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       # taz.de -- +++ Nachrichten im Nahostkrieg +++: Sicherheitsrat fordert Waffenruhe
       
       > Monatelang war der Weltsicherheitsrat in der Frage einer Waffenruhe im
       > Gaza-Krieg gespalten. Doch nun ändern die USA trotz Drohungen aus Israel
       > ihren Kurs.
       
   IMG Bild: Kein Nein: US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield im Sicherheitsrat
       
       ## Netanjahu sagt Reise von Delegation in die USA ab
       
       Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nach dem Votum des
       UN-Sicherheitsrats für eine Waffenruhe im Gazastreifen die Reise einer
       israelischen Delegation nach Washington abgesagt. Die USA hatten bei der
       Abstimmung am Montag im Sicherheitsrat auf ihr Vetorecht verzichtet und
       sich enthalten.
       
       Netanjahu kritisierte, die USA seien dabei von ihrer „prinzipeinfesten
       Haltung“ abgewichen, weil sie die Freilassung der von der
       Palästinenserorganisation Hamas entführten israelischen Geiseln nicht zur
       Bedingung einer Waffenruhe gemacht hätten.
       
       Die israelische Delegation sollte Vertretern des Weißen Hauses Pläne für
       eine erwartete Bodeninvasion in der strategisch wichtigen Stadt Rafah im
       Gazastreifen vorlegen, in der mehr als eine Million palästinensische
       Zivilisten Schutz vor dem Krieg gesucht haben. (ap)
       
       ## USA lassen Resolution passieren
       
       Fast sechs Monate nach Kriegsbeginn hat der Weltsicherheitsrat erstmals
       eine „sofortige Waffenruhe“ [1][im Gazastreifen] gefordert. Zudem verlangt
       das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen die umgehende und
       bedingungslose [2][Freilassung aller von der islamistischen Hamas
       festgehaltenen Geiseln]. Die Vetomacht USA enthielt sich bei der Abstimmung
       am Montag und ermöglichte damit die Annahme der Resolution.
       
       Die 14 übrigen Mitglieder des Gremiums stimmten dafür. Durch den
       völkerrechtlich bindenden Beschluss steigt der internationale Druck auf die
       Konfliktparteien Israel und die Hamas weiter. Es ist jedoch fraglich, ob
       oder inwieweit die Resolution Einfluss auf Entscheidungen der israelischen
       Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu oder der Hamas zum
       weiteren Kriegsverlauf haben wird.
       
       [3][Netanjahu] drohte unmittelbar vor der Abstimmung bereits damit, dass er
       die geplante Reise zweier seiner Abgesandten nach Washington kurzfristig
       absagen werde, sollten die USA ihre Vetomacht nicht nutzen, um die
       Resolution zu verhindern. Nun hat er die Reise abgesagt.
       
       Bemühungen um eine Forderung des Weltsicherheitsrats nach einer Waffenruhe
       waren bislang vor allem am Widerstand der Vetomacht USA gescheitert. Seit
       Kriegsbeginn im Oktober vergangenen Jahres hatte Washington sich als
       engster Verbündeter Israels gegen eine Waffenruhe gewandt und drei Vetos
       gegen entsprechende Resolutionen eingesetzt. Allenfalls forderten
       US-Vertreter kürzere „Feuerpausen“.
       
       Angesichts der [4][steigenden Zahl ziviler Opfer und einer drohenden
       Hungersnot] in Teilen des abgeriegelten Küstenstreifens verstärkten die USA
       zuletzt aber den Druck auf Israel. Auch US-Präsident Joe Biden äußerte sich
       zunehmend kritisch, etwa mit Blick auf die von Israel geplante
       Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens.
       
       Dort haben Hunderttausende Binnenflüchtlinge Schutz vor den Kämpfen
       gesucht. Am Freitag vollzog Washington die Kehrtwende und forderte in einer
       Resolution erstmals „eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe“ im
       Gaza-Krieg. Doch Russland und China legten ihr Veto ein. Die
       Beschlussvorlage ging Moskau und Peking nicht weit genug – in ihren Augen
       war der Text unter anderem zu proisraelisch und stellenweise nicht
       ausreichend verbindlich.
       
       Der nun angenommene knappe Resolutionstext konzentriert sich auf die
       Forderung nach „einer von allen Seiten respektierten sofortigen Waffenruhe
       für den (islamischen Fastenmonat) Ramadan“. Dies solle zu einer
       „dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe“ führen, hieß es in dem Text.
       Zudem fordert die Beschlussvorlage die sofortige und bedingungslose
       Freilassung aller Geiseln und betonte die „große Sorge angesichts der
       katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen“. Die Hilfslieferungen für
       die Zivilbevölkerung müssten ausgebaut werden.
       
