URI: 
       # taz.de -- Abschiebe-Razzien in den USA: Ein eisiger Wind weht durch Chicago
       
       > Chicago verstand sich lange als sicherer Ort für Migranten. Doch genau
       > hier beginnen jetzt die ersten Abschiebeaktionen. Viele Latinos sind in
       > Panik.
       
   IMG Bild: Trump gegen Chicago. Ortskräfte verweigern offenbar die Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden bei Abschiebungen
       
       Am 12. Mai 2008 stürmten 900 Mitarbeiter der Polizei- und
       Einwanderungsbehörde ICE im Städtchen Postville, Iowa, eine koschere
       Fleischverarbeitungsanlage. Sie legten 398 Menschen Handschellen an und
       brachten sie in Untersuchungshaft. Fast alle der Festgenommenen waren
       Latinos. Behörden hatten sich über Monate auf die Razzia vorbereitet: zum
       damaligen Zeitpunkt würde sie als größte Arbeitsplatzdurchsuchung gegen
       illegal Eingewanderte in die Geschichte der USA eingehen. Nie zuvor seit
       Gründung der Einwanderungsbehörde nach dem Terror am 11. September 2001
       konnte die ICE so viel Erfolg an einem Ort vorweisen.
       
       Elf Jahre nach der Razzia veröffentlichten Wissenschaftler der University
       of Michigan eine Studie mit erstaunlichem Ergebnis: Fast ein Viertel aller
       Babies von Latina-Müttern, die in den ersten 37 Wochen nach der Razzia auf
       die Welt gekommen waren, verzeichneten ein niedrigeres Geburtsgewicht als
       Babies im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Auch das Risiko einer
       Frühgeburt war bei Latina-Müttern im Vergleich zu anderen Frauen höher. Die
       Forscher zogen daraus den Schluss: Mütter, die in Stress und Angst vor
       Abschiebungen leben, bringen kleinere Babies auf die Welt. 
       
       Am Morgen melden die Nachrichten, Trump erlaube Festnahmen von Migranten
       jetzt auch in Schulen, Krankenhäusern und Kirchen. In Chicago fällt Schnee.
       Es sind kleine, harte Flocken, die auf der Haut schmerzen.
       
       In der 26th Street im Viertel Little Village, „La Villita“, blicken
       Schaufensterpuppen in pompösen Brautkleidern und Heiligenstatuen der
       Jungfrau von Guadalupe auf eine seltsam menschenleere Straße. Viele
       Geschäfte und Restaurants haben geschlossen. Olman Chaheine, 48, zieht sich
       an diesem eisigen Januartag seine schwarze Baumwollmütze tiefer ins
       Gesicht. Vielleicht, sagt er, liege es am Wetter. Ziemlich sicher aber an
       der Angst.
       
       ## „Sie haben das Recht, zu schweigen!“
       
       Seit Stunden läuft er von Geschäft zu Geschäft. Sein Ziel: die
       Geschäftsinhaber über ihre Rechte aufklären. Jetzt betritt Chaheine das
       „Kafecito“, ein gemütliches mexikanisches Bistro mit handgeschriebener
       Speisekarte. Wie er selbst ist die Besitzerin Rosa eine Latina, eine ältere
       Frau mit krausem Haar und einem Blick, der Sorge verrät. Fast alle hier im
       Viertel sind aus Mexiko eingewandert, in erster, zweiter oder dritter
       Generation. „Ich bin von der Handelskammer“, stellt er sich vor und zieht
       ein Din-A4-Poster heraus.
       
       Auf dem Poster steht auf Englisch und Spanisch: Jeder Mensch hat das Recht
       
       - die eigene Haustür verschlossen zu lassen. Öffnen Sie Ihre Haustür nicht
       ohne einen gerichtlich unterzeichneten Durchsuchungsbefehl! 
       
       - zu schweigen. Antworten Sie nicht auf Fragen, auch nicht zu Ihrem
       Aufenthaltstitel! 
       
       - auf eine rechtliche Vertretung. Sprechen Sie mit einem Anwalt! 
       
       - Polizei und die Einwanderungsbehörde (ICE) dürfen Sie anlügen, Ihnen
       drohen und Sie verunsichern, damit Sie auf Ihre Rechte verzichten. Erfahren
       Sie Ihre Rechte und verteidigen Sie sich! 
       
