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       # taz.de -- Aiwangers Entschuldigung: Reumütig geht anders
       
       > Hubert Aiwanger hatte viel Zeit für eine Entschuldigung – und ließ sie
       > verstreichen. Das Schauspiel, das er nun bietet, ist erbärmlich.
       
   IMG Bild: Geht in die Gegenoffensive – Hubert Aiwanger positioniert sich zu den Antisemitismus-Vorwürfen
       
       Diesen Auftritt hätte er sich sparen können – und uns ersparen. Zutiefst
       bereue er sein Verhalten, aufrichtig entschuldige er sich, sagt Hubert
       Aiwanger [1][in einem nicht einmal zwei Minuten langen, abgelesenen
       Statement], für das er die Presse der Landeshauptstadt in sein Ministerium
       gebeten hatte.
       
       Mit Verlaub, aber das ist peinlich und lächerlich. Und vor allem: reichlich
       spät. Für eine glaubwürdige Entschuldigung hätte Aiwanger zehn Tage Zeit
       gehabt.
       
       Gleich [2][nachdem die Süddeutsche Zeitung ihn mit den ersten Vorwürfen
       konfrontiert hat], hätte er reinen Tisch machen können, sagen, was Sache
       ist. Er hätte glaubhaft machen können, dass ihm seine jugendlichen
       Verirrungen leid tun und die Pamphlete, Hitlergrüße und Judenwitze von
       damals nichts, aber auch gar nichts mit seiner heutigen Einstellung zu tun
       haben. Hat er aber nicht. Stattdessen drohte er der Zeitung mit dem Anwalt
       und beklagte sich über eine vermeintliche Schmutzkampagne.
       
       Auch nach der ersten Veröffentlichung der Vorwürfe hätte es am Wochenende
       noch die Gelegenheit gegeben, sich zu entschuldigen. Oder nach dem
       Koalitionsausschuss am Dienstag, [3][als Aiwanger Markus Söder allein vor
       die Presse treten ließ]. Jetzt – unter größtmöglichem Druck – mit ein paar
       weichgespülten Entschuldigungsfloskeln um die Ecke zu kommen, ist fast
       schon dreist. Zu glauben, damit durchzukommen, ist im besten Fall naiv.
       
       Nicht nur, dass Aiwanger noch nicht mal zu wissen scheint, wofür er um
       Verzeihung bittet, entlarvt seine Entschuldigung als leere Worthülse. Auch
       dass er umgehend wieder in die Gegenoffensive übergeht, dementiert, was
       noch irgendwie zu dementieren ist, und erneut eine politische Kampagne
       gegen ihn wittern will, zeigt, wie windig und berechnend Aiwangers
       angebliche Reue ist.
       
       Was bei den Vorwürfen allerdings etwas aus dem Blickfeld gerät, und was
       auch Aiwanger und Söder bisher nicht begriffen haben: Es geht hier nur am
       Rande um den [4][16-jährigen Hubsi] am Burkhart-Gymnasium, der allem
       Anschein nach etwas durchgeknallt war. Oder vielleicht auch etwas mehr.
       Schlimm wäre es, wenn einem Jugendlichen, der Mist baut, der Weg zurück in
       die Gesellschaft auf Dauer versperrt bliebe.
       
       Nein, es geht um Hubert Aiwanger, 53, stellvertretender Ministerpräsident
       und Wirtschaftsminister des Freistaats Bayern. Es geht um den Mann, der
       zuletzt immer ungenierter in sehr seichten, rechten Gewässern fischte. Und
       um den Politiker, der jetzt – wenn überhaupt – nur scheibchenweise mit der
       Wahrheit herausrückt, herumlaviert, nach dem nächsten Schlupfloch Ausschau
       hält und sich, was just in dieser Angelegenheit besonders geschmacklos ist,
       als Opfer darstellt.
       
       Die Chance, klarzumachen, dass der Hubert von heute wirklich nichts mehr
       mit dem Hubsi von damals zu tun hat, hat Aiwanger allerspätestens am
       Donnerstagnachmittag endgültig verspielt.
       
       1 Sep 2023
       
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