       Die Resolution war von nichtständigen Mitgliedern des UN-Gremiums
       eingebracht worden. Eine erste geplante Abstimmung am Samstag dazu war
       kurzfristig verschoben worden, um mehr Zeit für Verhandlungen zu gewinnen.
       Ein Diplomat erklärte vorab, insbesondere mit den USA sei intensiv
       verhandelt worden.
       
       Eine Resolution im Weltsicherheitsrat braucht die Stimmen von mindestens 9
       der 15 Mitgliedsstaaten. Zudem darf es kein Veto der ständigen Mitglieder
       USA, Russland, China, Frankreich oder Großbritannien geben. Beschlüsse des
       Sicherheitsrats sind völkerrechtlich bindend. Wenn ein betroffener Staat
       sie ignoriert, kann das Gremium Sanktionen verhängen – was im Falle Israels
       wegen der Vetomacht der USA nicht als wahrscheinlich gesehen wird.
       
       Der Ramadan hatte um den 10. März begonnen. Hoffnungen, es könne bis zum
       Beginn des Fastenmonats ein Abkommen der Konfliktparteien zu einer
       Feuerpause und der weiteren Freilassung von Geiseln geben, erfüllten sich
       nicht.
       
       Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200
       Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in
       Israel verübt hatten. (dpa, ap)
       
       ## Baerbock an Israel: Großoffensive auf Rafah darf es nicht geben
       
       [5][Bundesaußenministerin Annalena Baerbock] hat Israel eindringlich zu
       einem Verzicht auf die geplante Bodenoffensive gegen die islamistische
       Hamas in Rafah im südlichen Gazastreifen aufgerufen. „Eine Großoffensive
       auf Rafah darf es nicht geben“, warnte die Grünen-Politikerin am Montag in
       Kairo nach einem Treffen mit ihrem ägyptischen Kollegen Samih Schukri. In
       einem Statement auf dem Flughafen von Kairo warnte Baerbock vor dem Abflug
       nach Israel angesichts der dramatischen humanitären Lage in Gaza: „Menschen
       können sich nicht in Luft auflösen.“
       
       Am Dienstagvormittag war bei Baerbocks sechstem Besuch in Israel seit dem
       Terrorangriff der Hamas auf das Land vom 7. Oktober ein Treffen mit ihrem
       israelischen Kollegen Israel Katz in Jerusalem geplant. Offen war, in
       welcher Atmosphäre das Gespräch von Baerbock mit Katz stattfinden wird.
       
       Nachdem die Bundesaußenministerin Israel und die Hamas am Vortag auf X
       (früher Twitter) zu einer sofortigen humanitären Feuerpause aufgerufen
       hatte, die zu einem Waffenstillstand führen solle, entgegnete Katz auf X:
       „Wir erwarten von unseren Freunden, dass sie Israel in diesen
       herausfordernden Zeiten weiterhin unterstützen und es nicht gegen die
       Terrororganisation Hamas schwächen.“ Ein humanitärer Waffenstillstand könne
       ohne die Freilassung israelischer Geiseln nicht aufrechterhalten werden.
       Der Minister fügte hinzu: „Wir müssen weiterhin zusammenarbeiten, um die
       humanitäre Hilfe für Gaza zu erhöhen.“
       
       In Rafah im südlichen Teil des Gazastreifens suchen Schätzungen zufolge 1,5
       Millionen der 2,2 Millionen der Küstenregion auf engstem Raum Schutz vor
       den Kämpfen in den anderen Teilen Gazas. Israels Regierungschef Benjamin
       Netanjahu zufolge hat die Armee Pläne ausgearbeitet, um die Zivilisten in
       Sicherheit zu bringen.
       
       Die Bundesaußenministerin unterstrich in Kairo, Hilfslieferungen aus der
       Luft und über das Meer könnten nur einen geringen Beitrag zur Versorgung
       der Menschen in Gaza leisten. „Was wir brauchen, ist die Öffnung des
       Landweges.“ Es gebe hier eine Verantwortung der israelischen Regierung,
       Zugang zu Nahrung und Wasser sowie sichere Fluchtorte zu garantieren.
       Baerbock hielt Israel vor, nicht stark genug zwischen militärischen und
       zivilen Zielen zu unterscheiden. Dies wie auch die humanitäre Situation
       förderten den Terror im Gazastreifen weiter. „Es wird keine Geisel
       befreien, wenn Kinder in Gaza derzeit verhungern“, sagte sie an die
       israelische Regierung gewandt.
       