       ## Kein Schutz mehr
       
       Drei Männer sitzen schweigend auf ihren Plastikstühlen und essen. „El señor
       presidente“, sagt Rosa hinter einer Plexiglaswand stehend und meint Donald
       Trump, wollte schon so viele Dinge, die dann nicht eingetreten sind. Warum
       sollte es nicht auch dieses Mal so sein? Seit 30 Jahren betreibt sie das
       „Kafecito“, noch länger lebt sie ohne Papiere in den USA. Das „Kafecito“
       sei ihr Leben, ihr Zuhause, ihre Existenzgrundlage. Sie fürchtet sich. Aber
       finanziell kann sie es sich nicht leisten, den Laden geschlossen zu lassen,
       sagt sie. Chaheine nickt mitfühlend.
       
       Die Presse-Agenturen melden an diesem Tag, Ortszeit UTC: 
       
       13:17 Trump streicht Flüge von Flüchtlingen, die bereits eine
       Einreiseerlaubnis für die USA hatten. 
       
       13:23 Das US-Justizministerium will Mitarbeiter regionaler und kommunaler
       Behörden juristisch verfolgen, wenn sie ihre Mithilfe bei Massenabschiebung
       verweigern.
       
       18:50 Das Pentagon kündigt die Entsendung von 1.500 Soldaten zur
       Grenzüberwachung an die mexikanische Grenze an. 
       
       19:05 Das Repräsentantenhaus bestätigt den Entwurf für den „Laken Riley
       Act“. Bundesbehörden werden verpflichtet, Menschen ohne gültigen
       Aufenthaltsstatus auch für geringfügige Vergehen wie Ladendiebstahl
       festzunehmen und abzuschieben. 
       
       In den USA leben grob geschätzt 14 Millionen Menschen ohne geregelten
       Aufenthaltsstatus. Etwa 60 Prozent von ihnen haben keine Papiere. Die
       restlichen 40 Prozent fallen in unterschiedliche rechtliche Kategorien.
       
       Die Regierung Biden hat Einwanderern aus von Armut und Konflikten
       gebeutelten Herkunftsländern einen kollektiven temporären Schutzstatus oder
       ein humanitäres Visum gewährt. Andere, die als Minderjährige in die USA
       einwanderten, warten seit Jahren auf die Genehmigung ihrer
       Staatsbürgerschaft. Weitere 2,6 Millionen beantragte Asylanträge stehen
       noch aus. [1][All diese Menschen sind jetzt von einer Abschiebung bedroht]:
       nur weiß niemand so recht, in welchem Maße und in welcher Reihenfolge.
       
       ## Die Drohung ist real
       
       Für seine zweite Amtszeit hat Donald Trumps das größte Abschiebeprogramm in
       der Geschichte der Vereinigten Staaten angekündigt, „weil sonst kein Land
       mehr übrig bleibt“. Kaum jemand von den Betroffenen zweifelt am Ernst
       dieser Drohung.
       
       Für Millionen Migranten war Chicago ein Ort der Hoffnung auf ein besseres
       Leben, auf Glück. In diesen Tagen gibt es viele Mütter, die um das
       Schicksal ihrer Kinder bangen, und viele Kinder, die Angst haben, ihre
       Eltern zu verlieren.
       
       NGOs, Aktivisten und Lokalpolitiker haben sich seit Monaten auf das
       eingestellt, was kommen könnte. Als der Ernstfall eintritt, sind sie
       vorbereitet. Chicago, hatte der „[2][Grenzzar“ Tom Homan] mit
       Siegesgewissheit gesagt, soll Ground Zero für die geplanten Abschiebungen
       werden.
       
       Ein Drittel der Einwohner in der Stadt sind Latinos. Und so gut wie jeder
       Latino hat Familie oder Freunde, die ohne geregelten Aufenthaltsstatus in
       den USA leben. Sie arbeiten auf dem Bau, in Restaurantküchen, als
       Taxifahrer oder Putzkräfte, haben in diesem Land Kinder auf die Welt
       gebracht. Trump hat lateinamerikanische Migranten Vergewaltiger, Mörder und
       Diebe genannt. Trotzdem haben viele von ihnen bei den
       Präsidentschaftswahlen für ihn gestimmt.
       
