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       # taz.de -- Aktionskünstler fordern Regierung heraus: Ihr Kinderlein, kommet!
       
       > Ein „Soforthilfeprogramm des Bundes“ soll 55.000 syrischen Kindern in
       > Deutschland eine Heimat geben. Nur die Bundesregierung weiß davon noch
       > nichts.
       
   IMG Bild: Keine Montage
       
       BERLIN taz | Es ist ein „nationaler Appell” mit einer eindringlichen
       Botschaft: Zuerst taucht das Bild von Familienministerin Manuela Schwesig
       auf. Dann folgen die Gesichter etlicher syrischer Kinder. Sie tragen
       Schilder, auf denen steht: „Danke, Manuela Schwesig” und „Wir lieben Euch”.
       Es sind keine Fotomontagen – diese Bilder entstanden tatsächlich in Syriens
       umkämpfter Stadt Aleppo. Und es sieht ja auch so aus, als hätten diese
       Kinder allen Grund dazu sich zu freuen.
       
       Denn auf der Homepage der „[1][Kindertransporthilfe des Bundes]” wird seit
       Montag ein historisches Hilfsprogramm verkündet. Die Seite, die in
       deutscher und englischer Sprache verfügbar ist, stellt ein
       „Soforthilfeprogramm des Bundes“ vor und bewirbt die neue Kampagne „1 aus
       100“, mit der die Bundesregierung laut der Homepage einem Prozent der
       derzeit nach Unicef-Angaben 5,5 Millionen akut hilfsbedürftigen syrischen
       Kindern helfen will.
       
       „Im Rahmen des Bundeshilfsprogramms können vorübergehend 55.000 Kinder im
       Alter von bis zu 17 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland einreisen,
       sofern ein finanzieller Förderer oder eine Pflegefamilie für sie gefunden
       wurde“, heißt es auf der Seite, die gespickt mit Informationen zu dem
       Hilfsprogramm ist und unter dem Logo des Bundesministeriums für Familie,
       Senioren, Frauen und Jugend firmiert.
       
       In einem Werbefilm auf der Homepage berichten freiwillige Pflegeeltern über
       ihr Glück, ein Kind aus dem Bürgerkrieg in Obhut genommen zu haben – und
       ein Holocaust-Überlebender sagt: „55.000 Kinder – das würden wir kaum
       spüren!“ Mit der Hilfsaktion spielt die Kampagne auf ein historisches
       Beispiel an, das in Deutschland gern zitiert wird: Die legendären
       Kindertransporte, durch die im zweiten Weltkrieg tausende jüdische Kinder
       ins britische Exil gebracht wurden und die so vor der Verfolgung durch
       deutsche Nazis geschützt werden konnten.
       
       Doch hinter dem gigantischen Hilfsprogramm steht nicht etwa die
       Bundesregierung, sondern eine Menschenrechts- und Künstlergruppe um den
       Berliner Kunstaktivisten Philipp Ruch und dessen [2][Zentrum für Politische
       Schönheit]. In der Vergangenheit machte die Gruppe immer wieder mit
       gewagten politischen Kunstaktionen Schlagzeilen. 2012 schrieb das Zentrum
       ein Kopfgeld in Höhe von 25.000 Euro für Hinweise aus, die einen der Eigner
       des Waffenkonzerns Krauss-Maffei Wegmann [3][hinter Gitter brächten].
       
       Mit ihrer aktuellen Kampagne wollen die Menschenrechtsaktivisten auf die
       ungelöste Situation der Millionen Menschen im Bürgerkriegsland Syrien
       aufmerksam machen. „Die Zahlen sind apokalyptisch: 150.000 Tote, zehn
       Millionen Vertriebene, 5,5 Millionen hilfsbedürftige Kinder in Syrien. Aber
       die größte Flüchtlingskrise des 21. Jahrhunderts droht in der deutschen
       Öffentlichkeit einfach unterzugehen”, sagt Philipp Ruch.
       
       Mit der Kampagne will die Künstlergruppe der deutschen Bundesregierung nach
       eigenen Angaben ein „schlüsselfertiges Hilfsprogramm“ an die Hand geben,
       dass die Bundesregierung nun nur noch umsetzen müsse. Dazu rufen die
       KünstlerInnen interessierte Pflegefamilien und mögliche finanzielle
       Förderer auf, sich zu melden.
       
       12 May 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.kindertransporthilfe-des-bundes.de
   DIR [2] http://www.politicalbeauty.de/center/News.html
   DIR [3] /!93767/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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