       Die Ministerin plädierte dafür, das Leid auf beiden Seiten zu sehen und es
       nicht gegeneinander auszuspielen. „Wir müssen alles dafür tun, dass die
       furchtbare Situation für die Menschen in Gaza endlich aufhört. Und wir
       müssen alles dafür tun, dass die Familien, die seit über fünf Monaten auf
       ihre Liebsten, auf ihre Töchter, Söhne, Eltern warten, dass diese Menschen
       endlich nach Hause kommen und die Bedrohung Israels von der
       Terrororganisation Hamas aus ein Ende hat.“
       
       Insgesamt werden noch mehr als 130 Geiseln im Gazastreifen festgehalten.
       Davon sind vermutlich nur noch etwa hundert am Leben. Wie viele Deutsche
       unter den Geiseln sind, ist unklar. Im November waren unter anderem 14
       deutsche Staatsbürger zusammen mit anderen Geiseln freigelassen worden.
       
       Am Montagabend stand für die Bundesaußenministerin ein Besuch der
       Palästinensischen Gebiete auf dem Programm. In Ramallah wollte Baerbock mit
       dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und Außenminister Riad Malki
       sprechen.
       
       Abbas hatte die Hamas Mitte Februar einem Medienbericht zufolge
       aufgefordert, rasch ein Geisel-Abkommen mit Israel zu schließen. Die
       Islamistenorganisation solle einem solchen Deal zustimmen, um das
       palästinensische Volk zu schützen und einen israelischen Angriff auf die
       Stadt Rafah zu verhindern. Den Menschen müsse eine weitere Katastrophe
       erspart werden. Ein Angriff auf Rafah werde zu Tausenden Opfern, Leid und
       Vertreibung führen.
       
       Baerbock hatte zum Auftakt ihrer Reise angekündigt, es werde erneut auch
       darum gehen, wie ein politischer Horizont nach dem Ende des Gaza-Kriegs
       aussehen könne. „Nur die Perspektive auf eine Zweistaatenlösung mit einer
       reformierten Palästinensischen Autonomiebehörde als ersten Schritt in
       Richtung eines demokratischen palästinensischen Staates kann den Menschen
       ein Leben in Sicherheit und Würde bieten“, forderte sie. Mit
       Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der
       friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Netanjahu lehnt eine
       Zweistaatenlösung ebenso wie die Palästinenserorganisation Hamas ab. (dpa)
       
       ## Israelische Vorstöße gegen drei Krankenhäuser
       
       Im Gazastreifen setzt Israel seine Angriffe auf Krankenhäuser fort. In
       Gaza-Stadt führe das Militär neue „präzise“ Einsätze im
       Al-Schifa-Krankenhaus-Komplex aus, teilte die Armee am Montag mit. Die
       Soldaten würden dabei Verletzungen von Zivilisten, Patienten und
       medizinischem Personal sowie Beschädigungen der medizinischen Einrichtungen
       vermeiden. Über 500 Mitglieder der radikal-islamischen Organisationen Hamas
       und Islamischer Dschihad seien seit Beginn der Vorstöße gegen das
       Al-Schifa-Krankenhaus vor einer Woche festgenommen worden. Das
       Gesundheitsministerium im Gazastreifen erklärte, Hunderte von Patienten und
       medizinischem Personal würden in der Anlage festgehalten.
       
       Fortgesetzt wurden auch die am Sonntag gestarteten Vorstöße gegen die
       Krankenhäuser Al-Amal und Nasser in der südlichen Stadt Chan Junis. Dort
       seien 20 „Terroristen“ ausgeschaltet worden. Reuters konnte die Angaben
       nicht überprüfen. Israel wirft der Hamas vor, Krankenhäuser als Stützpunkte
       und Waffenlager zu missbrauchen. Die Hamas und das Klinikpersonal
       bestreiten dies.
       
       Palästinensische Mediziner teilten mit, in der mit Flüchtlingen überfüllten
       Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten seien in den vergangenen 24 Stunden 30
       Menschen durch israelische Angriffe getötet worden. „Bei jedem
       Bombenangriff in Rafah befürchten wir, dass die Panzer kommen werden.
       
       Die letzten 24 Stunden waren einer der schlimmsten Tage, seit wir nach
       Rafah gezogen sind“, sagte Abu Khaled, ein Vater von sieben Kindern, der
       aus Angst vor Repressalien seinen vollen Namen nicht nennen wollte. Israels
       Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beharrt auf eine Offensive gegen
       Rafah, wo das Militär viele Hamas-Kämpfer und Führungsfiguren vermutet. UN
       und westliche Staaten warnen vor einer humanitären Katastrophe, sollte
       Israel einen Bodenangriff starten.
       
       Unterdessen kommen die von internationalen Vermittlern unterstützten
       Verhandlungen über eine Feuerpause zwischen Israel und Hamas nicht voran.
       Die Extremistenorganisation pocht nach wie vor darauf, dass mit einem
       Abkommen der Krieg beendet wird und die israelischen Streitkräfte abziehen.
       Israel beharrt auf der vollständigen Vernichtung der Hamas als Kriegsziel.
       Laut UN-Chef Antonio Guterres wächst der internationale Druck auf Israel,
       einer Feuerpause zuzustimmen. (rtr)
       
       25 Mar 2024
       
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