       ## Chicago ist eigentlich eine sichere Zufluchtsstätte
       
       Der Bürgermeister Brandon Johnson ist der Regierung ein Dorn im Auge. Er
       hat allen, die Chicago ihr Zuhause nennen, seinen Schutz versprochen. Seit
       1985 ist Chicago eine „Sanctuary City“, eine von mehr als 100 sogenannten
       Zufluchtsstädten in den USA.
       
       „Chicago wird Schwierigkeiten bekommen, weil euer Bürgermeister beschissen
       ist und euer Gouverneur auch. Wenn Johnson nicht helfen will, soll er
       verdammt nochmal aus dem Weg gehen“, sagte Homan vor kurzem bei einer
       Veranstaltung der Republikanischen Partei. Während Trumps erster Amtszeit
       war es Homan gewesen, der den Plan mitentwickelte, „zur Abschreckung“
       Eltern an der Grenze von ihren Kindern zu trennen. Es wirkt wie eine
       makabre Fügung des Schicksals, dass ausgerechnet im Little Village eine
       Straße „Homan Avenue“ heißt.
       
       Wie viel von seinem Versprechen kann Trump umsetzen? Geht es ihm vielleicht
       vor allem darum, Angst in der Bevölkerung zu verbreiten? Je genauer man
       hinschaut, desto widersprüchlicher erscheint alles.
       
       Yoseiby Perez (Name geändert, d. Red.) ist erst seit ein paar Monaten im
       Land. Achtzehn Jahre alt, aus Caracas, Venezuela. Als sie am 11. Mai 2024
       die Grenze in die USA überquerte, rief sie ihre Mutter an und sagte, sie
       habe es geschafft. Gegenseitig gratulierten sie sich zum Muttertag, so
       erzählt sie es. Die Mutter klang erleichtert, erregt, besorgt.
       
       ## Sonderfall Venezuela
       
       So wie Yoseiby haben während Bidens Präsidentschaft acht Millionen Menschen
       die südwestliche Grenze der USA überquert. Sie stammen aus Mexico,
       Venezuela, Guatemala, Kuba, Honduras, aber auch aus China und Afghanistan.
       
       Sie könnten die ersten sein, die die Abschiebungen treffen. Jetzt schon hat
       Trump den temporären Schutzstatus aufgekündigt, unter den die Regierung
       Biden Migranten wie Yoseiby gestellt hatte. Aber die USA und Venezuela
       haben keine diplomatischen Beziehungen: niemand weiß, wie das rechtliche
       Prozedere aussehen könnte, um Venezolaner abzuschieben.
       
       Das Durchschnittsgehalt eines Lehrers oder einer Krankenschwester an einer
       öffentlichen Schule in Venezuela beträgt drei Dollar im Monat, das eines
       Angestellten in der Privatwirtschaft 160 Dollar – die monatlichen Kosten,
       um eine vierköpfige Familie zu ernähren, liegen laut der Venezuelan Finance
       Observatory bei 372 Dollar.
       
       Die Einwanderungsbehörde schickte Yoseiby nach Los Angeles. Aber sie wollte
       nach Chicago, zu einer entfernten Verwandten. Als sie ankam, wandte die
       Verwandte sich von ihr ab.
       
       ## Seither steht die Zeit still
       
       Sie sitzt an einem Tisch im Büroraum der NGO „Instituto del Progreso
       Latino“ im Little Village. In der Ferne ragen die Wolkenkratzer Chicagos
       wie abgestumpfte Bleistifte in den trüben Himmel, von den Dächern der
       Backsteinhäuser schmilzt langsam der Schnee. Ein Sozialarbeiter hat sie mit
       seinem Auto von der Flüchtlingsunterkunft zum Interview gefahren. Niemand
       darf erfahren, wo die Unterkunft sich befindet, schon gar nicht eine
       Reporterin. Zu hoch ist das Risiko, dass die Mitarbeiter von ICE auf sie
       aufmerksam werden.
       
       In der Unterkunft, erzählt sie, leben noch mindestens 800 andere Migranten.
       Yoseiby, ihr Freund und der dreijährige Sohn teilen sich ein Zimmer von
       etwa zwölf Quadratmetern mit einer anderen Kleinfamilie. Es ist ihre dritte
       Bleibe in neun Monaten. Es gibt einen Gemeinschaftsraum, jemand kocht für
       sie, manchmal Gerichte aus Venezuela, manchmal mexikanische Tortillas.
       Yoseiby verzieht ihr Gesicht.
       
