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       # taz.de -- +++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++: Chaos bei Verteilung der Hilfslieferungen in Gaza
       
       > Eine US-Stiftung hat ihr Verteilzentrum für Hilfsgüter in Gaza eröffnet.
       > Dort brach Chaos aus. Laut Rettungskräften wurden drei Menschen getötet.
       
   IMG Bild: Palästinenser:innen holen am 27. Mai am neuen Verteilungszentrum der GHF in Gaza Lebensmittel ab
       
       ## Chaos bei der Eröffnung des Verteilungszentrums
       
       Die Verteilung von Hilfsgütern im umkämpften Gazastreifen durch eine neue
       Stiftung soll trotz anfänglicher Tumulte weitergehen. Das teilte die Gaza
       Humanitarian Foundation (GHF) nach Berichten über die Stürmung eines neuen
       Verteilungszentrums im Süden des Küstenstreifens und Plünderungen mit –
       dabei soll es laut palästinensischen Angaben mehrere Tote und Dutzende
       Verletzte gegeben haben. Lastwagen mit weiteren Hilfsgütern sollen der
       Stiftung zufolge heute in den Gazastreifen einfahren, die Liefermengen
       sollen täglich größer werden.
       
       Nach der Eröffnung des von unzähligen hungrigen Menschen belagerten
       GHF-Zentrums im Süden des dicht besiedelten Gebiets – insgesamt sind vier
       Zentren geplant – war es laut israelischen Medienberichten und Augenzeugen
       zu chaotischen Szenen gekommen. US-Wachleute gaben demnach Warnschüsse ab,
       Menschen seien in Panik geraten. Später berichteten palästinensische
       Rettungskräfte, drei Menschen seien durch Schüsse der israelischen Armee
       getötet und dutzende weitere verletzt worden. Die Armee äußerte sich
       zunächst nicht zu dem Vorfall.
       
       Die Stiftung teilte dazu mit, angesichts des großen Andrangs am
       Verteilungszentrum in Rafah habe das GHF-Team sich punktuell zurückgezogen,
       „um es einer kleinen Anzahl von Gaza-Einwohnern zu erlauben, Hilfsgüter auf
       sichere Weise zu nehmen und sich wieder zu zerstreuen“. Das Team habe sich
       dabei an das Sicherheitsprotokoll gehalten, um Opfer zu verhindern. Die
       normale Arbeit sei danach wieder aufgenommen worden. (dpa)
       
       ## Stiftung beklagt Behinderungen durch Hamas
       
       Angesichts einer monatelangen Blockade von Hilfsgütern durch Israel, die
       zuletzt etwas gelockert worden war, hat sich die verzweifelte Lage vieler
       Menschen in dem umkämpften Küstenstreifen nochmals verschlimmert. In dem
       von rund zwei Millionen Palästinensern besiedelten Gebiet, das zu weiten
       Teilen zerstört ist, [1][fehlt es an Nahrungsmitteln, Trinkwasser,
       Medikamenten und nahezu allen Dingen des täglichen Bedarfs].
       
       Die GHF soll nach dem Willen der israelischen Regierung künftig für die
       Verteilung der Hilfsgüter zuständig sein. Bisher seien rund 8.000
       Lebensmittelpakete verteilt worden, teilte die Stiftung mit. Jedes Paket
       könne etwa fünf bis sechs Menschen für dreieinhalb Tage ernähren. Insgesamt
       seien es 462.000 Mahlzeiten. Allerdings sei es wegen Behinderungen durch
       die islamistische Hamas zu mehreren Stunden Verzögerung bei der
       Auslieferung gekommen. (dpa)
       
       ## Hamas nennt neue Verteilungsmethode „totalen Misserfolg“
       
       Das Hamas-Medienbüro teilte nach dem Vorfall mit, der von Israel initiierte
       Mechanismus zur Verteilung von Hilfsgütern sei ein „totaler Misserfolg“.
       Das von der Terrororganisation kontrollierte Innenministerium hatte die
       Einwohner des Gazastreifens zuvor dazu aufgerufen, den neuen
       Verteilmechanismus zu boykottieren.
       
       Mit der von den USA unterstützten Verteilstrategie will die israelische
       Regierung nach eigenen Angaben verhindern, dass die Hamas Lieferungen für
       ihre eigenen Zwecke abzweigt und weiterverkauft, um damit dann Kämpfer und
       Waffen zu bezahlen. UN-Vertreter sagen, Israel habe keine Beweise dafür
       vorgelegt.
       
       Die vier GHF-Verteilungszentren im Süden und im Zentrum des Gazastreifens
       sollen von US-Sicherheitsfirmen betrieben werden. Israel will so
       Hilfsorganisationen der UN und anderer internationaler Helfer umgehen.
       (dpa)
       
       ## Netanjahu spricht von „momentanem Kontrollverlust“
       
       Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am
       Dienstagabend von einem „momentanen Kontrollverlust“ bei der Verteilung der
       Hilfsgüter. „Wir haben es wieder unter Kontrolle gebracht“, sagte er bei
       einer Ansprache. Man werde weitere Zentren eröffnen.
       
       „Die Idee ist grundsätzlich, der Hamas die Plünderungen humanitärer
       Hilfsgüter als ein Kriegsinstrument wegzunehmen und sie der Bevölkerung zu
       geben“, so Netanjahu. Ziel sei es, „eine sterile Zone im Süden Gazas zu
       haben, in der die gesamte Bevölkerung sich zu ihrem eigenen Schutz bewegen
       kann“.
       
       [2][Viele Palästinenser befürchten eine neue Welle der Flucht und
       Vertreibung aus dem Gazastreifen], ähnlich wie während des Kriegs im Zuge
       der israelischen Staatsgründung 1948 und während des Sechstagekriegs 1967.
       An Israels Vorgehen in dem Küstengebiet, wo täglich Dutzende Tote infolge
       israelischer Angriffe gemeldet werden, [3][gibt es international massive
       Kritik]. (dpa)
       
       ## Chef der Stiftung kurz vor Anlaufen der Hilfe zurückgetreten
       
       Die US-Regierung begrüßte die neu angelaufene Verteilung von Hilfsgütern im
       Gazastreifen – und ging zugleich auf Abstand zur dahinterstehenden
       Stiftung. Man spreche nicht für die GHF, betonte die Sprecherin des
       Außenministeriums, Tammy Bruce. Kritik vonseiten der Vereinten Nationen und
       internationaler Hilfsorganisationen, die Stiftung sei nicht unabhängig und
       agiere im Interesse Israels, nannte Bruce „bedauerlich“. Es sei „die Höhe
       der Heuchelei“, sich darüber zu beklagen, wer die Hilfe bringe oder wie sie
       organisiert sei.
       
       Kurz vor dem Anlaufen der Hilfe war der GHF-Vorsitzende Jake Woods – ein
       US-Militärveteran – zurückgetreten. Berichten zufolge hielt er es nicht für
       möglich, den unter seiner Führung entwickelten Plan umzusetzen und
       gleichzeitig „die humanitären Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität,
       Unparteilichkeit und Unabhängigkeit“ zu wahren. (dpa)
       
       28 May 2025
       
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