufolge geplante Missionen von UN-Organisationen und
       ihren Partnern zur Lieferung von Hilfsgütern wie Blutreserven,
       Medikamenten, Lebensmittelpaketen und Treibstoff an Krankenhäuser.
       
       Die USA forderten Israel Anfang Oktober auf, die Hilfslieferungen, die es
       in den Gazastreifen einfahren lasse, innerhalb von 30 Tagen zu erhöhen.
       Andernfalls könnte das Land Zugang zu US-Finanzhilfen verlieren. Mindestens
       350 Lastwagen pro Tag müssten in den Gazastreifen gelangen, zudem müsse
       Israel zusätzliche Feuerpausen einrichten und die Sicherheit für die
       Verteilung der Hilfsgüter verbessern. Ocha berichtete, dass 25 Lastwagen am
       Sonntag, 25 am Samstag und 65 am Freitag im Gazastreifen eingetroffen
       seien. (ap)
       
       ## Vier Millionen Palästinenser bis Ende 2024 von Armut betroffen
       
       Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden bis Ende dieses Jahres mehr
       als vier Millionen Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland in
       Armut leben. Mit dem zweiten Kriegsjahr ist die Wirtschaft weiter ins
       Stocken geraten, wie ein am Dienstag veröffentlichter Bericht des
       UN-Entwicklungsprogramms und der UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für
       Westasien zeigt. Dem Bericht zufolge ist davon auszugehen, dass das
       Bruttoinlandsprodukt der palästinensischen Gebiete in diesem Jahr im
       Vergleich zu einem Szenario ohne Krieg um 35,1 Prozent schrumpfen und die
       Arbeitslosigkeit möglicherweise auf 49,9 Prozent steigen wird.
       
       Der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms, Achim Steiner, sagte dazu, dass
       sich neben den „schrecklichen Verlusten an Menschenleben“ auch eine ernste
       Entwicklungskrise entfalte – „eine Krise, die die Zukunft der Palästinenser
       für kommende Generationen gefährdet“. Schätzungen zufolge wird die Armut in
       den palästinensischen Gebieten in diesem Jahr auf 74,3 Prozent ansteigen.
       4,1 Millionen Menschen werden davon betroffen sein, darunter 2,6 Millionen,
       die infolge des Krieges neu verarmt sind. Selbst wenn die Palästinenser
       jedes Jahr humanitäre Hilfe erhalten würden, könnte die Wirtschaft ihr
       Vorkrisenniveau erst in einem Jahrzehnt oder später wieder erreichen,
       befürchtet Steiner. (ap)
       
       23 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hisbollah/!t5013530
   DIR [2] /Israel/!t5007708
   DIR [3] /Tod-von-Hassan-Nasrallah/!6036732
       
       ## TAGS
       
   DIR Israel
   DIR Hisbollah
   DIR Palästina
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Raketenangriff
   DIR Tel Aviv
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Hamas
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR   Itamar Ben-Gvir
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR +++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++: Israel attackiert Ziele im Iran
       
       Einen Monat nach den Raketenangriffen des Iran hat Israel zum Gegenschlag
       ausgeholt. Vor allem Militäranlagen wurden getroffen. Zwei iranische
       Soldaten sollen dabei getötet worden sein.
       
   DIR Israelische Kriegsdienstverweigerer: Nicht mehr ihr Krieg
       
       130 israelische Deserteure erklären in einem gemeinsamen Brief, warum sie
       sich weigern, weiter zu kämpfen. Die taz hat mit drei von ihnen gesprochen.
       
   DIR Folgen des 7. Oktobers: Das Leid der Überlebenden
       
       Viele Besucher*innen des Nova-Festivals leiden unter psychischen
       Problemen. Nun macht die erste Familie den Suizid einer Überlebenden
       öffentlich.
       
   DIR Deutsche Waffenlieferungen an Israel: Scholz macht sich mitschuldig
       
       Während in Israel rechte Minister von der Besiedlung Gazas träumen,
       versichert Kanzler Scholz, weitere Waffen zu liefern. Dem Frieden hilft das
       nicht.
       
   DIR Radikale Pläne in Israel: Workshops, Tanz und Siedlerfantasien
       
       Hochrangige israelische Politiker machen auf einer Siedlerkonferenz ihre
       Pläne für Gaza deutlich: „Das Land gehört uns“, sagt Minister Ben-Gvir.