       Ihr Alltag hat sich verändert, und zwar schnell und zum Schlechteren.
       Stunde um Stunde verfolgt sie auf dem spanischsprachigen Kanal „Univision
       Noticias“ Trumps Pläne.
       
       Früher ging sie mit dem Kind im Park spazieren, kaufte Erdbeeren oder Kiwis
       im Supermarkt ein, im Sommer gingen sie alle zusammen ins Freibad. Sie
       wischt auf ihrem Handy und zeigt ein Foto: Alle drei lachen sie unbeschwert
       in die Kamera. Seit letztem Montag steht die Zeit still. Sie verlässt die
       Unterkunft nicht mehr. Sie schläft nur oder läuft die Treppen auf und ab.
       Ausdauertraining.
       
       ## Aufenthalt und Kochbananen
       
       Gestern, als der Freund nicht pünktlich zur Ausgangssperre um zehn Uhr
       abends von seinem Gelegenheitsjob auf dem Bau zurückkehrte, war sie sich
       kurz sicher, sie hätten ihn geholt. Wenn sie ihn abschieben, wolle auch sie
       nach Venezuela zurück, beteuert sie. Aber bis es soweit ist, kratzen sie
       jeden Cent zusammen und überweisen das Geld nach Venezuela, Mindestbetrag
       für jede Überweisung 20 Dollar. Sie könnten sich eine Wohnung suchen. Aber
       sie wollen das Geld für die Miete lieber in Anwaltskosten für ihren
       Asylantrag investieren. Ihre Familie in Caracas setzt sie unter Druck, auf
       keinen Fall zurückzukehren. Durchhalten, sagen sie.
       
       Auf Fragen nach ihrer Flucht, ihrem Aufenthaltstitel, ihrer Familie
       antwortet sie einsilbig, verstrickt sich in Widersprüchlichkeiten. Sie
       zupft die Fäden aus ihrer weißen Plüschjacke, wickelt daraus kleine Knäuel
       und massiert mit den Knäueln ihren kleinen Finger. „Wie lange noch?“, fragt
       sie nach anderthalb Stunden mit abwesenden Augen.
       
       Der Sozialarbeiter tritt in den Raum. Sie grinst ihn mit ihrem breiten
       kindlichen Zahnspangenlächeln an, er setzt sich an den Tisch und macht
       einen Scherz. Nach und nach kommt im Gespräch mit ihm heraus, dass sie im
       Interview bei vielem die Unwahrheit gesagt hat. Yoseiby möchte nichts von
       sich preisgeben. Sie hat Angst vor allem Unbekannten, vor dem, was jeder
       Tag bringen kann.
       
       Was wünscht sie sich im Leben? Ein eigenes Zuhause, in dem sie Tajadas,
       frittierte süße Kochbananen, zubereiten kann. Einen Aufenthaltstitel. Dass
       ihr dreijähriger Sohn eines Tages hier studieren kann.
       
       ## Abschiebung in Militärmaschinen
       
       Die Presse-Agenturen melden: 
       
       7:56 Berichte über Mitarbeiter der Polizei- und Einwanderungsbehörde ICE an
       einer Schule in Chicago stellen sich als falscher Alarm heraus. 
       
       11:04 US-Regierung erleichtert Abschiebungen. Anderthalb Millionen
       Migranten aus Kuba, Venezuela, Nicaragua und Haiti, die einen temporären
       Schutzstatus genießen oder ihre Asylanträge über die App CPB stellten,
       sollen abgeschoben werden. Für die Abschiebeflüge dürfen Militärmaschinen
       eingesetzt werden. 
       
       14:46 Bis zu 10.000 Soldaten sollen sich in den kommenden Tagen auf einen
       Einsatz an der Grenze zu Mexiko vorbereiten. 
       
       Jurani ist Case Managerin bei einer NGO. „Wenn jemand über die Lage
       Bescheid weiß, dann sie“, stellt ihr Vorgesetzter sie stolz vor. Er nickt
       ihr freundlich zu, dann verlässt er den Raum. Jurani wanderte aus Kolumbien
       in die USA ein. Seit fünf Jahren lebt sie in den USA, sie hat einen
       Mexikaner mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft geheiratet. Im Mai
       letzten Jahres hat auch sie die Staatsbürgerschaft bekommen. Der Prozess
       lief glatt und dauerte wenige Monate. Sie hatte sich rechtzeitig darum
       gekümmert, betont sie: Schließlich weiß man nicht, was mit dem neuen
       Präsidenten drohen könnte.
       
       ## Latinos gegen Latinos
       
       Jurani hat ihre pechschwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz
       zusammengebunden, ihr Blick durch die Brillengläser ist ernst. Wie Yoseiby
       spricht sie kein Englisch und bleibt lange Zeit wortkarg. Wir sprechen über
       einen Übersetzer am Telefon. Bei Fragen nach ihrer persönlichen Biographie
       verstummt sie, flüchtet sich in Allgemeinheiten. Sie helfe Menschen mit
       ihren Anträgen auf Staatsbürgerschaft, sagt sie. Wer keinen geregelten
       Aufenthaltstitel hat, falle nun mal nicht in ihren Zuständigkeitsbereich,
       dazu könne sie also auch nichts sagen.
       
       Dann kommt sie wie zufällig auf die Flüchtlingsunterkünfte zu sprechen. Sie
       zieht die Lippen zu einem beschämten Lächeln zusammen, aber ihre Augen
       strahlen: Sie hat etwas zu sagen, von dem sie weiß, dass sie es eigentlich
       für sich behalten sollte. Doch es bricht aus ihr heraus.
       
       „Die Menschen aus Venezuela bekommen vom Staat Unterstützung, die ich mir
       als Migrantin niemals erträumt hätte.“ Jurani zählt auf: In den
       Unterkünften müssten sie weder für sich kochen noch Wäsche waschen. Das
       Essen sei gutes Essen. Sie bekämen Essensmarken, Krankenversicherung, ein
       Dach über dem Kopf. Anfangs hätte der Staat sie sogar in vornehme
       Hotelzimmer einquartiert. Ein Vater hätte für sich und seinen Sohn vor drei
       Monaten einen Scheck über achttausend Dollar bekommen, mit eigenen Augen
       hätte sie es gesehen.
       
       Eigentlich ist der Aufenthalt in einer Unterkunft auf 60 Tage vorgesehen,
       aber viele würden von Unterkunft zu Unterkunft rotieren und fast ein Jahr
       keine eigene Bleibe suchen. Immerhin, in den letzten Monaten sei das Budget
       immer weiter geschrumpft. Mittlerweile müssten sie sich die Unterkünfte mit
       den Obdachlosen von Chicago teilen.
       
       „Fast niemand strengt sich an oder sucht Arbeit. Sie sind faul. Sie sind
       undankbar.“ Eine Erklärung dafür hat sie nicht. Haben auch deswegen [3][so
       viele Latinos Trump gewählt]? „Definitiv. Wegen diesen Neulingen treffen
       die Abschiebungen jetzt alle, auch die, die schon seit Jahrzehnten hier
       leben.“
       
       ## Interne Konflikte zwischen Latinos
       
       Francisco Sandoval, Anwalt für Asylrecht und Vizepräsident der Illinois
       Venezuelan Alliance lebt schon lange in Chicago. Er seufzt traurig, als ich
       ihm von Juranis Ausbruch erzähle. „Diese internen Konflikte zwischen den
       Einwanderungsgruppen“, sagt er, „sind ein Riesenproblem unter Latinos“.
       Auch er glaubt, dass es ein Fehler Bidens war, so viele Venezolaner ins
       Land zu lassen – nur die wenigsten von ihnen fielen in die Kategorie von
       Geflüchteten, sagt er.
       
       Die Mexikaner würden sich am meisten ärgern, weil sie „very well behaved“
       sind, gut an das Leben in den USA angepasst. Die Neuankömmlinge würden
       ihrem Ruf schaden – die würden manchmal vergessen, wo sie hier sind und
       bräuchten mehr Zeit, um zu begreifen, wie der Laden hier läuft. Aber er
       glaubt auch, Trump werde einen Weg finden, Venezolaner loszuwerden.
       
       Am Donnerstagabend meldet das ICE, landesweit seien 538 Menschen
       festgenommen worden. Zwischen Donnerstag und Samstag sind es 1.400, zu
       Festnahmen kommt es in 19 Städten, darunter in den Bundesstaaten Illinois,
       Utah, Kalifornien, Minnesota, New York, Florida und Maryland.
       
       ## Razzia verfehlt offenbar eigene Ziele
       
       Am Sonntag reist Tom Homan nach Chicago. Am Nachmittag beginnt eine groß
       angelegte Razzia in der ganzen Stadt. Ortskräfte haben sich offenbar nicht
       daran beteiligt.
       
       Die ICE gibt 956 Festnahmen bundesweit bekannt. Wie viele davon in Chicago
       stattgefunden haben, ist unklar. Die Leiterin einer NGO schreibt in einer
       privaten Nachricht, soweit hätte man wohl nur Menschen mit Strafdelikten
       festgenommen: „Sie wollten angeblich 200, aber sie haben ihr eigenes Ziel
       verfehlt, weil wir unsere Leute mit „Know Your Rights“ so gut vorbereitet
       haben. Das ist eine Riesenerleichterung.“
       
       27 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Angst-vor-Deportationen-in-den-USA/!6059955
   DIR [2] /Trumps-erste-Entscheidungen/!6045512
   DIR [3] /Trumps-Wahlsieg-und-Minderheiten/!6045224
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Klimchuk
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Migration
   DIR Deportation
   DIR GNS
   DIR Recherchefonds Ausland
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schlagloch
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR US-Präsident droht Chicago: Trump erklärt Städten den Krieg
       
       Der US-Präsident will die Stadt Chicago spüren lassen, „warum es
       Kriegsministerium heißt“. Die USA sind auf dem besten Weg in den
       Faschismus.
       
   DIR Ukrainische Geflüchtete in den USA: „Ich bete, dass die USA sie nicht im Stich lassen“
       
       240.000 Ukrainer sind seit Beginn des Krieges in die USA geflüchtet. Unter
       Biden durften sie bleiben und arbeiten. Jetzt bangen sie um ihre Zukunft.
       
   DIR Trump schlägt „Gold Card“ vor: Make America käuflich!
       
       Donald Trump will reichen Ausländer*innen für 5 Millionen Dollar die
       US-Staatsbürgerschaft verkaufen. Auch russische Oligarchen sind willkommen.
       
   DIR Trumps Aggression gegen Migrant*innen: Guantánamo soll Abschiebeknast werden
       
       US-Präsident Donald Trump will 30.000 „kriminelle Migranten“ auf dem
       US-Militärstützpunkt Guantánamo inhaftieren. Die Razzien in den USA gehen
       weiter.
       
   DIR Was Geld vernichtet: Oligarchie bewirkt Zoonosen
       
       US-Präsident Trump will Grönland – wegen der Bodenschätze. Doch die Arktis
       erwärmt sich schneller als gedacht – das setzt gefährliche Mikroben frei.
       
   DIR US-Präsident unterzeichnet Dekrete: Iron Dome und Transverbote
       
       Donald Trump will ein Raketenabwehrsystem wie in Israel. Außerdem hat er
       den Verteidigungsminister angewiesen, die Regelung für transsexuelle
       US-Soldaten zu überarbeiten.
       
   DIR Repressionen in Bayern: Klima-Aktivistin darf nicht Lehrerin werden
       
       Der Freistaat Bayern verweigert einer Lehramtsstudentin einen
       entscheidenden Schritt ihrer Berufsausbildung. Die Begründung: ihr
       Anti-Kapitalismus.
       
   DIR Konflikt mit neuem US-Präsidenten: Kolumbien gibt im Abschiebestreit mit Trump nach
       
       Kolumbiens Präsident Petro protestierte gegen die Abschiebung von
       Kolumbianer:innen in US-Militärmaschinen. Trump drohte mit Zöllen –
       und gewann.
       
   DIR US-Einwanderungspolitik: Bei Einwanderern steigt die Angst
       
       In den USA führt die Einwanderungspolizei ICE Razzien gegen „Illegale“
       durch. Heimatschutzministerin Kristi Noem will „Amerika wieder sicher
       machen“.
       
   DIR US-Migrationspolitik: An der Grenze
       
       Präsident Joe Biden hat in den letzten vier Jahren schon massiv das
       Asylrecht und den Grenzschutz verschärft. Was droht, wenn Trump jetzt
       übernimmt?